Predigt zum 4. Adventssonntag - 22.12.2013 Textlesung: Jes. 52, 7 - 10 Wie lieblich sind auf den Bergen die Füße der Freudenboten, die da Frieden verkündigen, Gutes predigen, Heil verkündigen, die da sagen zu Zion: Dein Gott ist König! Deine Wächter rufen mit lauter Stimme und rühmen miteinander; denn alle Augen werden es sehen, wenn der HERR nach Zion zurückkehrt. Seid fröhlich und rühmt miteinander, ihr Trümmer Jerusalems; denn der HERR hat sein Volk getröstet und Jerusalem erlöst. Der HERR hat offenbart seinen heiligen Arm vor den Augen aller Völker, dass aller Welt Enden sehen das Heil unsres Gottes. Liebe Gemeinde! Das ist schnell erklärt, was hier angekündigt wird, ja, was schon im Gange ist. Die Freudenboten haben wirklich gute Nachricht: Die Gefangenschaft des Volkes von Israel in Babylon ist vorbei. Der Rest des Volkes, der die Jahrzehnte in der Fremde überlebt hat, darf wieder nach Hause ziehen. Jerusalem soll wieder aufgebaut werden. Der Gott Israels wird als König wieder auf dem Berg Zion wohnen. Vor den Augen der Welt hat er schon den Arm gehoben, um sein Volk von allen Schatten der Vergangenheit zu erlösen. Alle Menschen, ja, sogar die Trümmer Jerusalems, dürfen sich freuen und sollen Gott rühmen. - - - In wenigen Tagen ist Weihnachten. Auch ein Ereignis der Freude. Aber doch ganz anders. Ja, die Unterschiede zwischen dem, was Jesaja hier beschreibt und dem, was uns über 500 Jahre später der Evangelist Lukas erzählt, scheinen gewaltig! Freudenboten gibt es auch in Bethlehem. So spricht der Engel auf dem Feld zu den Hirten: Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird, denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. Und auch hier spielt ein König eine Rolle - oder sagen wir treffender - eines Königs Kind. Aber sonst? Schon die Umstände der Geburt sind armselig: Die Eltern des Königskindes finden keinen Ort, an dem sie übernachten können. Schließlich kommt der Kleine in einem Viehstall zur Welt. Das wäre heute und es war auch damals schon eigentlich eine Schande. Nicht weniger schändlich sind die ersten Besucher an der Futterkrippe, in die man den kleinen König gelegt hat: Hirten, damals der Abschaum der Gesellschaft. Später kommen auch noch die drei Männer, die der Evangelist Matthäus als Weise bezeichnet hat und die wir zu Königen gemacht ha- ben. Aber das war und ist nur ein Versuch, die eines Königskindes eigentlich unwürdige Szene im Stall von Beth- lehem einigermaßen zu retten. Denn die drei Männer waren Sterndeuter, die jedem rechtschaffenen Juden verdächtig gewesen wären, nicht den rechten, ja, überhaupt keinen Glauben zu haben. Nun, wenigstens haben ein paar Engel über dem Stall eine schöne Musik gemacht und gesungen: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlge- fallens.“ Wir wollen es dabei bewenden lassen. Passt der Beginn der Geschichte dieses Königskindes nicht zu dem, was wir vorhin bei Jesaja gelesen haben, so passt er doch zu der Fortsetzung, die diese Geschichte schon bald und dann später hat, als aus dem Kind ein Mann geworden ist: Schon in der Nacht der Geburt müssen die Eltern nach Ägypten fliehen, weil der weltliche König Herodes dem Kind nach dem Leben trachtet. Als Jesus erwachsen ist, verfolgt ihn der Hass der Pharisäer und Schriftgelehrten, die mit seinem Eintreten für die Schwächsten, die Armen, die Zöllner und Sünder und alle, die am Rande der Gesellschaft stehen, nicht klarkommen. Dagegen wollte er mit ihnen, den Männern, die sich wohl um Gerechtigkeit vor Gott bemühten, nichts zu tun haben. Und er hat ihnen mit seiner Liebe zu den Schwachen und mit seinen Wundern auch noch die Leute abspenstig gemacht und ihnen viel von ihrem Einfluss auf die Herzen der Menschen genommen. - - - Wie habe ich vorhin gesagt: „Der Beginn der Geschichte des Königskindes Jesus passt nicht zu dem, was wir vorhin bei Jesaja gelesen haben!“ Ich merke jetzt, das stimmt eigentlich gar nicht! Wie war es denn zur Gefangenschaft in Babylon gekommen? Hören wir auf ein paar Sätze aus eben demselben Buch des Jesaja, aus dem die Verse stammen, die wir heute in der Predigt bedenken. Hier nennt durch den Propheten Gott selbst den Grund, warum Israel in die Verbannung gehen musste: „Wehe dem sündigen Volk, dem Volk mit Schuld beladen, dem boshaften Geschlecht, den verderbten Kindern, die den Herrn verlassen, den Heiligen Israels lästern, die abgefallen sind! Wohin soll man euch noch schlagen, die ihr doch weiter im Abfall verharrt? Das ganze Haupt ist krank, das ganze Herz ist matt. Von der Fußsohle bis zum Haupt ist nichts Gesundes an euch...