Predigt zum 3. Adventssonntag - 15.12.2013 Textlesung: Offb. 3, 1 - 6 Und dem Engel der Gemeinde in Sardes schreibe: Das sagt, der die sieben Geister Gottes hat und die sieben Sterne: Ich kenne deine Werke: Du hast den Namen, dass du lebst, und bist tot. Werde wach und stärke das andre, das sterben will, denn ich habe deine Werke nicht als vollkommen be- funden vor meinem Gott. So denke nun daran, wie du empfangen und gehört hast, und halte es fest und tue Buße! Wenn du aber nicht wachen wirst, werde ich kommen wie ein Dieb, und du wirst nicht wissen, zu welcher Stunde ich über dich kommen werde. Aber du hast einige in Sardes, die ih- re Kleider nicht besudelt haben; die werden mit mir einhergehen in weißen Kleidern, denn sie sind’s wert. Wer überwindet, der soll mit weißen Kleidern angetan werden, und ich werde seinen Namen nicht austilgen aus dem Buch des Lebens, und ich will seinen Namen bekennen vor meinem Vater und vor seinen Engeln. Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt! Liebe Gemeinde! Da muss man schon ein paar Dinge wissen, um diese Verse aus der Offenbarung des Johannes zu verstehen: Sardes war eine große, reiche Stadt in Kleinasien, die vor Prunk und Luxus strotzte. Deshalb heißt es: „Du hast den Namen, dass du lebst...“ Das ist so, als wenn wir heute von Frank- furt am Main, von Paris oder New York sagen: Das sind sehr lebendige Städte! Aber Sardes hatte auch eine andere Seite. Da blühte die Sünde und die Ausschweifung. Da scherten sich auch die Christen nicht mehr um Gottes Willen und seine Gebote. Darum heißt es weiter: „Du hast den Na- men, dass du lebst...und bist tot!“ Wer hier spricht und den Seher Johannes als seinen Botschafter beauftragt hat, wissen wir: Der auferstandene Jesus Christus. Er ist Herr über die „sieben Geister Gottes“ - wir dürfen dafür einfach den Heiligen Geist einsetzen und die „sieben Sterne“, das sind die Engel Gottes. Die Christen von Sardes werden daran erinnert, wie sie Christen geworden sind: „So denke nun da- ran, wie du empfangen und gehört hast...“, aber die Mahnung, die folgt, zeigt uns: Einige von ihnen haben es vergessen: „... und halte es fest und tue Buße!“ Vor allem, sollen sie sich das zu Herzen nehmen: „Werde wach!“ Wenn sie „aber nicht wachen“ werden, wird Christus die Ge- meinde von Sardes heimsuchen. Er wird „kommen wie ein Dieb“, aber keiner wird wissen „zu wel- cher Stunde“ er kommt. Was dann genau mit den abtrünnigen Christen von Sardes geschehen wird, erfahren wir nicht, aber das Leben in Gottes neuer Welt werden sie nicht sehen, denn ihre Namen stehen nicht „im Buch des Lebens“ und sie werden nicht mit „weißen Kleidern angetan werden“ und Christus wird ihre „Namen“ nicht „bekennen“ vor seinem himmlischen Vater. Liebe Gemeinde, das alles mutet uns doch ziemlich fremd an - etwa so wie das Ende einer Ge- schichte aus Tausend und eine Nacht. Es fällt uns auch schwer, dem allem zu folgen, noch schwe- rer, das alles für eine echte Botschaft Jesu Christi zu halten und am schwersten ist sicher für uns, diese Worte des Sehers Johannes auf uns heute zu beziehen. Andererseits wissen wir doch, dass viele Geschichten, die wir in der Bibel lesen können, als ganz bildhafte Erzählungen daherkommen, die nicht so geschehen sind, aber uns etwas ganz Bestimmtes vermitteln wollen. Denken wir nur an die Gleichnisse Jesu. Beim Gleichnis vom Verlorenen Sohn etwa könnten wir ja sagen: So einen Sohn haben wir noch nie kennengelernt, den gibt es auch gar nicht. Trotzdem verstehen wir doch sehr genau, was das Gleichnis über Gottes Liebe sagen will: Diese Liebe vergibt. Diese Liebe nimmt den wieder an, der gesündigt und Gott verlassen hat. Und wir können dem Gleichnis auch etwas über die große Freude Gottes entnehmen, wenn ein Mensch den Weg zu ihm findet oder zurückfindet. Und denken wir an die Geschichte von den Arbeitern im Weinberg. Welcher Weinbergbesitzer, welcher Arbeitgeber überhaupt wird denn einem Tagelöh- ner, der nur eine Stunde gearbeitet hat, genauso viel Lohn zahlen wie dem, der sich 12 Stunden, al- so den ganzen Tag lang, geschunden hat? Trotzdem begreifen wir an diesem Gleichnis etwas über die Güte Gottes, der will, dass alle Menschen leben können und jeder täglich genug hat, auch seine Familie zu ernähren. Und noch etwas sollen wir erkennen: Es ist kein Grund, missgünstig zu sein, wenn Gott anderen Menschen gnädig ist, wie er uns gnädig ist, sondern es ist ein Grund zu Freude, denn wir sind alle Geschwister vor dem himmlischen Vater. Was aber will, was kann uns die auch sehr bildhafte Unheilsbotschaft an die abtrünnigen Christen von Sardes sagen, auch wenn sie aus alter Zeit stammt und sich einiger Bilder bedient, die uns sehr fremd vorkommen? - Es sind mindestens drei wichtige Dinge, die wir an ihr begreifen können: Da ist zuerst die Erinnerung an die Wiederkunft Christi, von der wir im Glaubensbekenntnis an je- dem Sonntag neu sprechen: „...aufgefahren in den Himmel...von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten.