Predigt am Sonntag "Sexagesimä" - 23.2.2003

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Textlesung: Lk. 8, 4 - 15

Als nun eine große Menge beieinander war und sie aus den Städten zu ihm eilten, redete er in einem Gleichnis: Es ging ein Sämann aus, zu säen seinen Samen. Und indem er säte, fiel einiges auf den Weg und wurde zertreten, und die Vögel unter dem Himmel fraßen's auf.

Und einiges fiel auf den Fels; und als es aufging, verdorrte es, weil es keine Feuchtigkeit hatte.

Und einiges fiel mitten unter die Dornen; und die Dornen gingen mit auf und erstickten's.

Und einiges fiel auf gutes Land; und es ging auf und trug hundertfach Frucht. Als er das sagte, rief er: Wer Ohren hat zu hören, der höre!

Es fragten ihn aber seine Jünger, was dies Gleichnis bedeute.

Er aber sprach: Euch ist's gegeben, die Geheimnisse des Reiches Gottes zu verstehen, den andern aber in Gleichnissen, damit sie es nicht sehen, auch wenn sie es sehen, und nicht verstehen, auch wenn sie es hören.

Das Gleichnis aber bedeutet dies: Der Same ist das Wort Gottes. Die aber auf dem Weg, das sind die, die es hören; danach kommt der Teufel und nimmt das Wort aus ihrem Herzen, damit sie nicht glauben und selig werden. Die aber auf dem Fels sind die: wenn sie es hören, nehmen sie das Wort mit Freuden an. Doch sie haben keine Wurzel; eine Zeitlang glauben sie, und zu der Zeit der Anfechtung fallen sie ab. Was aber unter die Dornen fiel, sind die, die es hören und gehen hin und ersticken unter den Sorgen, dem Reichtum und den Freuden des Lebens und bringen keine Frucht.

Das aber auf dem guten Land sind die, die das Wort hören und behalten in einem feinen, guten Herzen und bringen Frucht in Geduld.

Liebe Gemeinde!

Gerade so bekannte Geschichten versuche ich immer wieder einmal mit anderen Ohren zu hören. Die Gefahr ist ja groß, daß einem - wenn solch ein Gleichnis zum 3. oder 4. Mal gepredigt wird - die Feinheiten entgehen. Und ich habe wirklich einen Zug der Geschichte entdeckt, den hatte ich bis heute gar nicht beachtet. Dabei ist "Zug der Geschichte" eigentlich viel zu bescheiden ausgedrückt - es ist die ganze Richtung des Gleichnis, die mir zu denken gegeben hat:

Da wird doch nur von einem Sämann erzählt. Was er macht, wie er die Saat auf das unterschiedliche Land wirft und was dann daraus wird. Der "Sämann" ist Christus, soviel wissen wir. Der Same soll das Wort sein. Auch das ist uns noch in Erinnerung. Und der der Acker, das Land? Ja, das sollen wohl wir Menschen sein: Die einen, die das Wort freudig aufnehmen, dann aber kommt der Teufel und nimmt es wieder weg, die anderen, die sich Gott öffnen, dann aber wieder abfallen durch den Reichtum und die Güter der Welt...

Was mir aufgefallen ist: Wie unbeteiligt ist doch hier der Acker, mit dem wir verglichen werden. Die Dornen sind es, die das Wort ersticken. Der Teufel ist es, der es fortnimmt. Die Steine lassen es vertrocknen. Die Welt, die Güter wirken auf die Menschen ein, so kann sich Gottes Sache nicht halten. - Wo sind eigentlich wir selbst? Wo ist - vor allem! - unsere Verantwortung? Das Gleichnis tut ja gerade so, als könnten wir gar nicht dafür, was aus uns und Gottes Wort bei uns wird. Wir stehen unbeteiligt, vielleicht gar staunend daneben und wissen gar nicht, was da geschieht. - Ist das so?

Mir ist bei meinen Gedanken an dieser Stelle noch einmal der Wochenspruch zu diesem Sonntag eingefallen: "Heute, wenn ihr seine Stimme hören werdet, so verstocket eure Herzen nicht."

