Predigt zum Karfreitag - 18.4.2014 Textlesung: Jes. 53, 1 - 12 Aber wer glaubt dem, was uns verkündet wurde, und wem ist der Arm des HERRN offenbart? Er schoss auf vor ihm wie ein Reis und wie eine Wurzel aus dürrem Erdreich. Er hatte keine Gestalt und Hoheit. Wir sahen ihn, aber da war keine Gestalt, die uns gefallen hätte. Er war der Allerver- achtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit. Er war so verachtet, dass man das An- gesicht vor ihm verbarg; darum haben wir ihn für nichts geachtet. Fürwahr, er trug unsre Krank- heit und lud auf sich unsre Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott ge- schlagen und gemartert wäre. Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sün- de willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wun- den sind wir geheilt. Wir gingen alle in die Irre wie Schafe, ein jeder sah auf seinen Weg. Aber der HERR warf unser aller Sünde auf ihn. Als er gemartert ward, litt er doch willig und tat seinen Mund nicht auf wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird; und wie ein Schaf, das ver- stummt vor seinem Scherer, tat er seinen Mund nicht auf. Er ist aus Angst und Gericht hinwegge- nommen. Wer aber kann sein Geschick ermessen? Denn er ist aus dem Lande der Lebendigen weg- gerissen, da er für die Missetat meines Volks geplagt war. Und man gab ihm sein Grab bei Gottlo- sen und bei Übeltätern, als er gestorben war, wiewohl er niemand Unrecht getan hat und kein Be- trug in seinem Munde gewesen ist. So wollte ihn der HERR zerschlagen mit Krankheit. Wenn er sein Leben zum Schuldopfer gegeben hat, wird er Nachkommen haben und in die Länge leben, und des HERRN Plan wird durch seine Hand gelingen. Weil seine Seele sich abgemüht hat, wird er das Licht schauen und die Fülle haben. Und durch seine Erkenntnis wird er, mein Knecht, der Gerech- te, den Vielen Gerechtigkeit schaffen; denn er trägt ihre Sünden. Darum will ich ihm die Vielen zur Beute geben, und er soll die Starken zum Raube haben, dafür dass er sein Leben in den Tod gege- ben hat und den Übeltätern gleichgerechnet ist und er die Sünde der Vielen getragen hat und für die Übeltäter gebeten. Liebe Gemeinde! Es gibt viele Christinnen und Christen, die gerade am Karfreitag den Gottesdienst ihrer Gemeinde besuchen. Sie sagen sich: Das ist heute der Todestag meines Herrn, der für mich in Leiden und Tod gegangen ist. Und vielleicht kommen ihnen dabei auch die Verse in den Sinn, die wir eben schon gehört haben, denn die sind sehr bekannt und - wie ich finde - auch sehr anrührend: „Fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre. Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.“ Es gibt aber auch viele Christinnen und Christen, die heute nicht in den Gottesdienst gekommen sind, obgleich sie das Geschehen des Karfreitags auch besonders wichtig nehmen und wie die ande- ren sagen würden: Heute geht Jesus Christus für mich hinauf nach Golgatha, um mich durch sein Opfer am Kreuz von Sünde und Tod zu erlösen. Allerdings denken diese Menschen, wenn sie heute zu Hause bleiben, vielleicht mehr an diese Verse, die ja in der Kirche auch oft zu hören sind,: „Er war der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit. [...] Als er gemartert ward, litt er doch willig und tat seinen Mund nicht auf wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird; und wie ein Schaf, das verstummt vor seinem Scherer...“ Die einen zieht es also heute in ihre Kirche, die anderen schaffen es nicht, diese Stunde des Geden- kens an die Leiden Jesu auszuhalten. Zu grausam ist das gewesen, was er erdulden musste. Für bei- de aber ist dieser Tag heute wichtig und die Ereignisse dieses Tages ein ganz wesentliches Stück aus dem Fundament ihres Glaubens: „Jesus Christus hat für mich gelitten und ist am Kreuz gestor- ben, um mir Vergebung aller meiner Schuld und das Ewige Leben zu verdienen.“ Beide Gruppen von Christinnen und Christen gehen dabei auch wie selbstverständlich davon aus, dass die Verse, die ich vor dieser Predigt vorgelesen habe, sich auf Jesus Christus beziehen. Das aber ist eine Sache, die - besonders unter den evangelischen Theologen - höchst umstritten ist. Schließlich aber können wir ja nicht darüber hinweggehen, dass wir Christen das Lamm, von dem Jesaja schreibt, das zur Schlachtbank geführt wird und dem Gott all unsere Sünde und Krankheit auf die Schultern legt, mit Jesus Christus gleich setzen. Das drängt sich für uns ja geradezu auf! Aber es gibt außerdem noch einen ganz trifftigen Grund bei diesem Lamm, das in Leiden und Tod geht, an Jesus Christus zu denken: Jesaja ist ja ein Prophet des Alten Testaments, der viele hundert Jahre vor Christus gewirkt und geschrieben hat. In dieser Zeit war es den Juden nicht vorstellbar, dass ein Mensch für