“ Aber - wir können es ganz ehrlich sagen: So recht glauben wir ei- gentlich auch nicht mehr daran, dass unser Herr wiederkommen wird, wohl auch noch auf einer Wolke, so wie er damals zum Himmel aufgefahren ist. Zu lange ist das doch her, dass er die Erde verlassen hat. Zu lange haben doch die Christen darauf gewartet, dass er zurückkommt zum Ge- richt. Hier nun wird es uns wieder ins Gedächtnis gerufen: „Ich werde kommen wie ein Dieb, und du wirst nicht wissen, zu welcher Stunde ich über dich kommen werde.“ Das muss uns nicht gleich ängstigen, aber es sollte auch uns sagen: „Werde wach!“ Rechne damit, dass doch irgendwann die Zeit da ist, zu der Christus zum Gericht kommt - und wenn es das persönliche Gericht ist, wenn du diese Welt verlassen musst. Das zweite, das wir diesen Worten des Johannes aus der Offenbarung entnehmen können, ist viel- leicht noch wichtiger für uns. Wir werden beim Lesen dieser Verse darauf aufmerksam: „Aber du hast einige in Sardes, die ihre Kleider nicht besudelt haben; die werden mit mir einhergehen in weißen Kleidern, denn sie sind’s wert. Wer überwindet, der soll mit weißen Kleidern angetan wer- den, und ich werde seinen Namen nicht austilgen aus dem Buch des Lebens...“ Es ist nicht so, dass alle Christen in Sardes über einen Kamm geschoren werden! Christus, der Richter am Ende der Zeit, wird sehr genau unterscheiden zwischen denen „in besudelten“ und denen „in weißen Klei- dern“. Ich finde, das ist sehr bemerkenswert und tröstlich ist es auch. Ich will Sie jetzt gewiss nicht schockieren, aber wie halten es denn viele Menschen unserer Zeit mit ihrem Urteil im Denken und Reden über andere, besonders über Randgruppen? So, oder so ähnlich: „Hartz IV-Empfänger sind meistens arbeitsscheu und neigen zur Trunksucht.“ - „Vor den Musli- men muss man sich in Acht nehmen, das sind alles Terroristen.“ - „Kinder aus sozial schwachen Familien sind meist weniger begabt als die von Eltern, die gesellschaftlich höher stehen.“ Zugege- ben, das sind sehr krasse Sätze und ich glaube Ihnen, wenn Sie sagen, so würden Sie nie sprechen. Aber - noch einmal - so wird durchaus gedacht und gesprochen. Und an solchen Sätzen wird be- sonders gut deutlich, wie gern verallgemeinert wird. Und ich glaube, auch wir machen es uns oft leicht mit der Beurteilung von Menschen und dem Urteil über Menschen. Wir sprechen vielleicht nicht von „arbeitsscheu“ und „Neigung zur Trunksucht“. Aber wenn uns ein Hartz IV-Empfänger enttäuscht hat, denken oder sagen wir schon einmal: „Was will man auch von so einem erwarten?“ Und im Blick auf Muslime kommt uns wahrscheinlich nicht gleich „Terrorismus“ über die Lippen, aber in unserem Kopf wird diese Gedankenverbindung schon hergestellt. Schließlich kann unser Vorurteil Kindern aus sozial schwachen Familien gegenüber sich auch in unserem Erstaunen dar- über äußern, dass dann ein solches Kind ausgerechnet Bester in der Klasse wird, in der auch unser Kind ist. Aber das gibt es! Liebe Gemeinde, wir tun gut daran, es unserem Herrn gleichzutun und jedem Menschen offen zu begegnen und ihn nicht auf das festzulegen, was wir von ihm als einem Angehörigem einer be- stimmten Religion, gesellschaftlichen Schicht oder Gruppierung zu wissen glauben. Christus sieht danach, ob unser Kleid weiß ist oder besudelt. Und wie es unser himmlischer Vater hält, lesen wir schon im Alten Testament: „Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr aber sieht das Herz an.“ (1.Sam.16,7c) Und das Herz eines Menschen zeigt oft etwas ganz anderes als das, was wir nach seiner Religion, seinem gesellschaftlichen Stand oder seiner Herkunft erwarten. Das Dritte, was uns Christen dieser Zeit aus dieser Botschaft der Offenbarung angeht, steht in ih- rem allerletzten Satz. „Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt!“ Vielleicht wird uns nicht gleich klar, was dieser Satz bedeutet. Aber sagt er nicht, dass noch nichts entschie- den ist? Und ist das nicht bei allem Ernst der Botschaft eine gute, eine hoffnungsvolle Aussicht: Wir haben noch Zeit! Das Urteil ist noch nicht gesprochen. Wir können noch auf das hören, was unser Herr von uns haben will. Auch Buße ist noch möglich. Selbst ein besudeltes Kleid kann wie- der weiß werden. Unser Name steht noch im Buch des Lebens und unser Herr will unseren Namen bekennen vor seinem Vater und vor seinen Engeln. Ich finde, das ist jetzt im Advent, da wir uns für die Ankunft Gottes in dieser Welt vorbereiten, eine sehr verheißungsvolle Botschaft! AMEN