Predigt zum Altjahrsabend - 31.12.2002

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Textlesung: Lk. 12, 35-40

Laßt eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen und seid gleich den Menschen, die auf ihren Herrn warten, wann er aufbrechen wird von der Hochzeit, damit, wenn er kommt und anklopft, sie ihm sogleich auftun.

Selig sind die Knechte, die der Herr, wenn er kommt, wachend findet. Wahrlich, ich sage euch: Er wird sich schürzen und wird sie zu Tisch bitten und kommen und ihnen dienen.

Und wenn er kommt in der zweiten oder in der dritten Nachtwache und findet's so: selig sind sie.

Das sollt ihr aber wissen: Wenn ein Hausherr wüßte, zu welcher Stunde der Dieb kommt, so ließe er nicht in sein Haus einbrechen.

Seid auch ihr bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, da ihr's nicht meint.

Liebe Gemeinde am letzten Abend des Jahres!

Ist es nicht so: Wir denken über all diesen drängenden und mahnenden Worten unwillkürlich an das Ende, das Ende der Zeit, der Welt und unseres eigenen Lebens. Gerade heute - kurz bevor ein Jahr stirbt - kommen uns ja auch wie von selbst solche Gedanken. Und dieser mehrfache Hinweis in diesen doch etwas düsteren Worten tut das Seine dazu: Daß wir immer bereit sind, daß unsere Lampen brennen und unsere Häuser für den Empfang gerüstet sein sollen. Wirklich: Schwer kann man sich heute abend dagegen wehren, über den Tod und das Ende aller Dinge nachzusinnen. -

Aber, ich bin ganz sicher, darum geht es gar nicht, nicht zuerst jedenfalls! Und wenn wir uns die Worte, über die wir heute abend nachdenken sollen, die Bilder, die sie uns vor Augen führen, einmal ganz genau anschauen, dann werden wir das auch spüren: Laßt eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen... Warum sollten wir auf den Tod denn mit Lichtern warten? Hier ist doch vielmehr angesprochen, daß wir reisefertig sind, daß wir unsere Siebensachen zusammen haben - aber doch nicht für das Ende! Denn so geht es weiter: ...seid gleich den Menschen, die auf ihren Herrn warten, wann er aufbrechen wird von der Hochzeit, damit, wenn er kommt und anklopft, sie ihm sogleich auftun. Das ist also der Grund, bereit zu sein: Weil unser Herr naht! Weil er uns besuchen will. Weil er nicht mehr fern ist! Also nicht der Tod wartet, sondern unser Herr Jesus Christus steht vor der Tür. - Einen größeren Gegensatz kann ich mir nicht vorstellen!

Und dann das: Selig sind die Knechte, die der Herr, wenn er kommt, wachend findet. Warum sollen wir denn wachen? Doch weil dieser Herr wache, bereite Menschen braucht! Doch nicht, weil er uns für das Sterben abholt, sondern weil er etwas mit uns vor hat - im Leben! Und wir erfahren auch, was: Wahrlich, ich sage euch: Er wird sich schürzen und wird sie zu Tisch bitten und kommen und ihnen dienen. - Haben wir nicht auch das vorhin überhört? Nicht wir sollen etwas für unseren Herrn tun, er zieht sich für uns die Schürze an und dient uns!

Und schließlich die Sache mit dem Dieb: Wenn ein Hausherr wüßte, zu welcher Stunde der Dieb kommt, so ließe er nicht in sein Haus einbrechen. Was hat denn ein Einbrecher mit dem Tod zu tun? Aber gerade diese Worte zeigen es auch besonders deutlich, daß es doch einfach stimmt: Nein, wir wissen nicht, wann ein Dieb kommt, im Gegenteil, wir haben keine Ahnung davon. Gerade deshalb aber sollen wir auf den letzten Satz dieser Verse achten: Seid auch ihr bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, da ihr's nicht meint.

Also: Nicht auf den Tod sollen wir uns vorbereiten, sondern darauf, daß uns der Herr besucht, daß er irgendwann, wenn wir es vielleicht am wenigsten erwarten, vor der Tür unseres Lebens steht und Einlaß begehrt. Dann kommt alles darauf an, ob wir ihn empfangen können, ob wir ihm auftun und ihn bei uns einlassen. - Aber das bleiben doch recht undeutliche Worte, Bilder, ohne richtige Vorstellung, Mahnungen, die wenig konkret und praktisch sind. Wollen wir uns einmal ein paar Szenen aus dem Leben ausmalen, wie sie vielleicht morgen schon in unserem Leben spielen könnten?

Warum soll es nicht bei einigen von uns im morgen beginnenden Jahr geschehen, daß sie in sehr schwere Lebenserfahrungen geraten. Vielleicht wartet Krankheit auf uns oder eine Zeit voller Ängste und Sorgen um andere Menschen, vielleicht um unsere Liebsten, unsere Angehörigen, die Mutter, den Bruder, die Tochter, das Enkelkind... Man kann solche Erfahrungen dann wie ein Verhängnis anstarren, wie das ungebetene Ende einer Zeit, in der es uns gut ging und wir im leichten Glück waren. Man kann aber auch alles Schwere so betrachten, als klopfte eben dann unser Herr an die Tür unseres Lebens. Und ich glaube, das ist die richtige Sicht! Ja, denken wir uns dann, jetzt will mein Herr, nach dem ich doch schon heiße, auch wirklich eintreten bei mir, mitten hinein in meine Tage, als mein Helfer und Beistand, als mein Freund, der von selbst nicht wieder gehen wird, bis er mich hindurchgebracht hat durch alles Leid und alle Sorge.

