Predigt zum 1. So. nach Epiphanias - 12.1.2014 Textlesung: Jes. 42, 1- 9 Siehe, das ist mein Knecht - ich halte ihn - und mein Auserwählter, an dem meine Seele Wohlgefal- len hat. Ich habe ihm meinen Geist gegeben; er wird das Recht unter die Heiden bringen. Er wird nicht schreien noch rufen, und seine Stimme wird man nicht hören auf den Gassen. Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen. In Treue trägt er das Recht hinaus. Er selbst wird nicht verlöschen und nicht zerbrechen, bis er auf Erden das Recht aufrichte; und die Inseln warten auf seine Weisung. (So spricht Gott, der HERR, der die Himmel schafft und ausbreitet, der die Erde macht und ihr Gewächs, der dem Volk auf ihr den Odem gibt und den Geist denen, die auf ihr gehen. Ich, der HERR, habe dich gerufen in Gerechtigkeit und halte dich bei der Hand und behüte dich und mache dich zum Bund für das Volk, zum Licht der Heiden, dass du die Augen der Blinden öffnen sollst und die Gefangenen aus dem Gefängnis führen und, die da sitzen in der Finsternis, aus dem Kerker. Ich, der HERR, das ist mein Name, ich will meine Ehre keinem andern geben noch meinen Ruhm den Götzen. Siehe, was ich früher verkündigt habe, ist gekommen. So verkündige ich auch Neues; ehe denn es aufgeht, lasse ich's euch hören.) Liebe Gemeinde! „Siehe, das ist mein Knecht - ich halte ihn - und mein Auserwählter, an dem meine Seele Wohlge- fallen hat.“ Wer ist dieser Knecht Gottes, von dem nicht nur in diesen Versen die Rede ist? Min- destens drei Deutungen dieser von Gott auserwählten Gestalt kennen wir: Manche jüdische und christliche Theologen denken, dass hier das ganze Volk Israel gemeint ist. Andere glauben, hier wäre der Prophet Jesaja angesprochen, also der selbst, von dem uns die Verse überliefert sind, die wir heute besprechen. Wieder anderen ist „Knecht Gottes“ ein Hinweis auf Jesus Christus, der erst viele hundert Jahre später geboren wurde. - Wer aber ist dieser Knecht nun wirklich? Wir werden es nicht herausfinden. Für jede Deutung gibt es gute Argumente. Entscheidend ist für mich, ob uns die Antwort auf die Frage denn eigentlich weiterführen würde? Anders ausgedrückt: Wissen wir mehr von diesem Knecht Gottes, wenn wir sagen können: Das ist sein Name oder der und der ist gemeint!? Ich glaube, nein! Viel wichtiger scheint es mir doch, was Gottes Auftrag an diesen Knecht ist und wie Gott ihn ausgestattet hat, den Auftrag zu erfüllen. Und dazu hören wir noch einmal die wichtigsten Verse: „Siehe, das ist mein Knecht [...], an dem meine Seele Wohlge- fallen hat. Ich habe ihm meinen Geist gegeben; er wird das Recht unter die Heiden bringen. Er wird nicht schreien noch rufen, und seine Stimme wird man nicht hören auf den Gassen. Das ge- knickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen. In Treue trägt er das Recht hinaus. Er selbst wird nicht verlöschen und nicht zerbrechen, bis er auf Erden das Recht aufrichte...“ Liebe Gemeinde, was hier zuerst an die Verbannten in Babylon gerichtet war, können wir ohne große Mühe auf uns hier und heute beziehen. Und das wollen wir jetzt tun: „Gottes Seele hat Wohlgefallen“ an diesem Knecht und „er hat ihm seinen Geist gegeben“! - Wie weit öffnet uns Gott doch hier sein Herz: Was der Knecht tut, ist Gottes Wille und gefällt ihm. Es ist Gottes Geist, der durch seinen Knecht wirkt. Und was wirkt er? Wozu treibt ihn Gottes Geist? Gleich dreimal hören wir es: Der Knecht bringt Gottes Recht unter die Heiden, er trägt es zu ihnen und richtet es unter ihnen auf. Auch die Heiden, also alle fremden, nichtjüdischen Völker sollen Gottes Recht erfahren. Und was dieses Recht ist, erfahren wir auch: „Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen.“ Ich denke, dieses Wort kennen wir und haben es sicher schon oft gehört. Und wahrscheinlich fin- den wir von unserem Christenglauben her gar nichts besonders Aufregendes dabei, dass der Knecht Gottes kein schon geknicktes Rohr brechen und keinen nur noch glimmenden Docht auslöschen wird. Das sah allerdings zur Zeit des Jesaja völlig anders aus - da war es gegen die Rechtsordnung der Völker, die im Orient überall galt - und bis dahin auch in Israel. Diese Ordnung sagte: Wenn ein Mensch, ein Volk am Ende ist, ohne weitere Kraft ist, besiegt und am Boden, dann gibt es keine Rettung mehr und von denen, die das Ende herbeigeführt haben, keine Gnade. Deshalb haben die Verbannten in Babylon gewiss aufgehorcht! Denn sie wussten es: Sie waren mit dem geknickten Rohr und dem glimmenden Docht gemeint. Aber Jesaja sagte ihnen