Predigt zum 3. So. n. Epiphanias - 26.1.2003

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Textlesung: Mt. 8, 5 - 13

Als aber Jesus nach Kapernaum hineinging, trat ein Hauptmann zu ihm; der bat ihn und sprach: Herr, mein Knecht liegt zu Hause und ist gelähmt und leidet große Qualen.

Jesus sprach zu ihm: Ich will kommen und ihn gesund machen.

Der Hauptmann antwortete und sprach: Herr, ich bin nicht wert, daß du unter mein Dach gehst, sondern sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund.

Denn auch ich bin ein Mensch, der Obrigkeit untertan, und habe Soldaten unter mir; und wenn ich zu einem sage: Geh hin!, so geht er; und zu einem andern: Komm her!, so kommt er; und zu meinem Knecht: Tu das!, so tut er's.

Als das Jesus hörte, wunderte er sich und sprach zu denen, die ihm nachfolgten: Wahrlich, ich sage euch: Solchen Glauben habe ich in Israel bei keinem gefunden!

Aber ich sage euch: Viele werden kommen von Osten und von Westen und mit Abraham und Isaak und Jakob im Himmelreich zu Tisch sitzen; aber die Kinder des Reichs werden hinausgestoßen in die Finsternis; da wird sein Heulen und Zähneklappern.

Und Jesus sprach zu dem Hauptmann: Geh hin; dir geschehe, wie du geglaubt hast. Und sein Knecht wurde gesund zu derselben Stunde.

Liebe Gemeinde!

Wir kennen alle diese Geschichte. Wir kennen sie gut, vielleicht zu gut. Wenn etwas so bekannt ist, wie diese Geschichte, dann entgeht einem beim Hören leicht die Hauptsache. Lassen sie uns darum heute einmal ganz anders an die Erzählung vom Hauptmann von Kapernaum herangehen.

Die zwei wichtigsten Rollen in der Szene spielen Jesus und der Hauptmann. Der Knecht, um dessen Heilung es doch scheinbar geht, hat im Grunde nur eine Nebenrolle. Von ihm erfahren wir nur: Er lag zu Hause, war gelähmt und litt große Qualen. Und am Ende: Er ward gesund zu derselben Stunde. Mehr nicht. Er bleibt eine Figur an Rande. Aber interessant wäre es schon zu wissen, wie der Knecht die ganze Geschichte erlebt hat, wie es eigentlich dazu kam, daß der Hauptmann, ein Heide, den Weg zu dem Juden Jesus fand. Erkundigen wir uns doch einmal. Gehen wir hin zum Haus des Hauptmanns, fragen wir den Knecht, der krank war und auf so wunderbare Weise gesund geworden ist. Vielleicht beginnt die Geschichte so neu mit uns zu reden:

Schon von weitem, noch auf der Straße, hören wir festliche Klänge. Es wird gefeiert im Hause des Hauptmanns. Nur mühsam bahnen wir uns einen Weg durch die Menge der Menschen. Fröhliche Gesichter überall. Der Knecht hat die ganze Garnison eingeladen. Alle sollen an seiner Freude teilhaben. Er war krank, litt große Schmerzen und jetzt ist ist er wieder gesund!
Und da, mitten in der frohen Schar, sehen wir ihn selbst. Immer wieder ruft er es den neu ankommenden Gästen zu: Ihr wißt, wie es um mich stand, aber seht her, ich kann mich wieder bewegen, wieder gehen und springen... Dabei vollführt er einen übermütigen Tanz. Und dann, als ein wenig Ruhe unter den Feiernden einkehrt, erzählt er die ganze Geschichte:

Das war heute morgen. Ich erwachte mit furchtbaren Schmerzen. Das alte Leiden im Rücken. So schlimm aber war's noch nie. Ich konnte mich buchstäblich nicht mehr rühren. Als ich nicht zum Dienst erschien, kam unser Hauptmann, um nach mir zu sehen. Als ich nach einem Arzt verlangte, meinte er: Dir kann kein Arzt helfen. Dann sprach er von einem jüdischen Rabbi, Jesus heißt er, glaube ich. Der könne mich gesund machen und zu dem wolle er gehen. Als er mich verließ, war ich verzweifelt. Ihr kennt ja den Hauptmann. Bei aller Achtung für unseren Vorgesetzten - aber Bitten ist nicht seine Stärke! Ihr wißt, wie's zugeht beim Appell: Befehlen und Kommandieren, das kann er, aber bitten...? Und dann bei einen jüdischen Rabbi! Ich glaubte ihm nicht, daß er wirklich gehen würde und so war ich sicher: Mir kann keiner mehr helfen. So weit würde sich unser Hauptmann niemals erniedrigen, daß er als Bittsteller zu einem Juden ginge. Und dann, was würde er denn erreichen, er, ein Römer, ein Offizier der verhaßten Besatzung bei einem Juden!? Ihr wißt, wir sind nicht gerade beliebt in Land. Doch dann, es ist kaum zwei Stunden her, da verschwanden die Schmerzen; ich konnte aufstehen, wieder gehen. Ich weiß nicht, wie's der Hauptmann fertig gebracht hat; ich weiß nur, jetzt bin ich gesund und habe keine Schmerzen mehr. Unser Hauptmann muß bei diesem Juden gewesen sein, bei diesem Jesus. Ich habe ihn gefragt, wie's zuging bei ihm. Aber er redet nicht darüber. Irgend etwas hat ihn wohl sehr bewegt, er schien mir vorhin ganz verändert. Er wollte auch nicht mitfeiern. Jedenfalls war er bei diesem Jesus und hat ihn für mich gebeten. Er, unser Hauptmann ist hingegangen, um bei einem Juden Hilfe zu erbitten. Mir kommt das vor wie ein Wunder!

