Predigt zum Vorl. Sonnt. im Kirchenjahr - 16.11.2014 Textlesung: 2. Kor. 5, 1 - 10 Denn wir wissen: wenn unser irdisches Haus, diese Hütte, abgebrochen wird, so haben wir einen Bau, von Gott erbaut, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel. Denn darum seufzen wir auch und sehnen uns danach, dass wir mit unserer Behausung, die vom Himmel ist, überkleidet werden, weil wir dann bekleidet und nicht nackt befunden werden. Denn solange wir in dieser Hütte sind, seufzen wir und sind beschwert, weil wir lieber nicht entkleidet, sondern über- kleidet werden wollen, damit das Sterbliche verschlungen werde von dem Leben. Der uns aber dazu bereitet hat, das ist Gott, der uns als Unterpfand den Geist gegeben hat. So sind wir denn allezeit getrost und wissen: solange wir im Leibe wohnen, weilen wir fern von dem Herrn; denn wir wandeln im Glauben und nicht im Schauen. Wir sind aber getrost und haben vielmehr Lust, den Leib zu verlassen und daheim zu sein bei dem Herrn. Darum setzen wir auch unsre Ehre darein, ob wir daheim sind oder in der Fremde, dass wir ihm wohlgefallen. Denn wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi, damit jeder seinen Lohn empfange für das, was er getan hat bei Lebzeiten, es sei gut oder böse. Liebe Gemeinde! Das ging mir immer wieder einmal so in diesem zu Ende gehenden Kirchenjahr, dass ich gedacht habe: Die Textabschnitte, die wir an den Sonn- und Feiertagen predigen sollen, sind oft nicht ein- fach zu verstehen. Manchmal weiß man auch gar nicht, worüber man überhaupt sprechen soll. Oder es scheint so, als befänden sich die Texte im Widerspruch zu den Texten anderer Kirchenjahre. Bei der Gelegenheit muss ich es wieder einmal sagen: Es gibt sechs so genannte Perikopen- oder Predigtextreihen, über die wir - dem Auftrag unserer Kirche entsprechend - in sechs aufeinander folgenden Jahren predigen sollen. Und jetzt sind wir fast am Ende der letzten, der sechsten Reihe. Am 1. Advent beginnen wir wieder mit der ersten Reihe, die unsere bekanntesten und schönsten Texte aus dem Neuen Testament enthält, z.B. die Weihnachtsgeschichte, die Geschichten vom Ein- zug in Jerusalem, von der Himmelfahrt, von Nikodemus, von Lazarus und die bekanntesten Gleichnisse, etwa vom Sämann, den Arbeitern im Weinberg und vom Verlorenen Sohn, alles Ver- se, die wir gern und leicht predigen können. Grob gesagt, stellen die Texte der weiteren fünf Reihen immer höhere Ansprüche an die PredigerInnen, sie in einer Predigt gut, eingängig und evangeliumsgemäß darzubieten. Da könnte es jetzt, beim vorletzten Text der letzten Predigtreihe also schon sein, dass die Verse, die ich eben vorgelesen habe, entweder schwer zu verstehen, schwierig auszulegen oder sogar wider- sprüchlich sind. Ich glaube, dass bei diesen Worten des Paulus aus dem 2. Korintherbrief besonders die letzte der drei Schwierigkeiten zutrifft: Wir haben es mit einem Widerspruch zu anderen Stellen aus dem Neuen Testament zu tun. Aber der Reihe nach! Lassen wir Paulus sprechen: „Denn wir wissen: wenn unser irdisches Haus, diese Hütte, abgebrochen wird, so haben wir einen Bau, von Gott erbaut, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel.“ Das ist ja zu- nächst eine sehr schöne und für uns Christen verständliche Botschaft! Uns erwartet ein ewiges Haus im Himmel! Dabei denken wir an die Auferstehung Jesu, der uns dieses neue, ewige Leben in der Nähe Gottes verdient hat. Der für unsere Sünde und Schuld am Kreuz das Lösegeld mit seinem Blut bezahlt hat. Vielleicht fällt uns jetzt auch ein, was er zu den Jüngern gesagt hat: „Ich lebe und ihr sollt auch leben!“ (Jh.14,19) Oder was wir jeden Sonntag gemeinsam bekennen: „Ich glaube an die Auferstehung der Toten und das ewige Leben.“ Schließlich hat Jesus auch selbst davon gespro- chen, dass wir nach der „irdischen Hütte“, in ein „himmlisches Haus“ einziehen sollen: „In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen. Ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten?“ (Jh.14,2) Die nächsten Worte des Apostels machen unserem Verständnis und unserem Einfühlungsvermögen schon größere Probleme: „Denn darum seufzen wir auch und sehnen uns danach, dass wir mit un- serer Behausung, die vom Himmel ist, überkleidet werden, weil wir dann bekleidet und nicht nackt befunden werden. Denn solange wir in dieser Hütte sind, seufzen wir und sind beschwert, weil wir lieber nicht entkleidet, sondern überkleidet werden wollen, damit das Sterbliche verschlungen wer- de von dem Leben.