jetzt: Bei unse- rem Gott geht es anders zu, als ihr es bisher kennt. Sein Knecht wird euch aufrichten, nicht zerbre- chen. Er wird euch zu neuer Glut und neuem Feuer entfachen, nicht auslöschen. - Sie werden ge- staunt haben, die Gefangenen in Babylon. Und vielleicht konnte Jesaja in ihnen auch neue Hoff- nung wecken?! So ganz fremd ist das für uns nicht, was die Verbannten in Babylon gefühlt haben: Ist uns nicht auch oft so, dass wir glauben, es geht in unserem Leben nur noch abwärts. Kennen wir nicht auch die Tage, ja, die Wochen, Monate und Jahre, in denen es uns immer deutlicher wird: Die gute Zeit unseres Lebens ist vorbei: Es wird einsamer um uns. Wir haben immer größere Schwierigkeiten mit Dingen und Verrichtungen, die wir einmal beherrscht haben. Die Gesellschaft und die übrige Welt um uns her scheint uns immer schlechter und gottloser. Krankheiten greifen immer häufiger nach uns. Schwermut kommt dazu, manchmal sogar Depression. - Da hinein hören jetzt auch wir dieses Wort und es ist derselbe Gott Israels, von dem uns Jesaja das ausrichtet: „Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen.“ Damals wie heute werden keine Garantien ausgegeben, dass an uns geschieht, was dieses Wort ver- heißt. Damals wie heute aber wird dieses Wort unserem Glauben vorgelegt: Vertraut darauf, seid zuversichtlich, habt Hoffnung, dass es so kommt - dann wird es so kommen: Gott wird euch auf- richten. Gott wird eure Lebensgeister, euren Mut und eure Kraft neu aufflammen lassen! Noch etwas müssen wir dabei wissen, wir lesen es bei Jesaja: Der Knecht Gottes „wird nicht schreien noch rufen, und seine Stimme wird man nicht hören auf den Gassen.“ Immer schon war und ist es ja die Art Gottes, uns nicht mit machtvollen Taten, nicht mit Wundern, die uns die Augen aufreißen lassen und unser Herz blenden, seinen Willen aufzuzwingen. Als Krippenkind kommt er in die Welt. Ohne Truppen und Schwert setzt er sich der Gewalt der Mächtigen aus. Ohne Gegen- wehr lässt er sich ans Kreuz von Golgatha führen, um dort - unschuldig - aber wie ein Verbrecher für uns zu sterben, er, der Knecht unseres Gottes, der - wie es der Prophet Elia erfahren hat - nicht im „starken Wind“ ist, nicht im „Erdbeben“, nicht im „Feuer“, sondern im „sanften Sausen“ (1.Kön.19,11f). So ist das immer - bis heute: Unscheinbar, gewaltlos, ohne seine Macht auszuspie- len tritt Gott an uns heran und will nicht unser Staunen, nicht unsere schnelle Begeisterung, kein Strohfeuer, sondern die Entscheidung unseres Herzens für ihn und sein Wort. Nun werden wir vielleicht denken und sagen: Woher sollen wir denn wissen, dass sich am Ende wirklich das Recht Gottes behauptet und die neue Rechtsordnung Gottes in der Welt gilt? Wenn der Knecht Gottes doch so gar keine Gewalt, keine Macht, keine Wunder einsetzt? Liebe Gemeinde, auch das steht nur auf unserem Glauben. Wie schon die Verheißung, dass Gott den glimmenden Docht nicht auslöscht und das geknickte Rohr nicht zerbricht, nur durch unsere Hoffnung wahr wird, so wird auch dieses Wort nur wahr, wenn wir ihm unser Vertrauen schenken: „Er selbst wird nicht verlöschen und nicht zerbrechen, bis er auf Erden das Recht aufrichte...“ Aber es gibt für unseren Glauben ein Hilfe: Sicher erinnern Sie sich an den Vers aus dem Evangeli- um, mit dem Jesus die Pharisäer und Schriftgelehrten zurechtweist: „Ein böses und abtrünniges Ge- schlecht fordert ein Zeichen, aber es wird ihm kein Zeichen gegeben werden, es sei denn das Zei- chen des Propheten Jona.“ (Mt.12,39) Wir wissen, was dieses Zeichen ist: Wie Jona drei Tage im Bauch des Fisches war, so war unser Herr drei Tage im Bauch der Erde. Dann ist er auferstanden! Und das heißt: Er lebt, hört uns und spricht zu uns im Gebet, begegnet uns in unseren Mitmenschen und kann täglich in dem, was wir erleben, erfahren werden. Das ist kein Beweis, aber doch eine Hilfe. Das führt nicht unbedingt zum Glauben, aber es macht es uns leichter, es damit zu versuchen. Nun sind wir auf einmal doch zu Jesus Christus gekommen und es ist ja für uns auch ohne Frage, dass unser Herr ein Knecht Gottes war und ist, ja, er ist sogar Gottes Sohn, der für uns am Kreuz gestorben ist, an dem Gott das „Zeichen des Jona“ getan hat und den er auferweckt hat zur Aufer- stehung von den Toten. Von ihm wissen wir, dass er „nicht verlöschen und nicht zerbrechen“ wird, sondern am Ende aller Tage kommen wird, um „Gottes Recht auf Erden“ aufzurichten. Wir wollen ihm Glauben schenken und auf das vertrauen, was Gott uns mit ihm versprochen hat. AMEN