Predigt zum 17. Sonntag nach Trinitatis - 12.10.2014 Textlesung: Eph. 4, 1 - 6 So ermahne ich euch nun, ich, der Gefangene in dem Herrn, dass ihr der Berufung würdig lebt, mit der ihr berufen seid, in aller Demut und Sanftmut, in Geduld. Ertragt einer den andern in Liebe, und seid darauf bedacht, zu wahren die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens: EIN Leib und EIN Geist, wie ihr auch berufen seid zu EINER Hoffnung eurer Berufung; EIN Herr, EIN Glaube, EINE Taufe; EIN Gott und Vater aller, der da ist über allen und durch alle und in allen. Liebe Gemeinde! Angesichts der Greueltaten, wie sie von Terrormilizen im Irak und in Syrien in diesen Wochen be- gangen wurden und werden, denken wir wahrscheinlich kaum daran, der Ermahnung des Paulus zu folgen und als Christen „unserer Berufung würdig“ zu leben. Sicher würden wir auch sagen: Diese Terroristen sind doch keine Leute, die wirklich gläubige Muslime sind und dem Islam dienen wol- len. Wie sie sich gebärden zeigt es doch ganz deutlich: Sie sind nur menschenverachtende Verbre- cher, die den Islam mit ihren Untaten täglich mehr beschädigen und inzwischen von den meisten Anhängern der muslimischen Religion in aller Welt abgelehnt und nicht mehr als Glaubensgenos- sen anerkannt werden. Trotzdem bin ich sicher: Die Angehörigen dieser Terrormilizen würden auch von Berufung zu dem mörderischen Treiben sprechen, dem in den letzten Monaten schon viele Tausend Menschen, da- runter ungezählte Kinder, zum Opfer gefallen sind. Wir sehen daran, dass Menschen ihre Berufung auch falsch verstehen können und so, dass sie dem Gott, der sie - wie sie meinen - zu ihrem verbre- cherischen Tun berufen hat, keine Ehre, sondern nur Schande machen. Gewiss müssen wir uns nicht mit den Milizionären des Terrors vergleichen lassen, aber - das wol- len wir festhalten: Sie fühlen sich zu dem berufen, was sie tun. Ich finde, wir sollten vor diesem Hintergrund schon wieder einmal danach fragen, wozu Gott uns Christinnen und Christen berufen hat und danach, ob unser Leben, unser Denken, Reden und Handeln dem eigentlich noch entspricht. Paulus gibt uns gleich einige Eigenschaften und Verhaltensweisen an, die wir haben müssten, wenn wir unserer Berufung gerecht werden wollen: „Demut“ ist das erste, was Paulus nennt. Aber was ist das: Demut? Zunächst einmal ist es ein Wort, das in unserem alltäglichen Leben nur noch sehr selten gebraucht wird. In unseren Kirchen und in manchen Kreisen der Gemeinde dagegen, hört man dieses Wort immer noch häufig. Aber noch einmal: Was meint „Demut“? Wenn ich jetzt sage, es ist das Gegenteil von Hochmut, dann würden viele - besonders jüngere Leute - entgegnen: Hochmut ist nun gerade auch kein geläufiges, heute viel gebrauchtes Wort mehr. Und sie haben Recht! Und doch spricht „Hoch-mut“ deutlicher zu uns als „Demut“. Wir denken dabei vielleicht an einen Menschen, der die Nase sehr „hoch“ trägt und so auf andere von oben herabsieht und sie entsprechend behandelt. Demut dagegen hält sich zu den Niedrigen, den Geringen und will nicht mehr sein, nicht höher stehen als sie. Ich habe jetzt bewusst nicht gesagt, dass Demut sich klein macht und von unten zu denen hinaufschaut, die oben sind. Vielleicht ist der Begriff, der heute viel benutzt wird, „auf Augenhöhe mit den anderen Menschen sein“, die beste Beschreibung für das, was Demut und demütig sein heißt. Und jetzt müssen wir uns auch fragen: Sind wir demütig? Treten wir jedem Menschen mit dem ehr- lichen Gefühl entgegen, dass wir nicht besser, wichtiger, klüger sind als er - und was uns persönlich sonst noch an guten Eigenschaften einfällt? Noch entscheidender aber ist: Meinen wir nicht manchmal, dass wir Gott auch besser gefallen, einen höheren Wert für ihn haben und dass er es lie- ber mit uns als mit unserem jeweiligen Gegenüber zu tun hat? - Denken wir darüber nach, aber ma- chen wir uns nichts vor. Demut jedenfalls ist eine Tugend, die unsere Berufung von uns fordert. „Sanftmut“ ist die zweite Tugend, die unsere Berufung ausmacht. Auch nicht gerade ein Wort, das in unserem Wortschatz häufig vorkommt. Allenfalls auch - wie Demut - im Bereich von Kirche und Gemeinde. Trotzdem spricht dieses Wort mit uns: „Sanftmut“...sanftmütig... Uns kommen jetzt gewiss nicht die Leute in den Sinn, die immer gleich aufbrausen, wenn etwas nicht nach ihren Wünschen geht. Auch solche Menschen fallen uns jetzt nicht ein, die immer ein grämliches Gesicht machen und eine Art haben, wegen der es uns schwer fällt, sie gern zu haben oder auch nur mit ihnen zusammenzuarbeiten. Am wenigsten denken wir jetzt aber an die Menschen, die immer nur alles