Predigt zum Sonntag „Misericordias Domini“ - 4.5.2014 Textlesung: Hebr. 13, 20 - 21 Der Gott des Friedens aber, der den großen Hirten der Schafe, unsern Herrn Jesus, von den Toten heraufgeführt hat durch das Blut des ewigen Bundes, der mache euch tüchtig in allem Guten, zu tun seinen Willen, und schaffe in uns, was ihm gefällt, durch Jesus Christus, welchem sei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen. Liebe Gemeinde! So kurz dieser Predigttext ist, so anstößig ist er doch auch für manche Zeitgenossen - auch wenn sie sich Christen nennen! Nun kann es gut sein, dass Sie, die eben diese Worte aus dem Hebräerbrief gehört haben, das gar nicht so empfinden. Das liegt dann vielleicht daran, dass Sie nicht so genau hingehört haben. Oder daran, dass Sie den Text mehr bildlich verstehen. Vielleicht aber können Sie die Worte auch wirklich so aufnehmen, wie sie gemeint sind - ohne dass sie bei Ihnen Anstoß erre- gen. - Aber ich merke jetzt, dass ich erklären muss, was ich eigentlich sagen will. Hören wir noch einmal die ersten Worte aus diesem Text: „Der Gott des Friedens aber, der den großen Hirten der Schafe, unsern Herrn Jesus, von den Toten heraufgeführt hat...“ Der Schreiber des Hebräerbriefs vergleicht uns Christen hier mit Schafen und das lassen sich viele Menschen heu- te nicht so gern gefallen. Das werden die einen unter uns gar nicht so genau mitbekommen haben. Die anderen denken vielleicht: So wird im Neuen Testament ja immer wieder einmal gesprochen und dabei das Bild bemüht: Unser Herr Jesus ist der Hirte. Wir sind seine Herde. Was ist da schon dabei? Ja und dann gibt es noch die Menschen, die es ganz genau nehmen damit und begreifen, was hier gemeint ist und die auch noch dazu ja sagen können. Und genau darüber möchte ich jetzt spre- chen, denn da liegt der Schlüssel zu diesem kurzen Text aus dem Hebräerbrief und eigentlich zum ganzen Evangelium von Jesus Christus! Wir werden also mit Schafen verglichen. Aber nicht weil Christen dumm wären. Überhaupt: Wer sagt, dass Schafe dumm wären, der müsste eigentlich alle anderen Tiere auch für dumm erklären, denn an die Klugheit von Menschen kommen sie alle nicht heran. Dabei ist hier genau das Gegen- teil gemeint, aber dazu komme ich später noch. Was der Verfasser des Hebräerbriefs meint und was auch die anderen Schreiber der Bücher des Neuen Testaments meinen, wenn sie von uns als von Schafen sprechen, hat mit mehreren anderen Eigenschaften zu tun, die Schafe wirklich haben: Zuerst damit, dass sie - wenigstens meistens - gern ihrem Hirten folgen. Vielleicht kann man sogar sagen: Sie vertrauen ihrem Hirten und wissen oder spüren, er führt sie nicht in die Irre, nicht in Ge- fahr, sondern auf gute Weide und zu frischem Wasser. Sie verlassen sich auf ihren Hirten - denn er sorgt für sie. Zusammengefasst ist das alles ja unvergleichlich schön in dem Psalm, den wir heute am Anfang dieses Gottesdienstes gehört haben: „Der Herr ist mein Hirte...“ Eine zweite Eigenschaft von Schafen, die hier angesprochen ist, hat mit der Lebensweise der Scha- fe zu tun, dass sie nämlich Herdentiere sind. Auch wenn wir heute Schafen begegnen, sind sie nie allein. Wenn ein Bauer sich Schafe hält, dann hat er meist einige davon. Und wenn einer gar beruf- lich Schäfer ist, dann zählt seine Herde oft 100 oder gar 200 Tiere. Wenn man so eine Gruppe von Schafen oder gar eine ganze Herde beobachtet, gewinnt man den Eindruck, dass sie sich wohl füh- len, gerade weil sie nicht allein sind, vielmehr immer andere Schafe in ihrer Nähe haben. Eine dritte Eigenschaft von Schafen schließlich ist, dass sie freundliche Tiere sind, die - wenn es sich nicht gerade um einen Bock in der Paarungszeit handelt - nicht zur Gewalt neigen und keinen Drang dazu haben, Macht über andere auszuüben. Diese Eigenschaft ist ja in der Bezeichnung „braves Schaf“ oder wenn wir sagen, eine oder einer ist „lammfromm“ geradezu sprichwörtlich. Und der Ausdruck „lammfromm“ weist jetzt hinüber zu den neutestamentlichen Autoren und was sie damit ausdrücken wollten, wenn sie uns Christen als Schafe bezeichnet haben. Denn sie hätten von den Christen, die wie Schafe sind, gewiss auch als von „frommen“ Menschen gesprochen. Aber wir wollen die Eigenschaften, wie sie Schafe und Christen gemeinsam haben, der Reihe nach durchgehen: Christenmenschen sind wie Schafe, weil sie ihrem Hirten folgen, weil sie ihm vertrau- en und sich auf ihn verlassen. Wie geht es Ihnen damit? Passt Ihnen das dazu, eine Christin, ein Christ zu sein? Wir wollen hier gleich einmal auf die andere Seite schauen zu den Menschen, denen das ganz und gar nicht passt. Sie würden sagen: Wir folgen