Predigt zum Ewigkeitssonntag - 24.11.2013 Liebe Gemeinde! Heute am Totensonntag (Ewigkeitssonntag) sind wir in die Kirche gekommen, um eines oder eini- ger Menschen zu gedenken, die im vergangenen oder den letzten Jahren gestorben sind. Bei man- chen von uns ist die Erinnerung an diese Menschen heute wieder ganz frisch und auch der Schmerz des Abschieds ist wieder da und die Fragen: Wo sind sie jetzt? Was ist aus ihnen geworden? Sind sie bei Gott? Haben sie es gut dort, wo sie jetzt sind? Je nach unserem Glauben gibt es noch weitere Fragen, die uns heute beschäftigen. Immer aber gehen unsere Gedanken an diesem Tag zu unseren Verstorbenen, zu dem, was sie für uns bedeutet haben und zu dem, was uns jetzt ohne sie fehlt. Wie wenig scheinen da die Verse aus dem Markus-Evangelium zu passen, die uns für heute zu be- denken vorgelegt sind. Wir könnten glauben, sie hätten mit dem, was uns an diesem Morgen be- schäftigt, so gar nichts zu tun. Hören Sie einmal: Textlesung: Mk. 13, 31 - 37 Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen. Von dem Tage aber und der Stunde weiß niemand, auch die Engel im Himmel nicht, auch der Sohn nicht, sondern al- lein der Vater. Seht euch vor, wachet! Denn ihr wisst nicht, wann die Zeit da ist. Wie bei einem Menschen, der über Land zog und verließ sein Haus und gab seinen Knechten Vollmacht, einem je- den seine Arbeit, und gebot dem Türhüter, er solle wachen: so wacht nun; denn ihr wisst nicht, wann der Herr des Hauses kommt, ob am Abend oder zu Mitternacht oder um den Hahnenschrei oder am Morgen, damit er euch nicht schlafend finde, wenn er plötzlich kommt. Was ich aber euch sage, das sage ich allen: Wachet! Liebe Gemeinde, wo ist hier der Raum für den Schmerz des Abschieds, an den wir uns heute wie- der erinnern? Was hilft hier unserem Gedenken, dass es zurückkehren kann zu der Stunde, in der wir von ihnen verlassen zurückgeblieben sind. Wo sind in diesen Versen überhaupt die Hinweise und Antworten, was aus unseren Verstorbenen geworden ist, wo sie jetzt sind und ob es ihnen dort wohl ist? Es ist als ob unsere Augen, Ohren und Herzen von der Vergangenheit in die Zukunft ausgerichtet werden sollen: „So wacht nun; denn ihr wisst nicht, wann der Herr des Hauses kommt, ob am Abend oder zu Mitternacht oder um den Hahnenschrei oder am Morgen, damit er euch nicht schla- fend finde, wenn er plötzlich kommt.“ Es ist, als wollten diese Verse uns ganz neu orientieren, los- machen von dem was war, hin zu dem, was eben nicht nur unsere Verstorbenen, sondern auch uns selbst erwartet: „Seht euch vor, wachet! Denn ihr wisst nicht, wann die Zeit da ist.“ - Und ich glaube, diese neue Ausrichtung, diese Neuorientierung wollen diese Worte Jesu wirklich bei uns er- reichen! Aber warum? Ist es denn falsch, sich gerade heute, an diesem Tag zu erinnern, der Toten zu gedenken und den Schmerz wieder zu empfinden, der uns in der Abschiedsstunde die Tränen in die Augen getrieben hat? Und dürfen wir nicht fragen, wo unsere Verstorbenen jetzt wohl sind? - - - Wir dürfen uns erinnern! Wir dürfen die Empfindungen des Abschieds wach halten. Wir dürfen fragen, wohin sie gegangen sind im Tod. - Aber haben wir das nicht schon ausgiebig und immer wieder getan, seit sie uns verlassen haben? Sind seitdem nicht meist viele Tage, Wochen, Monate oder gar Jahre vergangen? Und muss nicht einmal auch ein Ende sein damit? Sicher wäre es verkehrt, wenn uns einer sagte, kaum dass wir einen lieben Menschen verloren ha- ben: „Kopf hoch und nach vorne geblickt! Das Leben geht weiter!“ Das wäre unangemessen und taktlos. Wir brauchen Zeit, unsere Trauer zu verarbeiten. Der eine mehr, der andere weniger. Aber nach einer gewissen Zeit müssen wir auch wieder an uns denken können. Und nicht nur daran, wie wir unser Leben ohne den geliebten Menschen neu ein- und ausrichten sollen, sondern auch daran, dass auch unser eigenes Leben endlich ist und uns diese Mahnung genauso gilt, wie sie denen ge- golten hat, die wir heute vermissen: „Seht euch vor, wachet! Denn ihr wisst nicht, wann die Zeit da ist.“ Und hier ist eben nicht irgendeine Zeit gemeint, sondern unsere! Hier geht es nicht um den Abschied, den unsere Verstorbenen haben nehmen müssen, sondern um den, der uns bevorsteht. Liebe Gemeinde, vielleicht empfinden Sie diese Gedanken jetzt als hart und unpassend für den To- tensonntag. Vielleicht meinen Sie auch, man könnte die Verse aus dem Markus-Evangelium, die heute zu predigen sind, sicher auch ein wenig anders hören und auslegen, so dass sie uns nicht er- schrecken und nicht verstören. Und Sie haben Recht - und darüber, was uns an diesen Versen Mut machen will, möchte ich jetzt sprechen: „Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen.