Predigt zum 13. Sonntag nach Trinitatis - 14.9.2014 Textlesung: Apg. 6, 1 - 7 In diesen Tagen aber, als die Zahl der Jünger zunahm, erhob sich ein Murren unter den griechi- schen Juden in der Gemeinde gegen die hebräischen, weil ihre Witwen übersehen wurden bei der täglichen Versorgung. Da riefen die Zwölf die Menge der Jünger zusammen und sprachen: Es ist nicht recht, dass wir für die Mahlzeiten sorgen und darüber das Wort Gottes vernachlässigen. Darum, ihr lieben Brüder, seht euch um nach sieben Männern in eurer Mitte, die einen guten Ruf haben und voll heiligen Geistes und Weisheit sind, die wir bestellen wollen zu diesem Dienst. Wir aber wollen ganz beim Gebet und beim Dienst des Wortes bleiben. Und die Rede gefiel der ganzen Menge gut; und sie wählten Stephanus, einen Mann voll Glaubens und heiligen Geistes, und Philippus und Prochorus und Nikanor und Timon und Parmenas und Ni- kolaus, den Judengenossen aus Antiochia. Diese Männer stellten sie vor die Apostel; die beteten und legten die Hände auf sie. Und das Wort Gottes breitete sich aus, und die Zahl der Jünger wur- de sehr groß in Jerusalem. Es wurden auch viele Priester dem Glauben gehorsam. Liebe Gemeinde! In meiner Lutherbibel ist dieser Abschnitt überschrieben mit: „Die Wahl der sieben Armenpfleger“. In der Guten-Nachricht-Bibel heißt er: „Sieben Helfer für die Apostel“ und in der Elberfelder Bibel steht über diesen Versen aus der Apostelgeschichte: „Diakonenwahl“. Ich sage das jetzt nicht, um Ihnen zu zeigen, wie viele unterschiedliche Bibeln ich zu Hause habe. Mir geht es um etwas ganz anderes, nämlich um die Bedeutung und das Ansehen dieser sieben aus- erwählten Männer. Bei „Diakonenwahl“ denken wir sicher zuerst an den heutigen Beruf des Dia- kons (was eigentlich „Diener“ heißt), der in einer Kirchengemeinde oft mit eher weltlichen, organi- satorischen Dingen beschäftigt ist und manchmal sogar nur wie ein Sachbearbeiter im Gemeindebüro Dienst tut. Da klingt „Helfer für die Apostel“ schon deutlich besser und sozusagen „geistlicher“. Aber - ganz klar - auch der Helfer steht weit unter dem Apostel, dem er hilft. Sie merken, worauf ich hinaus will: „Armenpfleger“, wie die Lutherbibel die sieben Auserwählten nennt, gefällt mir am besten, einfach deshalb, weil die Tätigkeit dieser Männer damit gegenüber der Arbeit der Apostel nicht niedriger oder weniger bedeutsam erscheint. Und es ist kein Hochmut bei den Aposteln, wenn sie für sich den Dienst am Wort, also die Verkündigung der guten Botschaft von Jesus Christus reservieren - sie haben ihn schließlich längere Zeit begleitet und aus seinem Mund die Worte gehört, die sie jetzt weitergeben. Vielleicht denken Sie jetzt, dass die Gedanken darum, wie diese sieben Männer nun bezeichnet werden, doch eher nebensächlich sind. Was liegt schon daran, ob sie nun diesen oder jenen Dienst tun, wenn sie ihn nur ordentlich tun. - Damit haben Sie sicher Recht. Andererseits hängt es schon sehr von der jeweiligen Tätigkeit eines Menschen ab, welches Ansehen er bei uns hat und schließlich auch welches Gehalt wir ihm zugestehen. So sind meiner Meinung nach die Mitarbeiter, die im Krankenhaus für die Pflege zuständig sind und die Erzieherinnen und Erzieher, denen wir in den Kindergärten und Krabbelgruppen unseren Nachwuchs anvertrauen viel zu wenig geachtet und gemessen an anderen Berufen deutlich unterbezahlt. Was ich sagen will: Wenn wir als Christinnen und Christen die Verse, die uns heute vorgelegt sind, ganz ernst nehmen würden, dann müssten wir doch einigermaßen umdenken. Schauen wir doch nur, wie diese sieben Armenpfleger ausgesucht und in ihr Amt eingeführt werden: Gewählt werden Männer, „die einen guten Ruf haben und voll heiligen Geistes und Weisheit sind“. Und die Sieben bekommen auch keinen Vertrag und einen Handschlag zu ihrem Dienstbeginn, sondern sie stellten die Männer „vor die Apostel; die beteten und legten die Hände auf sie“. Das Bedienen an den Ti- schen der Armen, die in der Gemeinde versorgt wurden, war sozusagen auch ein geistlicher Dienst, nicht weniger wichtig, nicht weniger angesehen als der Dienst am Wort, wie ihn die Apostel taten. Dem einen oder anderen unter uns ist jetzt vielleicht die bekannte Geschichte von Maria und Martha (Lk.10,38-42) eingefallen, die leider immer wieder missverstanden wird. Sie erinnern sich: Marta hatte Jesus und seine Jünger zum Essen eingeladen. Während sie kocht, die Speisen auf- tischt, abräumt und spült, sitzt ihre Schwester Maria zu Jesu Füßen und hört auf das, was der Herr sagt. Marta aber bittet Jesus, dass er ihre Schwester anweist, ihr beim Bedienen zu helfen. Darauf- hin sagt Jesus zu ihr: „Marta, Marta, du hast viel Sorge und Mühe. Eins aber ist Not. Maria hat das gute Teil erwählt; das soll nicht von ihr genommen werden.