zuallererst einmal unserem eigenen Willen! Und ver- trauen können wir nur uns selbst, niemand anderem! Denn wenn wir uns auf einen anderen verlas- sen, sind wir erfahrungsgemäß verlassen. Dabei weiß ich nicht so genau, ob das wirklich auf „Er- fahrung“ beruht, was diese Menschen da sagen. Auf jeden Fall wollen sie nicht von anderen abhän- gig sein, niemanden nötig haben und niemandem etwas verdanken. Mit einem Wort: Sie sind selbst und allein die Macher ihres Lebens - zumindest meinen sie das. Als einer, der gern ein „Schaf“ des Hirten Jesus Christus ist, frage ich mich, ob diese Lebenseinstellung eigentlich durchzuhalten ist? Braucht nicht jeder Mensch andere Menschen, die ihn lieben, die ihm das Gefühl geben, wichtig zu sein und zu etwas gut in der Welt? Wenn wir einmal daran denken, dass wir - so seltsam und profan das in diesem Zusammenhang klingen mag - schon einmal bei der Strom- und Wasserversorgung in unserem Haus oder unserer Wohnung, die entsprechende Anbieter für uns gewährleisten, abhängig sind von anderen, dann wird es deutlich: Wir können gar nicht nur für und von uns alleine leben! Und wenn wir gar noch bedenken, dass wir einmal alt werden und vielleicht schwach und pflegebedürftig, dann wird es uns ganz bewusst: Wir brauchen Mitmenschen, die sich uns zuwenden und für uns da sind. - Warum sollten wir uns da noch weiter dagegen sträuben, ein Schaf des Guten Hirten zu sein oder zu werden? Die zweite Eigenschaft von Schafen, die wir besprochen haben, war der Drang zur Herdenbildung - oder sagen wir für uns Menschen besser: Dass wir gern Gemeinschaft haben. Auch hier gibt es sicher viele Zeitgenossen, die sagen würden: Wir sind lieber für uns alleine. Men- schenansammlungen meiden wir lieber. Wir sind keine Massenmenschen, sondern eher Individua- listen. Als Leute, die gern mit anderen zusammen sind, mit ihnen reden, etwas unternehmen und auch einmal feiern, würden wir sicher dagegenhalten: Sich immer allein zu beschäftigen oder höchstens noch in der engsten Familie kann doch niemals so schön sein, wie wenn wir in größerem Kreis wandern oder singen oder ein Fest feiern. Da kommt doch viel mehr Freude auf, da sind doch viel mehr Menschen, die alle ihre besonderen Talente und Gaben einbringen. Da gibt’s doch viel mehr zu lachen, viel mehr Anregung und auch einmal etwas zum Nachdenken. - Warum sollten wir uns dagegen sperren, wenn der gute Hirte uns in die Gemeinschaft seine Leute ruft? Schließlich wollen wir noch nach der dritten Eigenschaft sehen, wie sie Schafe haben: Dass sie freundlich sind und friedlich und keine Macht oder gar Gewalt über andere ausüben wollen. Wahrscheinlich würde keine und keiner von uns widersprechen, wenn ich sage: Wir wollen doch auch freundlich sein und nicht über anderen stehen und sie gar unterdrücken. Aber mit dem Wollen ist es hier nicht getan! Denn es ist eine Tatsache, dass wir einander oft auch sehr unfreundlich be- gegnen und dabei durchaus auch einmal ganz unfriedlich Macht und Gewalt im Spiel ist. - Ist es da nicht hilfreich und nötig, wenn wir uns dem Guten Hirten Jesus Christus anschließen und uns von ihm immer wieder neu zeigen und sagen lassen, wie wir freundlich, gütig und liebevoll miteinander umgehen können, dass Verzicht auf jede Gewalt keine Schlappe ist und dass wir nicht mit mächti- gen Gesten und Taten, sondern mit friedfertigem Verhalten zum Herzen unserer Mitmenschen vor- dringen. Dabei werden wir erfahren, dass wir auch einmal schwach sein dürfen, ohne bei den ande- ren unser Ansehen zu verlieren. Liebe Gemeinde, nein, es ist keine Verlust, sondern ein großer, bleibender Gewinn, wenn wir die Eigenschaften, wie sie Schafe haben, lernen und leben. Und „dumm“, was vielen Menschen ja spontan bei „Schaf“ einfällt, ist dieses Tier schon gar nicht. Es ist vielmehr klug, wenn wir uns dem Hirten Jesus Christus anschließen, uns auch miteinander zusammentun und wenn Freundlichkeit und Liebe, statt Gewalt und Macht unter uns den guten Ton angeben. Wenn wir das als Christinnen und Christen tun, die an diesen Guten Hirten glauben und ihn als ih- ren Herrn angenommen haben, dann ist es nicht allein klug, sondern auch der Weg zu unserem Heil in Zeit und Ewigkeit. Dann führt es uns nicht nur zur Gemeinschaft, sondern zur Gemeinde zu- sammen. Dann lernen wir nicht nur freundlich und liebevoll jedem Menschen gegenüber zu sein, sondern schließen uns auch durch das Gebet an die größte Kraftquelle an, die es in dieser Welt gibt. Und wir lassen uns durch das Wort unseres Herrn auf allen Lebenswegen zeigen, wie wir sicher schreiten und das Ziel unseres Lebens nie aus den Augen verlieren: Gottes Ewigkeit. AMEN