Wir kennen den Rest der Geschichte, die der Knecht nicht kennt. Ja, der Hauptmann hat den Weg zu Jesus gefunden. Ein Mensch, von dem es keiner gedacht hätte, konnte auf einmal bitten - und das nicht für sich selbst! Er war sich nicht zu gut, sich so klein zu machen. Ein stolzer, befehlsgewohnter Mensch als demütiger Bittsteller. Der Herr über viele römische Soldaten redet Jesus mit "Herr" an. Und das ist nicht Herablassung, das ist echte Demut: "Herr, ich bin nicht wert, daß du unter mein Dach gehst..." Und dann, militärisch knapp: "Wenn ich meinen Leuten sage, kommt, so kommen sie. Wenn ich sage tut dies, so tun sie's. Herr, sprich nur ein Wort, so wird's geschehen. Ich traue dir soviel zu!" Wahrhaftig, der Hauptmann ist nicht mehr der, den seine Soldaten kannten. Vor Jesus ist er ein anderer geworden. Das ist das Wunder. Der Hauptmann hat's erfahren. Die Heilung seines Knechts erhält er obendrein wie eine Zugabe. Beeindruckt vom Vertrauen dieses Menschen kann Jesus die Bitte nicht abschlagen: "Solchen Glauben habe ich in Israel bei keinem gefunden."

Liebe Gemeinde!

Wir kennen nicht einmal den Namen dieses römischen Offiziers. Aber was er fertigbringt, macht ihn ein für allemal zum Vorbild rechten Glaubens: Er kommt zu Jesus, vertraut ihm und erwartet alles von diesem Heiland: Herr, sprich nur ein Wort... Er kommt zu Jesus und wird bei diesem Heiland ein anderer: Der Mann, der bisher nur befehlen konnte, lernt das Bitten. Er kommt zu Jesus und steht für einen anderen ein: Herr, mein Knecht leidet große Qual...

Haben wir bisher nicht immer gedacht, Jesus hätte mit der Heilung des Knechts das Wunder dieser Geschichte vollbracht? - Geschieht hier das Wunder aber nicht an ganz anderer Stelle, bei einem anderen Menschen, eben dem heidnischen Hauptmann? Von ihm sagt Jesus: Solchen Glauben habe ich unter meinen Leuten nicht gefunden! Darum lassen wir uns den Glauben dieses Hauptmanns zum Vorbild dienen:

Daß wir uns - auch wenn uns das einmal große Überwindung kostet - mit allem, was uns quält und belastet zu Jesus aufmachen. Daß wir von ihm alles erwarten. Daß uns keiner davon abbringen kann, Hilfe bei ihm zu suchen. Daß uns kein Geschwätz der Leute davon abhält, zu ihm zu gehen, kein "du kannst doch aber nicht" und kein "du bist doch nicht fromm oder christlich genug", oder was man uns sonst nach so alles sagt!

Wir wollen zu diesem Jesus gehen. Wir wollen ihm vertrauen, daß er nicht ansieht, was wir bisher gewesen, woher wir kommen und wie wir bisher mit ihm gestanden haben. Wir wollen selbst Wunder für möglich halten... Er wird uns helfen!

Aber auch dies mag uns ein Vorbild sein, das uns der Hauptmann gibt: Daß wir auch mit den Sorgen und Nöten unserer Mitmenschen vor Jesus treten. Daß wir auch für sie beten und bitten. Daß wir uns füreinander stark machen bei ihm und so miteinander immer mehr die Gemeinschaft werden, die Jesus mit seiner Gemeinde bauen wollte.

Ja, wir kannten die Geschichte vom Hauptmann von Kapernaum. Wir kannten sie gut, zu gut vielleicht. Nehmen wir von heute eine andere, neue Sicht der Geschichte mit nach Hause: Die Heilung des Knechts ist nur eine Zugabe. Das eigentliche Wunder geschieht an einem befehlsgewohnten heidnischen Hauptmann. Ein für allemal ist er uns von Jesus zum Vorbild rechten Glaubens gemacht: Beharrlich soll unser Glaube sein, unbeirrbar und voll Vertrauen, daß Jesus wirklich helfen kann. Ein solcher Glaube ist möglich. Ein solcher Glaube ist ein Wunder. Ein solcher Glaube empfängt Wunder.