Predigt zum 1. Sonntag nach Trinitatis - 22.6.2014 Textlesung: 5. Mos. 6, 4 - 9 Höre, Israel, der HERR ist unser Gott, der HERR allein. Und du sollst den HERRN, deinen Gott, lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft. Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollst du zu Herzen nehmen und sollst sie deinen Kindern einschärfen und davon reden, wenn du in deinem Hause sitzt oder unterwegs bist, wenn du dich niederlegst oder aufstehst. Und du sollst sie binden zum Zeichen auf deine Hand, und sie sollen dir ein Merkzeichen zwischen deinen Augen sein, und du sollst sie schreiben auf die Pfosten deines Hauses und an die Tore. Liebe Gemeinde! Das sind wieder deutliche Worte: „Höre, Israel, der HERR ist unser Gott, der HERR allein.“ Da- bei ist gerade dieser Vers schon entschärft. Andere Übersetzungen sagen ihn so: „Höre, Israel! Jahwe, unser Gott, Jahwe ist einzig.“ Sie spüren den Unterschied? Einmal ist Gott der einzige Gott Israels und einmal ist er überhaupt der einzige Gott. Ich persönlich bevorzuge die zweite Überset- zung, sie steht allerdings dem Dialog mit den anderen Weltreligionen im Wege. Was aber auch für die zweite Übersetzung spricht, ist die Tatsache, dass es zur Zeit als diese Verse aufgeschrieben wurden, viele andere Götter gab, die in der Umgebung Israels verehrt wurden. Da hinein will der Schreiber des 5. Mosebuchs sagen: „Unser Gott ist einzig. Es gibt sonst keine ande- ren Götter!“ Was machen wir jetzt mit dieser Erkenntnis? Erst einmal wollen wir uns wieder bewusst machen, dass wir einen Gott haben, der mit den Göttern anderer Religionen unvergleichbar ist. Es ist dabei gar nicht nötig, so weit zu gehen, dass wir den anderen Göttern absprechen, dass sie überhaupt existieren. Der Gott Israels, der auch unser Gott ist, ist deshalb einmalig, weil er Israel als sein Volk aus allen Völkern auserwählt und weil er uns in Je- sus Christus als seine Kinder berufen hat. Beides hat unser Gott aus Liebe getan. Das ist der Hin- tergrund von Israels Erwählung und unserer Berufung: Liebe! Darum kann Gott nun auch erwarten, was wir weiter lesen: „Du sollst den HERRN, deinen Gott, lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft.“ Eigentlich ist also alles ganz einfach: Weil Gott uns zuerst geliebt hat, sollen wir ihn zurücklieben. Weil er uns mit seiner Liebe so weit entgegenkommt, sollen wir nun auch auf seine Liebe mit Gegenliebe antworten. - Aber ist es wirklich so einfach? Liebe Gemeinde, mal ehrlich, wann haben Sie zuletzt darüber nachgedacht, dass wir Christinnen und Christen einen Gott haben, dessen Liebe wir uns nicht durch unsere guten Taten, unsere Werke und Verdienste erwerben müssen? Und wann hat Sie das in den letzten Wochen, Monaten oder Jah- ren mit der Freude erfüllt, die dem angemessen wäre? Denken Sie doch nur: Unser Gott verlangt nicht bestimmte religiöse Übungen, die wir erst einmal leisten müssten. Er will nicht haben, dass wir ihm Opfer bringen, dass er uns dann etwas dafür zurückgeben kann. Er fordert nicht unser Wohlverhalten, damit er unsere Bitten anhört oder uns gar er-hört. Er kommt zu uns und ist in un- serem Leben immer schon da mit seiner Liebe. Seinem Volk Israel schickt er Mose, um sie aus Ägypten herauszuführen. Uns hat er seinen Sohn Jesus Christus gesandt, dass er uns aus Sünde und Schuld befreit. In ihm geht er auf die Menschen zu, die sich niemals getraut hätten, ihm nahe zu kommen. Den Zachäus ruft er vom Baum herab: „Ich will heute in deinem Haus zu Gast sein.“ Die Ehebrecherin erfährt bei ihm Beistand und Ver- gebung. Und dem Verlorenen Sohn eilt er entgegen, umarmt ihn und feiert ein Fest mit ihm, mit dem, der alles, was ihm der Vater gegeben hatte, verprasst und vergeudet hat. Wir müssen es bekennen: Wir haben lange nicht daran gedacht, wie sehr Gott uns liebt und dass seine Liebe uns immer zuvorkommt. Aber es ist genau das, was unseren Gott einzig macht unter den Göttern und warum wir sagen müssen: „Der HERR ist unser Gott, der HERR allein!“ Wie gut ist darum diese Empfehlung: „Diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollst du zu Herzen nehmen und sollst sie deinen Kindern einschärfen und davon reden, wenn du in deinem Hause sitzt oder unterwegs bist, wenn du dich niederlegst oder aufstehst.