Ist dieser Spruch und sein Inhalt nicht die notwendige Ergänzung für das Gleichnis vom Sämann? Denn das gibt's eben auch, daß einer sein Herz zuschließt, wenn Gott anklopft. Mancher hört das Wort wohl - vielleicht sogar wieder und wieder - aber er will ihm nicht folgen. Weil er meint, es wäre später noch Zeit, zum Beispiel. Weil er fürchtet, als einer von Gottes Leuten müßte er doch anders leben als bisher. Oder auch, weil er mit Gott seit langem hadert und ihn mit seinem ablehnenden Wesen kränken will. Viele Gründe gibt es dafür, daß eine oder einer sich "verstockt" und das Herz zumacht gegen Gottes Sache. Das aber gibt das Gleichnis Jesu nicht her! Der Acker kann wirklich nicht verantwortlich gemacht werden, wenn der Sämann auf die Steine, den Weg oder in die Dornen sät! - Ich möchte jedenfalls heute dem noch ein wenig nachdenken, warum einer sich selbst vor Gott und seinem Wort verschließt. Und ich glaube, sie kennen, genau wie ich, mehr Menschen, die sich selbst verstockt haben als solche, die ihr gottloses Wesen dem Ungeschick des Sämanns zuschreiben können. Und vor allem geht uns ja die Frage nah, wie wir diesen Menschen auch zu Gottes Wort und seiner Gemeinde helfen können - oder sind diese Menschen nicht zu retten??? - Warum lehnen Menschen die Sache Gottes ab?

Einer fällt mir ein - und der steht für viele - der will sich einfach nichts schenken lassen. Das ist ja doch aber für uns evangelische Christen die Mitte des Glaubens, daß wir nur von den Geschenken Gottes leben. So viele gute Gaben haben wir mitbekommen: Die Geburt in einem reichen Land, der Wohlstand, in dem wir meist schon aufwachsen durften... Dann unsere Schulbildung, eine Lehre vielleicht, die wir machen konnten oder ein Studium...und dann der Arbeitsplatz, den wir gefunden haben, in einer Zeit, in der doch so viele ohne Arbeit sind, oder auch eine Beschäftigung, für die wir kein Geld bekommen, die uns aber Freude macht, vielleicht in der Familie oder in der Pflege und Fürsorge für andere. Und ist es nicht so: Viele müssen entbehren, was uns geschenkt ist, und sie sind doch auch fleißig und würden ihren Lebensunterhalt auch gerne selbst verdienen. Mit der Alterssicherung und einem behüteten Lebensabend geht es weiter, dieses geschenkte, mit Gottes Gütern und Gaben ausgestattete Leben. Und das ist immer noch nicht alles: Die Liebe Gottes - wir haben sie nicht verdient! Die Zuneigung unserer Mitmenschen - sie kommt uns auch zuvor, noch ehe wir sie erwerben können. Die Vergebung unserer Schuld - durch Christus am Kreuz erworben! Die Ewigkeit, die uns verheißen ist - Gottes Gnade! Und und und.... Wie gesagt, der eine, von dem ich rede und viele andere auch wollen Gott nichts zuschreiben müssen - alles nur sich selbst! Sie haben schließlich viel geleistet, viel geschafft, dies und das hingestellt, manches auf sich genommen, entbehrt, eingesetzt... Das kommt ihnen doch nicht alles bloß von Gott her!

Ganz weit hinter diesen Gefühlen von Stolz und selbstgefälligem Eigenlob steht wohl einfach oft ein Mangel an Persönlichkeit und gesunder Selbsteinschätzung. Nein, man will niemandem etwas zu danken haben! Alles hat man selbst gemacht, selbst erreicht, selbst verdient. - Arme Menschen, die Gottes Güte nicht sehen wollen.

Und eine Frau kommt mir jetzt in den Sinn - auch sie steht sicher für eine ganze große Gruppe - die vertagt das Hören auf Gottes Wort von einem Geburtstag zum anderen, von heute auf bald, von bald auf später und von später auf nie... Sicher bewegt sie die Angst, ein Leben mit Gott, in Verbindung mit ihm könnte Verzicht mit sich bringen. Sie müßte dann zum Beispiel hin und wieder auch dorthin, wo die Leute Gottes sich versammeln, in die Kirche. Auch könnte man sie ja ansprechen: Du nennst dich doch eine Christin - was meinst du denn zu dieser Frage? - Wer weiß, ob sie da immer Antwort geben könnte? Da verschiebt sie ihr Engagement für Gott lieber: Auf nächstes Jahr, auf die Zeit nach dem 50sten, auf die Rente...

Und einen alten Mann kenne ich, der repräsentiert eine weitere Menschengruppe: Er schleppt noch heute - nach fast 60 Jahren - schlimme Kriegserinnerungen mit sich herum. Nein, keiner wirft ihm vor, daß ihn die Erlebnisse damals so mitgenommen haben. Im Gegenteil: Das ehrt ihn, denn es beweist, daß er Gefühl und Mitleid kennt. Aber er hat das immer auch krampfhaft festgehalten - in seinem Gedächtnis, in seinem Herzen. Längst hatten sich auch gute Erfahrungen davor schieben wollen: Eine glückliche Ehe, gesunde Kinder, Früchte der Arbeit, das Häuschen, ein bescheidener Wohlstand und seit zwei Jahrzehnten schon ein gesicherter Ruhestand. Er sieht das alles nicht, will es nicht sehen, hängt immer noch und immer wieder an den alten schrecklichen Erinnerungen um Schützengraben und Minenfeld, gefallene Kameraden und dem Grauen des Rückzugs. Und er hält Gott das vor: Warum er das hat zulassen können? Wie sich das mit Güte und Liebe vertragen soll, die ihm doch nachgesagt werden. Dabei verstellt ihm das den Blick auf 60 Jahre Erfahrungen mit eben dieser Güte und Liebe Gottes! Ja, man kann es schon so sagen: Dieser Mann will Gott mit Verachtung strafen, weil er einmal Dinge erleben mußte, die er nicht begreifen konnte.