“ (Jes.1,4-6) Und später erinnert Gott sein Volk immer wieder, dass sie sich selbst zuzuschreiben haben, was über sie gekommen ist: „Siehe, ihr seid um eurer Sünden willen verkauft!“ (Jes.50,1b) Schließlich aber siegt doch die Barmherzigkeit Gottes über seinen berechtigten Zorn: „Ich tilge deine Missetat wie eine Wolke und deine Sünden wie den Nebel. Kehre dich zu mir, denn ich erlöse dich!“ (Jes.44,22) Es ist nicht schwer, die Vorgeschichte der Gefangenschaft in Babylon, von der wir eben gehört ha- ben, mit der Geschichte der Geburt Jesu zu reimen: Jesaja spricht über ein sündiges Volk, an dem Gott sein Verbannungsurteil vollstreckt. Jesus, der Sohn Gottes, aber geht selbst hinein in die sün- dige Welt, in die Erbärmlichkeit eines Stalls, wo ihn zuerst das Lumpenpack der Hirten und die Sterndeuter besuchen. In beiden Geschichten, die diesen Anfängen folgen, geht es dann auch maßgeblich um Sünde und Schuld, um Buße und Vergebung. Der große Unterschied aber liegt da- rin: Das Volk Israel in Babylon musste die Schuld auf die eigenen Schultern nehmen und abtragen, in Jesus Christus kommt Gott selbst in die Welt und geht für die Sünde der Menschen ans Kreuz. Man fragt sich schon, was die Pharisäer und Schriftgelehrten, die Jesus bekämpfen und verfolgen, eigentlich aus der alten Geschichte von der Gefangenschaft und dem Neuanfang durch Gottes Gnade gelernt haben? Es ist die selbe Barmherzigkeit Gottes, die das Volk Israel zur Zeit des Jesaja erfahren hat, die Jesus zu ihrer Zeit den Armen, Schwachen, den Sündern und Zöllnern zuspricht. Und es ist die selbe Barmherzigkeit Gottes, die Jesus antreibt und in der er noch viel weiter geht, wenn er die Sünde der Menschen und der Welt hinaufträgt ans Kreuz. Es klingt jetzt ja vielleicht ein wenig kindlich und naiv, wenn ich sage: Es scheint so, als hätte Gott seit der Erlösung des Volkes Israel aus Babylon erkannt, dass die Menschen seine Barmherzigkeit nicht zu schätzen wissen. Die Pharisäer, die Schriftgelehrten und andere, die in ihrem eigenen Streben nach Gerechtigkeit meinten, der Gnade Gottes nicht zu bedürfen, sind zur Zeit, da unser Herr über diese Erde ging, Beispiele dafür gewesen. Bis heute allerdings gibt es auch unter uns Christen viele, die glauben, sie müssten für alles, was sie getan oder unterlassen haben, selbst Genugtuung leisten. Was vielleicht wie religiöser Ernst und Glaubensstrenge aussieht, ist seit dem Geschehen auf Golgatha aber in Wahrheit Auflehnung gegen den Kern des Evangeliums von Jesus Christus. Wenn wir hören und bejahen, was Paulus sagt: „So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben“, (Röm.3,28) und wenn wir darauf allein unser Vertrauen setzen im Leben und im Ster- ben, dann haben wir die richtige Einstellung, wie sie - zumal evangelische - Christenmenschen ha- ben dürfen, gefunden. Und nicht nur das: Aus diesem Vertrauen, dass sich nicht auf eigenes Tun, sondern auf Jesus Christus verlässt, kommt auch die Freude, die uns von verbiesterten Sündern mit ewig schlechtem Gewissen zu fröhlichen Sündern macht, die darum wissen, dass Gott uns in Jesus Christus Vergebung schenkt, die wir durch unsere eigenen Werke niemals gewinnen können. Wem das nun zu sehr nach „billiger Gnade“ riecht, wer jetzt denkt, das wäre doch zu einfach, wenn wir Vergebung erlangen, ohne dass wir uns das selbst verdienen müssen, dem sei gesagt: Es ist weder billig - unser Herr ist dafür ans Kreuz gegangen, noch ist es einfach - wir sehen es an den grämlichen Gesichtern vieler Mitchristinnen und Mitchristen, denen es nicht gelingen will, sich al- lein auf Jesus Christus zu verlassen. Liebe Gemeinde, wir gehen auf Weihnachten zu. An Weihnachten macht uns Gott die große Freude, dass er uns in seinem Sohn in dieser Welt aufsucht. Ich wünsche uns, dass wir diese Freude von Herzen empfinden und uns voll Vertrauen dem Kind zuwenden können, das als erwachsener Mann unsere Sache mit Gott ein für alle Mal in Ordnung gebracht hat. Nur noch zwei Tage sind es, dann wird der Freudenbote uns zurufen: Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird, denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr! AMEN