Predigt zum Sonntag „Okuli“ - 23.3.2014 Textlesung: 1. Kön. 19, 1 - 8 Und Ahab sagte Isebel alles, was Elia getan hatte und wie er alle Propheten Baals mit dem Schwert umgebracht hatte. Da sandte Isebel einen Boten zu Elia und ließ ihm sagen: Die Götter sollen mir dies und das tun, wenn ich nicht morgen um diese Zeit dir tue, wie du diesen getan hast! Da fürchtete er sich, machte sich auf und lief um sein Leben und kam nach Beerscheba in Juda und ließ seinen Diener dort. Er aber ging hin in die Wüste eine Tagereise weit und kam und setzte sich unter einen Wacholder und wünschte sich zu sterben und sprach: Es ist genug, so nimm nun, HERR, meine Seele; ich bin nicht besser als meine Väter. Und er legte sich hin und schlief unter dem Wacholder. Und siehe, ein Engel rührte ihn an und sprach zu ihm: Steh auf und iss! Und er sah sich um, und siehe, zu seinen Häupten lag ein geröstetes Brot und ein Krug mit Wasser. Und als er gegessen und getrunken hatte, legte er sich wieder schlafen. Und der Engel des HERRN kam zum zweitenmal wieder und rührte ihn an und sprach: Steh auf und iss! Denn du hast einen weiten Weg vor dir. Und er stand auf und aß und trank und ging durch die Kraft der Speise vierzig Tage und vierzig Nächte bis zum Berg Gottes, dem Horeb. Liebe Gemeinde! Die ziemlich grausame Vorgeschichte dieser Verse ist schnell erzählt: Der Prophet Elia hatte im Auftrag Gottes gezeigt, dass Baal, ein Gott, der vom König von Israel Ahab und seiner Frau Isebel verehrt wurde, keine Macht hat, sondern ein toter Götze ist. In einem spektakulären Gottesurteil erweist sich der wahre Gott Israels als dem Baal und allen anderen Göttern überlegen. Die Prophe- ten des Baal werden dabei, wie es hier heißt, von Elia „mit dem Schwert umgebracht“. Bis hierher sind das Ereignisse, die uns fremd sind und fremd bleiben, Ereignisse wie aus einer an- deren Welt, die nicht unsere ist. Das wird anders, wenn wir hören, wie die Frau des Königs Ahab, Isebel, auf die Taten des Elia reagiert: „Da sandte Isebel einen Boten zu Elia und ließ ihm sagen: Die Götter sollen mir dies und das tun, wenn ich nicht morgen um diese Zeit dir tue, wie du diesen getan hast!“ Und mittendrin in dieser Geschichte sind wir, wenn wir lesen, wie Elia diese Drohung aufnimmt: „Da fürchtete er sich, machte sich auf und lief um sein Leben [...] ging hin in die Wüste eine Tagereise weit und kam und setzte sich unter einen Wacholder und wünschte sich zu ster- ben...“ Nicht wahr, das kennen wir!? Das können ganz andere Drohungen sein, die uns so zusetzen, dass wir am liebsten weglaufen wollen: Vielleicht ist unser Arbeitsplatz in Gefahr, den wir schon 20 oder 30 Jahre haben, weil es jüngere Leute gibt, die ihn einnehmen wollen? Und wir wissen es doch: Es wird schwer werden, eine neue Arbeit zu bekommen, auch noch eine vergleichbare, die ähnlich gut bezahlt wird. Oder wir haben beim Arzt eine schlimme Diagnose gehört, eine, die uns lange ins Krankenhaus führen wird oder eine, für die es keine Therapie gibt, jedenfalls keine, die uns heilen kann. Auch eine schwere Schuld kann etwas sein, was uns so belastet, dass wir keinen Weg sehen, wie wir sie loswerden. Und vielleicht haben wir sogar schon einen so dunklen Tag erlebt, dass wir wie Elia lieber sterben wollten als mit dem unausweichlichen Verhängnis und den bösen Erwartungen vor Augen weiter- zuleben. Das kann der Tag sein, an dem unsere Ehe endgültig zerbricht und unsere Frau oder unser Mann für immer das Haus verlässt. Oder es ist der Tag, an dem uns eröffnet wird, was wir wirklich an Rente zu erwarten haben und uns die harte Wahrheit aufgeht, dass wir auch zu denen gehören werden, die am Lebensabend die Altersarmut kennenlernen müssen. Aber es gibt noch manche an- deren Tage, manch andere Ereignisse die uns so schrecken können, dass wir den Tod dem Leben vorziehen: Ein Unglücksfall mit schweren Folgen in der Familie. Der Abschied von einem lieben Menschen, der uns so wichtig war. Ein zermürbender Streit in der Nachbarschaft, der all unsere Kräfte bindet. Bei alledem können wir nachfühlen, was Elia damals gesagt und getan hat: „Es ist genug, so nimm nun, HERR, meine Seele... [...] Und er legte sich hin und schlief unter dem Wa- cholder.“ Es ist kein Zweifel: Elia wollte nie mehr aufstehen! Gott aber lässt ihn nicht sterben: „Und siehe, ein Engel rührte ihn an und sprach zu ihm: Steh auf und iss! Und er sah sich um, und siehe, zu seinen Häupten lag ein geröstetes Brot und ein Krug mit Wasser.“ Ob Sie mir Recht geben, wenn ich sage: Das haben Sie auch schon erlebt! Vielleicht war es ja etwas anders als bei Elia. Sie wissen ja, wie es einem Gedicht aus unserer Zeit heißt: „Es müs- sen nicht Männer mit Flügeln sein, die Engel.