Es gibt sicher noch weitere Gründe, warum einer sich gegen Gott und sein Wort verstockt. Gewundert haben sie sich jetzt gewiß, warum ich nicht auch den Unglauben erwähnt habe, also die Tatsache, daß mancher einfach nicht glauben kann, nicht überzeugt werden kann von Gottes Kraft und kein Vertrauen zu ihm aufbringt. Das ist kein Zufall, daß ich nicht von diesen Menschen gesprochen habe. Ich denke einfach, sie wären die allerkleinste Gruppe von allen! Die Menschen, deren "Verstockung" ich eben vor Augen geführt habe, sind viel zahlreicher, glaube ich! -
Was können wir tun? Wie können wir die Herzen, die sich verkrustet haben, für Gott öffnen? Wie können wir anderen ihr Land bereiten helfen, daß der Same des Wortes Gottes hineinfällt und reiche Frucht bringt?

Das erste ist wohl eben das: Wir müssen davon ausgehen, daß sie selbst ihren Herzensacker hart gemacht haben oder steinig. Es geht dabei darum, was dieser Vers meint: "Heute, wenn ihr seine Stimme hören werdet, so verstocket eure Herzen nicht." Die Menschen machen das auch selbst; sie wollen es aus unterschiedlichen Gründen auch so haben, daß kein Gott in sie dringen kann und kein Wort von ihm. Sie sind darum auch selbst verantwortlich dafür. - Und wenn es so ist, können sie auch anders! Ihr Ackerfeld kann einen neuen Boden bekommen, weiche Erde, fruchtbare Krume, auf der etwas wachsen kann. Es liegt in ihrer Hand - und der Sämann geht doch auch immer noch über ihr Ackerfeld und streut den Samen. Alles kann noch werden...

Unser Beitrag kann vielleicht sein, daß wir mehr als bisher von unserem Glauben reden, von dem was auf unserem Lebensacker gewachsen ist und Frucht gebracht hat. Das muß ja gar nicht so überschwänglich oder gar überheblich vor die Menschen kommen. Aber sprechen wir doch mehr davon, was uns das Wort Gottes bedeutet, wo es uns getröstet hat, hindurchgetragen, geholfen und erfreut hat. Gerade Menschen in unserer Familie und in unserer Nähe müßten wir doch davon erzählen können! - Aber wie oft tun wir's nicht, schweigen vielmehr beharrlich von allem, was uns doch wichtig und heilig ist.

Machen wir den, der sich nichts schenken lassen will, darauf aufmerksam, daß wir die selben Dinge, die er sich erworben haben will, als reine Gottesgeschenke verstehen. Sagen wir ihm auch, wie gut es doch tut, Gott dafür zu danken und zu wissen: Ich muß mir bei meinem himmlischen Vater nichts verdienen - um Jesu Christi willen. Ob er's endlich begreift? Ich weiß es nicht. Aber er muß es endlich hören!

Und der Frau, die immer und immer wieder ihren Beginn mit Gott vertagt, sagen wir: Du weißt nicht, wann es zu spät ist, noch anzufangen. Und dann: Du meinst, du müßtest mit Gott an deiner Seite verzichten und dir etwas auferlegen, was dich beschwert. Was du gewinnst, wird viel mehr sein! Und es wird das Glück deines Lebens sein und alle befürchtete Beschwernis mit Freude aufwiegen, ja weit überragen!

Und dem Alten lösen wir die Augen, die so starr auf das längst Vergangene gerichtet sind: Zeigen wir ihm die tausend guten Gaben, die zahllosen Geschenke, die vielen glücklichen und frohen Stunden seiner Jahre bis heute... Vielleicht kann er doch noch gerecht auf sein Leben schauen!?

Machen können wir nichts auf dem Herzensacker unserer Mitmenschen. Wer sich verstockt, der bleibt selbst dafür verantwortlich. Aber helfen können wir wohl dazu, daß fester Boden ein wenig weicher wird, Krusten aufbrechen und der Same des Worte hineinfällt. Vielleicht liegt es an uns, einen Denkanstoß zu geben oder ein deutliches Zeugnis?