“ Wie gesagt: Das ist oft missver- standen worden. Als meinte Jesus, das Wort des Evangeliums wäre grundsätzlich wichtiger als der Dienst für die leibliche Versorgung der Menschen. Vergessen wir nicht: Es ist Jesus, der hier spricht. Darum wäre es in diesem Augenblick auch für Martha besser, sie hörte auf seine Worte. Ansonsten hat beides den gleichen Wert: Seelsorge und Leibsorge. Zurück zu den sieben Armenpflegern in der ersten Christengemeinde: Sie waren Männer „voll Glaubens und heiligen Geistes“, also Männer, die den Aposteln möglich machten, „ganz beim Ge- bet und beim Dienst des Wortes zu bleiben“, was nicht nur ihnen, sondern „der ganzen Menge gut gefiel“. Aber halten wir fest: Es ist kein geringerer Dienst, den die Armenpfleger tun. Er ist genau- so wichtig und genauso gegründet im „Glauben“ und gesegnet durch den „heiligen Geist“ wie das Amt der Apostel. Liebe Gemeinde, was nehmen wir denn jetzt mit von diesen Gedanken? Hoffentlich mindestens drei wichtige Anregungen, die wir im Sinne der Verse aus der Apostelge- schichte umsetzen könnten: Die erste Anregung nenne ich einmal die Achtung gegenüber Berufen, die heute - zwar oft schlecht bezahlt - doch besonders wichtig sind, die viel Verantwortung haben und die meist mit Menschen arbeiten wie Krankenpfleger, Krankenschwester, Erzieher und Erzie- herin oder auch Altenpflegerin und Altenpfleger. Gerade diese Berufe werden ja oft in der Träger- schaft von Kirchen oder Kirchengemeinden ausgeübt. Und nicht selten gibt es zu Beginn der Tätig- keit in diesen Berufen so etwas wie eine geistliche Beauftragung und sogar eine Segnung. Auf je- den Fall erfüllt manch eine und manch einer in diesen Berufen auch einen gewissen missionari- schen und seelsorgerlichen Auftrag. Es wird an der Art wie der Dienst getan wird deutlich, dass der Glaube an Jesus Christus im Hintergrund der Arbeit steht. Es ist traurig und eigentlich nicht zu be- greifen, dass gerade diese so wichtigen Berufe oft mit so niedrigem Gehalt ausgestattet sind, dass einer heute kaum eine Familie davon ernähren kann. Die zweite Anregung ist diese: Sehen wir die Ämter in unseren Kirchen und Gemeinden nicht mehr länger so an, als wäre das, was der Kirchenvorsteher, die Kindergottesdiensthelferin, der Kirchen- diener und der Kantor in der Gemeinde leisten, weniger wichtig als die Arbeit der Pfarrerin, des Pfarrers, des Prädikanten und des Lektors, also aller, die in der Verkündigung des Wortes stehen. Alle Ämter in der Gemeinde sind im Grunde geistliche Ämter, weil sie alle durch das Evangelium von Jesus Christus begründet sind. Alle, die solch ein Amt versehen, brauchen den Segen und den Beistand Gottes, um ihren Dienst zum Wohl der Menschen in der Gemeinde zu tun. Und mir scheint, je länger ich Erfahrungen mit Menschen in solchen Ämtern mache, es ginge dabei auch nicht ohne das, was schon von den sieben Armenpflegern in der Urgemeinde verlangt wurde: dass die Menschen in diesen Ämtern einen guten Ruf haben und voll Glaubens und voll des Heiligen Geistes sind. Die dritte Anregung, die wir von heute mitnehmen könnten, wird Sie vielleicht überraschen. Aber ich denke wirklich, dass wir alle, die wir an Jesus Christus glauben, genau wie die haupt- oder ne- benberuflichen und die ehrenamtlichen Mitarbeiter in der Gemeinde auch ein geistliches Amt ha- ben, es heißt „Christin, Christ zu sein!“ Und dieses Amt ist auch nicht geringer als die anderen Äm- ter, die ich eben angesprochen habe. Vielleicht liegen unsere Aufgaben etwas anders als die der Menschen, die ihr Amt in der Kirche oder der Gemeinde versehen. Aber ist der Dienst am Evange- lium von Jesus Christus, wie ihn eine Mutter oder ein Vater in der Erziehung ihrer Kinder tun, wenn sie den Kleinen ein christliches Leben zeigen, ihnen von Jesus erzählen und mit ihnen beten, weniger wert als der Dienst, den ein Pfarrer leistet, wenn er predigt oder Konfirmanden in den Din- gen des Glaubens unterrichtet? Und kann der kleine Arbeiter oder Angestellte, der seinen Glauben und seine christliche Einstellung an seinen Arbeitsplatz mitnimmt und dort auch nicht verbirgt, nicht ebenso viel für die Sache Christi erreichen wie vielleicht ich heute hier auf dieser Kanzel? Aber zum Schluss wollen wir noch eines mitnehmen, was uns ermutigen will, unser geistliches Amt nach diesem Gottesdienst dort wo wir leben und arbeiten wahrzunehmen. Es ist der Anfang des letzten Satzes des Abschnitts aus der Apostelgeschichte, die wir heute bedacht haben. Er spricht davon, dass unserer Arbeit in unserem Amt auch Erfolg beschieden sein soll: „Und das Wort Gottes breitete sich aus, und die Zahl der Jünger wurde sehr groß.“ Gott segne unsere Arbeit in jedem Amt und jedem Dienst, in dem wir als Christen stehen. AMEN