kritisieren und schlecht reden, besonders wenn sie an uns herumnörgeln und mit uns unzufrie- den sind. Hoffentlich aber kennen wir auch andere, eben solche die sanftmütig sind, die ihre Gefühle im Griff haben und freundlich bleiben, auch wenn sie sich mit Recht über etwas ärgern oder gar Grund zum Zorn haben. Sie können auch dann noch lächeln, wenn es ihnen einmal wirklich schlecht geht. Und sie bauen uns dann noch auf, wenn wir wirklich Fehler gemacht haben. - Gehören wir selbst zu diesen oder zu den Menschen der ersten Gruppe, die ich beschrieben habe, für die Sanftmut eher wie ein Fremdwort erscheint? „Geduld“ ist die dritte Tugend, die von Gott berufene Menschen zeigen sollen. Und Geduld ist nun wirklich eine Eigenschaft, die wir recht genau beschreiben können: Geduldig sein, heißt warten können, nicht immer alles sofort haben müssen, die Erfüllung unserer Wünsche hinausschieben können und Vertrauen haben, dass sie sich irgendwann erfüllen. Geduld haben, hat aber auch sei- nen Platz zwischen uns und anderen. Es heißt dann, die Mitmenschen nicht drängen, nicht unter Druck setzen, ihnen Zeit geben, sich zu entwickeln, sich zu ändern, zur Einsicht zu kommen... Da- bei muss auch immer klar sein, dass manches nie so wird, wie wir es erwarten: Vielleicht weil wir den Mitmenschen doch falsch eingeschätzt oder ihn mit unserer Erwartung überfordert haben. Ge- duld kann dann auch ertragen, wenn es nicht so wird, wie wir gehofft haben. Überhaupt „Hoff- nung“... Die hat viel mit Geduld zu tun! Gerade wo unsere Geduld enttäuscht worden ist, da muss der Blick der Christen in die Weite gerichtet werden. Was hier nicht sein kann, das wird in der Ewigkeit vollendet werden. Und wir spüren jetzt, dass durch die Geduld, die wir aufbringen, auch eine große Gelassenheit bei uns entsteht. „Ertragt einer den andern in Liebe, und seid darauf bedacht, zu wahren die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens.“ So schreibt Paulus weiter. Ich glaube, wer Demut, Sanftmut und Geduld hat, der beweist damit auch, dass in seinem Herzen die Liebe regiert, die Liebe zu Gott und den Menschen. Und „Einigkeit im Geist“ und „Frieden“ ist dann auch nicht fern. Wir wollen jetzt aber nicht so tun, als wäre das alles so leicht zu haben: Demut, Sanftmut und Ge- duld und dann Liebe und Einigkeit und Frieden. Dem stehen - gerade in unserer Zeit - sehr gewich- tige Dinge entgegen: Der Klimawandel, der sich in den Nachrichten fast täglich durch neue Kaprio- len zeigt, ist nicht nur ein globales Wetterereignis. Irgendwie ist es auch in unserer Gesellschaft kälter geworden und die Lebensbedingungen härter. Und wir haben darauf reagiert. Wir sind ins Individuelle geflüchtet, haben uns in die mehr oder weniger heile Welt unseres Hauses, unserer Wohnung zurückgezogen und meiden die Beziehungen zu anderen mehr als früher - besonders die zu schwierigen Menschen. Das ist verständlich. So lässt es sich leichter leben...überleben. Aber das ist nicht unsere Berufung! Und - wir müssen Gott dafür danken - zufrieden macht uns das auch nicht, denn ganz tief in unserem Herzen spüren wir: Gott will etwas anderes von uns! Und er hilft uns auch dabei, zu Menschen zu werden, die seine Berufung erfüllen. Davon schreibt Paulus auch. Wir sind nicht allein. Wir haben eine Gemeinde! Wir haben Mitchristen. Menschen, die wie wir auch eine Berufung von Gott haben, die selbe Berufung. Menschen, die vor Gott das verbindet: „EIN Leib und EIN Geist, wie ihr auch berufen seid zu EINER Hoffnung eurer Berufung; EIN Herr, EIN Glaube, EINE Taufe; EIN Gott und Vater aller, der da ist über allen und durch alle und in allen.“ Liebe Gemeinde, lasst uns das nicht vorschnell als fromme Worte abtun, nicht gering schätzen als leider in unserer Zeit nicht mehr aktuell! Gottes Liebe ist da, sie ist um uns, so wie vor 2000 Jahren auch noch heute, auch und gerade, wenn wir die zunehmende Kälte in unserer Gesellschaft spüren, auch und gerade, wenn die Lebensumstände härter geworden sind. Ein erster Schritt dazu, dass wir unsere Berufung wieder übernehmen, wäre es, wenn wir heraustre- ten aus den privaten Räumen, aus dem individuellen Leben, wohin wir uns zurückgezogen haben. Wir haben eine Gemeinde! Es gibt Menschen, die sich wie wir selbst nach einem anderen Leben sehnen, die wie wir selbst Demut, Sanftmut und Geduld üben wollen, vielleicht wieder lernen wol- len. Ich glaube, wenn wir uns jetzt hier in unserem Gotteshaus umsehen, dann sehen wir diese Menschen - und wir selbst sind gewiss auch dabei! Hören wir auf Paulus: „Ich ermahne euch, dass ihr der Berufung würdig lebt, mit der ihr berufen seid!“ AMEN