“ Ganz ehrlich und offen gesprochen: Ich glaube nicht, dass wir auch „seufzen“ und uns „danach sehnen“ mit „unserer Behausung vom Himmel überkleidet“ zu werden. Das hieße ja doch, dass wir gern sterben würden, um endlich unser ewiges Haus zu beziehen aber dazu, denke ich, drängt es nur wenige von uns, sofern sie in diesem Leben nicht sehr viel leiden müssen. Überhaupt spüren wir gerade bei diesen Zeilen aus dem 2. Korintherbrief, dass bei Paulus, der ja nur 20 Jahre nach dem Kreuzestod Jesu diesen Brief geschrieben hat, die Erwartung noch ganz frisch und lebendig ist, dass Jesus bald wiederkommen wird, ja, dass der jüngste Tag unmittelbar bevorsteht. Wir dagegen - rund 2000 Jahre später - gehen eher davon aus, dass bis zu diesem Tag noch viele Jahre, Jahrzehnte und vielleicht Jahrhunderte ins Land gehen werden. Vielleicht müssen wir auch jetzt gestehen, dass wir über Christi Wiederkunft überhaupt nicht mehr nachdenken, auch wenn wir es in jeden Gottesdienst gemeinsam hersagen: „...er sitzt zur Rechten Gottes, des all- mächtigen Vaters; von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten.“ Vielleicht lassen wir uns ja aber von den Worten des Paulus anregen, dass wir uns wieder einmal mehr und tiefere Gedanken darüber machen, was wir eigentlich noch glauben, besonders von dem, was wir doch im Glaubensbekenntnis bekennen! Weiter schreibt Paulus: „Der uns aber dazu bereitet hat, das ist Gott, der uns als Unterpfand den Geist gegeben hat. So sind wir denn allezeit getrost und wissen: solange wir im Leibe wohnen, wei- len wir fern von dem Herrn; denn wir wandeln im Glauben und nicht im Schauen.“ Noch einmal wird uns deutlich, welch großer Abstand doch von heute bis zurück zu der Lebenszeit des Paulus besteht. Auch Gottes Geist scheint uns doch in unseren Tagen nicht mehr so gegenwärtig und so mächtig, wie ihn der Apostel noch erfahren hat: Dass er ihm Trost geschenkt und ihn hat zufrieden sein lassen, dass wir in dieser Welt „nur“ glauben aber nicht schauen können. Den Christen unserer Tage ist es nur sehr schwer zu vermitteln, dass in unserer Beziehung zu Gott und seinem Sohn Je- sus Christus alles, wirklich alles nur auf unserem Glauben beruht. Gern würden wir hin und wieder auch einmal sehen, erleben und mit Händen greifen können, was wir in unserem Herzen glauben. Das geschieht wohl auch hin und wieder - aber selten. Und vielen Christen unserer Tage geht gera- de darum, weil sie so gar nichts von dem „schauen“ können, was sie glauben, der Glaube nach und nach verloren. - Wie gut wäre es, wenn wir Gott wieder mehr darum bitten würden, dass er uns sei- nen Geist schenkt und uns tröstet, wenn wir nur glauben und nicht schauen dürfen! Aber wir wollen jetzt zu den Worten des Paulus kommen, die - wie es scheint - einen Widerspruch zu dem enthalten, was doch Paulus selbst an anderer Stelle geschrieben hat: „Darum setzen wir auch unsre Ehre darein, ob wir daheim sind oder in der Fremde, dass wir ihm wohlgefallen. Denn wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi, damit jeder seinen Lohn empfange für das, was er getan hat bei Lebzeiten, es sei gut oder böse.“ Die Mühe, Gott wohlzugefallen, wollen wir ja gern noch aufbringen. Wobei wir uns schon fragen müssen, wie wir das machen. Am Ende, so glaube ich, läuft es darauf hinaus, dass wir unserem Gott dankbare Kinder werden. Dank- bar dafür, dass er uns durch Jesus Christus erlöst hat, freigekauft von Sünde und Tod und für das Ewige Leben bestimmt. - Aber was bleibt denn dann noch an gutem oder bösen Tun übrig, das vor dem „Richterstuhl Christi“ belohnt werden müsste? Liebe Gemeinde, hier ist der scheinbare Widerspruch zu anderen Worten des Paulus in diesen Zei- len: Wer an Jesus Christus glaubt, der ist erlöst, der ist freigekauft, der hat das Ewige Leben. Wie kann es dann sein, dass er vor dem Richterstuhl Christi seinen Lohn - und doch wohl auch seine Strafe - empfängt? Ich habe lange nach einer Antwort auf diese Frage gesucht. Ich habe gedacht, die Antwort müsste wohl „tieftheologisch“, sehr gelehrt und vielleicht sogar sehr spitzfindig sein. Dabei ist sie ganz einfach. Wir müssen nur die letzten Verse des Abschnitts sinnvoll zusammenfügen - ganz ohne geistige oder geistliche Verrenkungen und Spitzfindigkeit: Wir bemühen uns („setzen unsere Ehre darein“) dass wir Gott wohlgefallen. Es gefällt Gott, wenn wir uns nicht auf unsere eigene Leistung, auf eigene Verdienste verlassen, sondern allein auf Jesus Christus, der uns erlöst hat von Sünde und Tod und wenn wir dafür dankbar sind. Wenn wir vor Christi Richterstuhl stehen, wird nur das zählen - und wir werden unseren Lohn erhalten, das Ewige Leben! Aber eben nicht wegen unserer Verdienste, sondern um des Verdienstes Jesu Christi willen. Verlassen wir uns aber auf unsere eigenen Werke, dann gefällt Gott das nicht. Denn wir verachten damit ja auch den Heilsplan Gottes, wie er uns durch Christus erlösen und freimachen wollte von aller Schuld, die uns von ihm trennt. Wenn wir so vor Christi Richterstuhl treten, dann werden wir den „Lohn“ dafür schmecken müssen. Wer sich auf die eigenen Verdienste verlassen will, der wird merken, dass er keine hat. Und was für einen Lohn sollte es für etwas geben, was es nicht gibt? Lasst uns mit unserem Leben und Glauben den Widerspruch auflösen. Dass wir - so wie es Gott ge- fällt - Jesus Christus als unseren Erlöser annehmen. Vor seinem Richterstuhl wird das Urteil sein: Geht ein ins Ewige Leben! AMEN