Aber wir müssen nicht immer nur Not und Dunkles mit unserem Herrn zusammenbringen. Vielleicht wartet ja auch schon bald eine sehr schöne Zeit auf uns! Da kommen Tage, an denen wahr wird, was wir schon so lange ersehnt haben. Es geschieht - vielleicht im Frühjahr oder im Sommer des nächsten Jahres - was wir nicht mehr für möglich gehalten hätten: Wir finden den Menschen, der uns liebt. Aus einer Bekanntschaft, die wir im Urlaub gemacht haben, wird eine gute, bereichernde Freundschaft. Ein Streit, der uns schon Jahre das Herz beschwert, kann endlich beigelegt werden. Oder unsere angeschlagene Gesundheit bessert sich wider Erwarten nachhaltig. Und noch so viel, noch so manches unerwartete Glück kann wahr werden. Auch hier denke ich, daß dann und auf diese Weise unser Herr an die Tür unseres Lebenshauses klopft. Und ihn dann einzulassen, würde unser Leben gewiß sehr verändern und erfüllen. Überhaupt ist unser Herr uns ja gut und er will uns doch auch erfreuen, bereichern, er will doch unser Heil - nicht erst nach dem Tod, nein, schon heute! Und wenn er dann, von uns eingelassen, wirklich bei uns drin ist in unserem Leben, dann wird uns Dankbarkeit und Freude nicht mehr ausgehen!

Aber selbst wenn gar nichts besonderes auf uns zukommt, wenn unsere Tage weiter ihren vertrauten Gang gehen und wir anscheinend vergeblich auf etwas warten, was einmal ganz anders, ganz ungewöhnlich, besonders schön oder schlimm ist, selbst dann können wir jeden Tag neu das Klopfen des Herrn an die Tür unseres Lebens hören! Vielleicht will er ja Einlaß bei uns, gerade weil unser Leben bis heute so gleichförmig und ohne Höhen und Tiefen gewesen ist. Denn - geben wir es ruhig zu - manchmal schon war es uns ja auch ziemlich langweilig in den allzu bekannten Zimmern unseres Lebenshauses! Vielleicht kommt mit unserem Herrn, mit seinem Wort, vielleicht mit dem neu und intensiver aufgenommenen Gebet zu ihm auch einmal ein neuer Ansporn, eine Idee, dies und das zu tun, diesen oder jenen Menschen zu besuchen oder einfach jeden Tag mehr danach zu fragen: Was würde Jesus jetzt wohl von mir wollen?

Laßt eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen und seid gleich den Menschen, die auf ihren Herrn warten...Selig sind die Knechte, die der Herr, wenn er kommt, wachend findet. Er wird sich schürzen und wird sie zu Tisch bitten und kommen und ihnen dienen.

Seid auch ihr bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, da ihr's nicht meint.

Liebe Gemeinde, ich verstehe diese Worte, diese Bilder so: Nicht um das Ende geht es, vielmehr um den Anfang - mit ihm, dem Herrn unseres Lebens, dem Herrn der Welt. Für ihn sollen wir bereit sein, auf ihn sollen wir warten. Weil wir nicht wissen, wann er kommt, darum sollen wir wachen und zu jeder Stunde gefaßt sein, daß er bei uns eingelassen werden will.

Zu den Bildern dieser Worte aus dem Lukasevangelium paßt ganz wunderbar noch ein weiteres Bild, das ich ihnen von heute noch so gern mitgeben möchte:

Ich habe einmal von einem alten Menschen gehört, der wirklich sein Leben an der Hand Jesu Christi geführt hat, das Leben in dieser Welt gliche einem großen Haus, mit vielen Räumen. Wir dürfen uns in allen Zimmern bewegen, die Ausstattung der Zimmer ist mal besser mal schlechter, im einen Raum geht es uns gut, im nächsten warten schwerere Zeiten, glückliche Tage müssen Stunden voller Leid weichen... Und so wäre es im Haus aller Menschen. Das Besondere allerdings am Lebenshaus eines Christen wäre dies: Alle Zimmer durch die wir im Laufe unserer Jahre schreiten, hätten auch immer eine Tür nach außen... Das besondere an diesen Türen ist nun dies: Sie haben alle nur eine Klinke innen. Wenn also der Herr Einlaß erbittet, wenn er an eine dieser Türen klopft, sei es im Zimmer, in dem wir glücklich sind oder in dem wir Leid erfahren, immer müssen wir die Tür öffnen! Unser Herr will es nicht tun.

Liebe Gemeinde, ich finde, das ist ein gutes Bild, eine Sache, die man sich neben dem anderen Gedanken gut merken kann: Seid bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, da ihr's nicht meint. Und wenn er kommt, dann macht ihr ihm von innen die Tür auf!