andere leidet. Und Krankheit und Sünde galten immer als durch das Fehlver- halten dessen verursacht, der sündig und krank war. Dass einer sich für andere opfert, dass einer die Schuld anderer trägt und gar für andere stirbt, wäre einem Juden aus der Zeit des Jesaja niemals in den Sinn gekommen! Solche Gedanken haben sich erst mit dem Beispiel Jesu in der Welt verbreitet und die Juden hatten damit, wie wir wissen, auch dann noch und immer seitdem große Probleme! Die Verse, die wir vorhin gehört haben, sind also zutiefst „christliche“ Verse! Von daher verstehen wir sie sicher nicht falsch, wenn wir sie auf Jesus Christus hin deuten. Sie verstehen jetzt gewiss auch, warum ich heute das Leiden und erst recht das Sterben für andere so in den Mittelpunkt meiner Predigt stelle: Das ist zum einen im Alten Testament absolut einma- lig, dass von einem Menschen gesagt wird, dass er für andere Leiden, Krankheit und sogar den Tod trägt. Das muss man beachten! Und es ist zum andern auch so wunderbar, so bedeutend und im wahrsten Sinn grund-legend für unseren Glauben, dass wir es einfach nicht als selbstverständlich oder weniger wichtig abtun können. Darum möchte ich jetzt denen, die heute ganz bewusst in den Gottesdienst am Karfreitag gekom- men sind, sagen: Das Geschehen auf Golgatha vor bald 2000 Jahren sind wirklich die Ereignisse, die für uns Christen die wichtigsten am kurzen Leben Jesu Christi in dieser Welt sind und bleiben. Was den Menschen des Alten Testaments unvorstellbar war, dass ein Mensch für einen anderen mit seinem Leben einsteht, das ist für uns der größte Liebesbeweis, den ein Mensch dem anderen geben kann. Und da Jesus Christus der Sohn Gottes ist, zeigt uns sein Sterben für die Schuld aller Men- schen deutlich, dass unser Gott mit seiner Liebe weit über alles hinausgeht, was wir von dem erwarten dürfen, der unser Schöpfer war, unser Erhalter ist und einmal unser Richter sein wird. Und ich will auch das noch sagen: Diese Liebe, die bereit ist, für andere Sünde und Krankheit, Schuld und Tod auf sich zu nehmen, ist auch im Vergleich mit den Religionen dieser Welt absolut einmalig und wir können nur sehr dankbar dafür sein, dass wir in den christlichen Glauben hinein- gewachsen sind und an dieser Liebe Jesu Christi im Glauben teilhaben dürfen. An die anderen, die es heute nicht geschafft haben, den Gottesdienst zu besuchen, weil sie das Leid des Lamms Jesus Christus innerlich so schmerzt, würde ich auch gern ein paar Worte richten. Da sie ja jetzt nicht hier sind, kann vielleicht der eine oder die andere von Ihnen Bote sein und ihnen diese Worte weitersagen - freundlich, verständnisvoll und ohne Vorwurf: Der Karfreitag ist wirk- lich für uns Christinnen und Christen ein schwerer Tag. Was uns die Leidensgeschichte der Stun- den Jesu auf dem Kreuzweg, auf Golgatha und dann am Kreuz erzählt, gehört zum Schrecklichsten, was uns die Bibel und die Geschichte der Menschheit zumutet und ist für viele Menschen kaum zu ertragen. Aber gerade darum wollen wir es nicht nur aus unserem Kopf verdrängen, wollen nicht so tun, als sei es nicht so grausam gewesen, sondern wollen es als Jesu Opfer für seine Geschwister und Gottes Liebestat für alle seine Kinder begreifen und annehmen. Ja, es ist ein schreckliches Ge- schehen. Es treibt uns die Tränen in die Augen und lässt uns sicher auch fragen, warum Gott seinen Sohn diesen dunklen Weg zu unserem Heil hat gehen lassen... Aber es ist geschehen und es be- gründet unser Heil und wenn wir es im Glauben ergreifen, haben wir das Leben - hier und in Ewig- keit. Und es ist wunderbar und unsere Antwort darauf kann nur Dank sein. Liebe Gemeinde, gewiss gibt es auch viele Menschen, für die der Karfreitag ein Tag wie jeder an- dere ist. Oft wissen sie gar nicht mehr, was heute geschehen ist und woran die Christen mit einem Gottesdienst erinnern. Und auch wo sie es wissen, verstehen sie oft nicht, warum heute Tanzveran- staltungen unterbleiben sollen und warum sogar das Gesetz sagt, dass der besondere Charakter die- ses Tages geachtet werden muss. Trotzdem: Ich glaube fest daran, dass die Botschaft dieses Tages, wie wir sie schon bei Jesaja lesen, vom Lamm das für andere die Sünde trägt und den Tod leidet, dass diese Botschaft auch das Herz der Menschen erreichen kann, die noch nicht oder nicht mehr wissen, dass Jesus Christus, der Sohn Gottes, dieses Lamm für uns geworden ist, der uns im Leiden und Sterben am Kreuz von Golgatha zum Leben hier und in Ewigkeit erlöst hat. Es ist unser Auf- trag als die Nachfolger unseres Herrn, davon immer wieder zu reden und zu zeugen - auch und ge- rade vor denen, die sich nicht Christen nennen. „Fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. [...] Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.“ AMEN