“ So beginnen die- se Verse. Und empfinden wir das heute nicht wirklich immer deutlicher, wie vergänglich doch alles ist, wie rasch die Jahre dahinfliegen und wie schnell sich auch die Gesellschaft wandelt - leider sehr oft nicht zum Besseren. Drei Beispiele dazu, sie stehen für viele, viele andere: - Angetreten sind wir im Berufsleben vor vielen Jahren in der Meinung: Bei dieser Arbeit, bei die- ser Firma bleibe ich bis zur Rente. Aber wie viele Menschen haben seit ihrem Anfang im Beruf nicht nur einige Male den Arbeitgeber wechseln müssen, sondern auch die Art der Arbeit. (Auch mussten wir lernen, dass die Rente gar nicht so sicher ist, wie es uns einmal versprochen wurde.) - Ein zweites Beispiel, das vielleicht ein wenig heikel ist: Auch was unsere Ehen, unsere Beziehun- gen zu anderen Menschen angeht, haben wir gewiss einmal gedacht, sie halten das ganze Leben. Wie oft aber kam es anders: Ehen zerbrechen - in unseren Tagen leichter und viel häufiger als noch von drei, vier Jahrzehnten. Auch Beziehungen, Freundschaften sind nicht mehr so dauerhaft, wie sie noch bei unseren Eltern waren. Das hat sicher viele Gründe, auch solche, die wir selbst nicht verantworten. Aber es ist so. - Das dritte Beispiel schließlich kommt uns zunächst etwas banal vor: Viele, wohl die meisten von uns, sind noch in der Zeit groß geworden, in der es an Medien für die Information und Unterhaltung nur das Telefon, die Zeitung und das Radio gab. Was haben wir im Laufe der Jahre nicht alles hinzubekommen: Fernsehen, Plattenspieler, Tonbandgeräte, Computer, MP3- und DVD- player, Handy bis hin zum Smartphone, das heute, so klein es auch ist, alle die anderen Kommunikations- und Unterhaltungsgeräte ersetzen kann. Für viele Menschen, gerade die älteren, ist das nicht nur schön und interessant, sondern auch angsterregend und unheimlich. Bevor Sie nun denken, diese Beispiele wären doch alle auch nicht so ermutigend, will ich zurück- kommen zu diesem Vers: „Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen.“ Ist das nicht wirklich gut, das zu hören. Kann uns das nicht doch aufbauen angesichts des raschen Wandels, den wir überall beobachten können, der Vergänglichkeit vieler Dinge heute und mancher Beziehungen - auch unserer eigenen - die so leicht und so schnell zerbrechen. Lassen wir uns das sagen: Über alldem steht ein für alle Mal die Verheißung Jesu: Meine Worte werden nicht vergehen! Was ich euch zugesagt habe, das gilt. Wovon ihr durch mich gehört habt, tritt ein! - Dazu zählt, dass diese Welt ein Ende hat. Und dazu zählt auch - und da wird es persön- lich -, dass auch unser Leben einmal an sein Ende kommt. Aber - und das ist genauso persönlich und wir wissen es, seit Jesus Christus über diese Erde ging - Gott hat uns nicht für den Tod ge- schaffen, sondern für das Leben. Wir wissen es durch solche Worte unseres Herrn: „Der Menschensohn muss viel leiden und verworfen werden von den Ältesten und Hohenpriestern und Schriftgelehrten und getötet werden und nach drei Tagen auferstehen.“ (Mk.8,31) „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt.“ (Jh.11,25) „Ich lebe und ihr sollt auch leben.“ (Jh.14,19b) Und wir hören die Zusage des Ewigen Lebens, die nicht vergehen und nicht hinfällig wird, aus dem Munde Jesu Christi sogar noch persönlicher: „Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig wer- den.“ (Mk.16,16) Für die meisten Christen ist diese Verheißung ganz gewiss die wichtigste, die ihnen den stärksten Trost gibt und den sichersten Halt in einem oft nicht leichten Leben bietet. Und gerade heute am Totensonntag, ist die Zusage Ewigen Lebens die Verheißung, die uns wie keine andere ermutigen kann, auch das Sterben lieber Menschen als die Schwelle zum Leben in Gottes Nähe anzunehmen - ohne zu hadern. Und auch der eigene Abschied von dieser Welt muss uns nicht mehr schrecken. Er ist nicht das Ende des Lebens, sondern der Übergang und der Anfang eines ewigen Lebens, von dem wir heute nicht einmal in unseren schönsten Träumen eine Ahnung be- kommen. Liebe Gemeinde, wir dürfen im Wandel der Zeiten, bei allen Veränderungen unseres persönlichen und gesellschaftlichen Lebens hier und heute, bei allen sozialen Entwicklungen und bei denen in Technik und Wissenschaft den Verheißungen unseres Herrn vertrauen, die Paulus in das Bekennt- nis gefasst hat: „Ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Ge- walten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Krea- tur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.“ Diese Liebe Gottes will nicht den Tod, sondern das Leben für unsere Verstorbenen und für uns selbst. Vor diesem Hintergrund verliert auch dieses Wort Jesu aus den Versen, die wir heute bedenken, seine Härte: Seht euch vor, wachet! Was ich aber euch sage, das sage ich allen: Wachet! Vielleicht hören wir das heute so: Bleibt wachsam, was immer geschieht und vergesst nie und lasst es euch nicht durch Trauer, Zweifel oder Angst verdunkeln, dass am Ende eures Lebens nicht der Tod auf euch wartet, sondern das Ewige Leben. AMEN