“ (R.O.Wiemer) Ich möchte noch weiter gehen: Es müssen überhaupt keine Engel, sondern es können auch Menschen sein. Und vielleicht sprechen sie auch ganz anders als der Engel zu Elia und haben etwas anderes mitgebracht. Ich kann mir da unser Töchterchen oder unser Enkelkind vorstellen, wenn es zu uns spricht: „Sei doch nicht mehr so trau- rig. Ich hab dich doch lieb.“ Und vielleicht reicht es uns dann ein Bild, das es für uns gemalt hat, auf dem eine große gelbe Sonne eine wunderschöne Blumenwiese bestrahlt. Ich kann aber auch an einen lieben Kollegen denken, der uns abspürt, dass wir seelisch ganz unten sind - und er sagt uns solche Worte: „Wenn du willst, erzählst du mir einmal von deinen Sorgen. Ich habe Zeit für dich!“ Und mitgebracht hat er ein offenes Ohr und ein mitfühlendes Herz. Und noch in ganz anderer Ge- stalt kann ein Bote Gottes zu uns kommen, uns wieder Mut geben und uns aufrichten. Bei Elia damals war die Mission des Engels nicht gleich erfolgreich: „Als Elia gegessen und ge- trunken hatte, legte er sich wieder schlafen.“ Nein, die Schwermut des Propheten ist noch nicht überwunden. Immer noch will er nicht mehr leben und nie mehr aufstehen. Mag sein, auch das kennen wir: Manchmal sind Schmerz, Trauer oder Angst so groß, da genügt es nicht, dass einer oder eine ein gutes Wort für uns hat und uns die Hand reicht, uns da herauszuzie- hen. Manchmal braucht es mehr: Eine ganze Weile muss vergangen sein. Der richtige Mensch muss es sein und der rechte Augenblick... Gott lässt damals nicht ab von seinem Propheten: „Und der Engel des HERRN kam zum zweiten- mal wieder und rührte ihn an und sprach: Steh auf und iss!“ Vielleicht war es ja der Auftrag, den der Engel hinzufügt, der den Ausschlag gab, dass Elia dieses Mal folgte: „Steh auf und iss! Denn du hast einen weiten Weg vor dir.“ Ich glaube, das ist auch bei uns immer so: Gott holt uns nicht nur aus unseren trüben Gedanken und Befürchtungen heraus, damit es uns gut geht, wir wieder lachen können und neue Lebensfreude empfinden. Das auch! Und es ist wichtig! Aber er hat auch Aufträge für uns. Er lässt uns wissen oder fühlen, wo wir gebraucht werden. Und er bleibt bei uns und lässt uns in schweren Stunden nicht allein. Es ist sehr hart, wenn wir nach vielen Jahren unsere Arbeitsstelle verlieren. Aber die Arbeit ist nicht alles! Wenn das Geld zum Leben reicht, dann kann uns in diesen Zeiten aufgehen, dass es noch etwas anderes gibt, wofür sich das Leben lohnt: Vielleicht kommen dann die Angehörigen un- serer Familie neu in den Blick. Unsere Kinder, die immer wieder einmal Entlastung brauchen. Un- sere Enkel, die heute ja oft über Tag ihre Eltern lange entbehren müssen und sich freuen, wenn Oma oder Opa für sie da sind. Manchmal ist der Verlust des Arbeitsplatzes sogar die Chance, bei einer anderen Firma anzufangen und dort herrscht vielleicht eine andere, bessere Atmosphäre. Das kann es uns dann leicht machen, auf einen Teil des früheren Gehalts zu verzichten. Und wir wollen auch das nicht vergessen: Es gibt auch unsere Kirchengemeinde und in ihr Aufgaben, anderen Menschen zu dienen oder einfach für ein paar Stunden in der Woche mit ihnen zusammen zu sein. Aber denken wir jetzt auch an die schlimme Diagnose, die schwere Schuld, die Zukunftsangst, den schweren Abschied von einem lieben Menschen, den zermürbenden Streit und was uns sonst noch als Last auf der Seele liegt... Immer erleben wir es dabei auch, dass uns Gott besonders nah kommt und uns sozusagen an eine Weggabelung stellt: Geben wir uns den Zweifeln oder sogar der Ver- zweiflung hin oder gehen wir voll Vertrauen den anderen Weg, auf dem Gott uns begleitet? Es ist nicht unbedingt der leichtere Weg. Vielleicht müssen wir durch eine dunkle Zeit gehen, müssen Schuld eingestehen, um Verzeihung bitten und den ersten Schritt auf den zu machen, mit dem wir im Streit liegen. Aber wir werden das alles bestehen, denn Gott ist an unserer Seite. Und noch etwas ist in diesen Zeiten wichtig. Wir hören davon im letzten der Verse, die wir heute bedenken: „Und Elia stand auf und aß und trank und ging durch die Kraft der Speise vierzig Tage und vierzig Nächte bis zum Berg Gottes, dem Horeb.“ Wenn wir uns für den Weg entscheiden, den Gott uns weist, dann wird uns die Kraft nicht ausgehen. Jeden Morgen neu wird Gott uns mit dem nötigen Mut beschenken, dass wir an das Ziel kommen, das er uns zeigen will. Das Ziel für Elia war der Horeb, der Gottesberg. Für uns hat Gott andere Ziele. Aber er wird uns bis dahin begleiten und uns nicht einen Augenblick verlassen. AMEN