“ Nun sind wir leider ja sehr vergesslich. Auch wenn wir uns das heute vornehmen, mehr daran zu denken, dass Gottes Liebe immer zuerst zu uns kommt, werden wir das doch nicht lange durchhal- ten. Wir brauchen dazu gewisse Hilfen, die uns erinnern. Wir brauchen Gewohnheiten, die uns - immer wenn wir ihnen nachkommen - einprägen, wie das mit Gottes Liebe ist. Und vielleicht brau- chen wir auch Dinge, die uns täglich auf Gottes zuvorkommende Liebe hinweisen. Was das Volk Israel getan hat und bis heute tut, um seiner Erinnerung aufzuhelfen, mutet uns sicher etwas seltsam an: „Und du sollst diese Worte binden zum Zeichen auf deine Hand, und sie sollen dir ein Merkzeichen zwischen deinen Augen sein, und du sollst sie schreiben auf die Pfosten deines Hauses und an die Tore.“ Ja, wirklich: Das alles tun fromme Juden bis zum heutigen Tag! Wir aber müssen und wollen das nicht nachahmen, denn es gibt auch für uns Hilfen und Zeichen, die besser zu uns passen und uns immer wieder in Erinnerung rufen können, dass wir zu dem Gott der Liebe gehören, dem Gott, der uns zuerst geliebt hat: Das wird Sie jetzt vielleicht wundern, wenn ich sage: Dass wir getauft sind, ist so eine Hilfe. Aber deutlicher als in der Taufe, besonders in der Taufe der kleinen Kinder, kann doch gar nicht werden, dass nicht wir es sind, die auf Gott zugehen, sondern dass er zuerst in unser Leben hineinkommt und uns seine Liebe und seinen Segen verspricht. Wenn wir den Kindern nun sogar noch eine Taufkerze von ihrem Tauftag mitgeben, dann haben sie sogar so etwas wie ein Zeichen für die Lie- be Gottes, die von Anfang an mit ihnen war und ist. Viele Eltern zünden diese Taufkerze ja auch immer am Geburtstag ihres Kindes an, damit sie und ihr Kind sich erinnern. Und sie lassen die Kerze nicht zu lange brennen, dass sie möglichst lange hält! Aber es geht auch ohne Kerze. Martin Luther hat einmal gesagt, dass er jeden Morgen neu „in seine Taufe kriecht“. Damit meinte er, dass er sich das täglich immer wieder vor Augen führt: Ich bin getauft! Gott hat mich lieb! Aber es gibt auch das Gebet! Wir müssen es nur täglich üben, dann wird uns immer wieder aufge- hen, dass wir damit keine Selbstgespräche führen, sondern Gottes Ohr finden. Und Gott antwortet auch. Auf seine Weise. Oft ganz anders, als wir es erwartet und erhofft haben. Aber immer so, dass es gut für uns ist. Und immer wieder wird uns beim Beten deutlich werden, dass Gott uns liebt, be- vor wir uns an ihn wenden und ganz gleich, ob wir unsere Hände zaghaft gefaltet haben, weil wir nicht so waren, wie wir sein sollten oder im festen Vertrauen darauf, dass er uns ja vergeben will, was an unserem Tun und Lassen nicht recht und nicht richtig war. Eine dritte Hilfe zur Erinnerung an Gottes Liebe ist heute leider etwas in den Hintergrund getreten. Ich meine die Bibellese. Es sind nur noch wenige Menschen, die wenigstens hin und wieder die Bi- bel aufschlagen und darin ein Kapitel oder zwei lesen. Unsere Groß- und Urgroßeltern haben das noch jeden Morgen oder Abend getan. (Aber da gab es auch noch kein Fernsehen!) Jedenfalls kön- nen wir besonders im Neuen Testament auf bald jeder Seite etwas von der Liebe Gottes lesen, die unserer Liebe zuvorkommt und uns so jeden Tag neu ins Gedächtnis rufen lassen, wie einzigartig unser Gott ist. Selbstverständlich - wie könnte es anders sein - will ich auch noch den Gottesdienst als Erinne- rungshilfe an Gottes Liebe anführen. Nehmen Sie nur allein diesen Gottesdienst heute - mehr als an diesem Sonntag, in dieser Predigt sind Sie doch sicher selten an die Liebe Gottes erinnert worden! Aber in allen Gottesdiensten, die wir feiern, ist das auch so - manchmal mehr, manchmal weniger. „Der HERR ist unser Gott, der HERR allein. Und du sollst den HERRN, deinen Gott, lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft.“ Mit diesen Worten haben die Ver- se, die wir heute bedenken sollen, begonnen. Wir haben gesehen, dass Gott aus lauter Liebe Israel als sein Volk auserwählt hat. Und wir haben gesehen, dass er uns Christen durch Jesus Christus zu seinen Kindern machen will. Juden wie Christen kommt Gott dabei zuvor mit seiner Liebe. Juden wie Christen haben diese Liebe nicht verdient. Beide - Juden wie Christen - haben nun aber allen Grund, Gott auf die Liebe, die er ihnen unverdient schenkt, mit Gegenliebe zu antworten. Darum steht jetzt das Wort vom Anfang der Predigtverse auch hier am Ende. Lasst sie uns dankbar beher- zigen: „Der HERR ist unser Gott, der HERR allein. Und du sollst den HERRN, deinen Gott, lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft.“ AMEN