Predigt zum Drittl. So. des Kirchenjahrs - 10.11.2013 Textlesung: Lk. 18, 1 - 8 Er sagte ihnen aber ein Gleichnis darüber, dass sie allezeit beten und nicht nachlassen sollten, und sprach: Es war ein Richter in einer Stadt, der fürchtete sich nicht vor Gott und scheute sich vor keinem Menschen. Es war aber eine Witwe in derselben Stadt, die kam zu ihm und sprach: Schaffe mir Recht gegen meinen Widersacher! Und er wollte lange nicht. Danach aber dachte er bei sich selbst: Wenn ich mich schon vor Gott nicht fürchte noch vor keinem Menschen scheue, will ich doch dieser Witwe, weil sie mir soviel Mühe macht, Recht schaffen, damit sie nicht zuletzt komme und mir ins Gesicht schlage. Da sprach der Herr: Hört, was der ungerechte Richter sagt! Sollte Gott nicht auch Recht schaffen seinen Auserwählten, die zu ihm Tag und Nacht rufen, und sollte er’s bei ihnen lange hinziehen? Ich sage euch: Er wird ihnen Recht schaffen in Kürze. Doch wenn der Menschensohn kommen wird, meinst du, er werde Glauben finden auf Erden? Liebe Gemeinde! Wie soll man dieses Gleichnis predigen? Sind wir nicht gewohnt, die Hauptperson einer Gleich- nisgeschichte für Gott zu setzen? Bei den Arbeitern im Weinberg ist das so: Der Herr des Wein- bergs ist Gott. Beim großen Abendmahl, bei dem sich die Gäste mit fadenscheinigen Gründen entschuldigen, ist das so: Der Hausherr, der sie eingeladen hat, ist Gott. Und auch beim „Ver- lorenen Sohn“ ist das so: Der Vater der beiden ungleichen Söhne ist Gott. Und noch bei den meis- ten anderen Gleichnissen, die Jesus erzählt hat, ist das so: Wir erfahren etwas darüber, wie Gott ist, wie liebevoll, wie treu, wie verlässlich... Und hier: Der Richter, von dem Jesus erzählt, ist doch eindeutig korrupt! Er schafft der Witwe doch nicht ihr Recht, weil er so gut ist, so bemüht um die Wahrheit, so gesetzestreu. „Ich will doch dieser Witwe, weil sie mir soviel Mühe macht, Recht schaffen, damit sie nicht zuletzt komme und mir ins Gesicht schlage.“ So soll Gott sein? - Das können wir nicht glauben. Das müssen wir auch nicht glauben! Dieses „Gleichnis“ ist anderer Art als so viele andere! „Das kann doch jedes kleine Kind!“, sagte gestern die Mutter eines Jugendlichen zu ihrem Sohn. Dabei weiß sie genau, dass ihr Heranwachsender kein Kind mehr ist. Sie sagte ihm aber damit: Wenn das schon ein Kind fertigbringt, dann müsstest du das allemal auch schaffen! „Ich mache selbstverständlich auch mit beim Festkomitee für unser Vereinsjubiläum!“ So hörte man es neulich in der Begrüßungsrede des Vorsitzenden vom Sportverein. Warum „selbstverständ- lich“? Weil der Redner der Vorsitzende des Sportvereins ist. Wenn einfache Vereinsmitglieder im Festkomitee mitmachen, dann auf jeden Fall auch der Chef vom Verein! „Das war von unserem Pfarrer aber nicht besonders christlich“, meinte die Kirchenvorsteherin der evangelischen Gemeinde beim Gespräch im kleinen Kreis nach dem Gottesdienst. Ein Kollege aus dem Kirchenvorstand erwiderte: „Hättest du dich besser verhalten?“ Daraufhin antwortet die Kirchenvorsteherin: „Das weiß ich nicht genau - aber ein Pfarrer muss das allemal anders regeln!“ Es ist hier immer wieder das gleiche: Was schon ein Kind kann, muss ein Jugendlicher allemal können. Wenn schon ein einfaches Vereinsmitglied bei der Jubiläumsvorbereitung mittut, dann der Vorsitzende erst recht! Wenn etwas von jeder Christin und jedem Christen erwartet wird, dann um- so mehr vom Pfarrer oder der Pfarrerin! - Genauso „funktioniert“ das Gleichnis „Von der bittenden Witwe“: Wenn sich schon ein korrupter Richter am Ende - wenn auch aus wenig ehrenhaften Gründen - über die Witwe erbarmt und ihr das Recht schafft, das ihr zusteht, wie viel mehr wird sich Gott über die erbarmen, die ihn inständig anflehen und bitten! So hieß das vorhin: „Jesus sagte ihnen aber ein Gleichnis darüber, dass sie allezeit beten und nicht nachlassen sollten...“ Unser Beten soll also beharrlich und geduldig sein und das Gleichnis ver- heißt uns, dass unsere Gebete bei Gott erreichen werden, was sie erbitten. Wie die Witwe den un- gerechten Richter schließlich dazu bringt, dass er ihr Recht verschafft, so wird Gott auch uns erhören, wenn wir nur eindringlich und zuversichtlich an unserem Beten festhalten! Liebe Gemeinde, wenn Sie das hören, geht es Ihnen vielleicht genauso wie mir: Mir ist nämlich aufgegangen, wie wenig beharrlich mein Beten oft ist. Wie schnell erlahmt mein Eifer, wenn mein Wunsch oder meine Bitte nicht in einer Zeitspanne erfüllt wird, die mir angemessen erscheint. Wie rasch höre ich mit dem Beten wieder auf, wenn ich doch gerade erst angefangen habe, von Gott etwas Bestimmtes zu erbitten. Warum? Weil mir eine andere Sache auf einmal noch wichtiger er- scheint, bin ich mit dem vorigen Gebetsanliegen schnell zuende. Kurze Zeit später geht es mit diesem dann wieder genauso: Es wird von einem weiteren Gebetsanliegen verdrängt. Ich sage mir dann vielleicht: Ich will ja nicht unbescheiden sein. Ein Anliegen, das ich Gott besonders ein- dringlich vortrage, ist doch genug! Aber ich merke dabei gar nicht mehr, dass ich den großen Gott damit in meinem Herzen klein mache. Als könnte der himmlische Vater nicht auf mehr als ein An- liegen von mir hören und wäre überfordert, mehrere Bitten, die ich vor ihm ausbreite zu erfüllen (- sofern sie ernsthaft sind und in seinem Sinn). Aber was ist eigentlich der Gegenstand, die Sache um die es geht, wenn Jesus seinen Jüngern damals mit seinem Gleichnis von der bittenden Witwe beharrliches, ja, sogar zudringliches Beten empfiehlt? Jesus kommt am Ende des Gleichnis’ darauf zu sprechen: „Sollte Gott nicht auch Recht schaffen seinen Auserwählten, die zu ihm Tag und Nacht rufen, und sollte er’s bei ihnen lange hin- ziehen?“ „Sollte er’s lange hinziehen?“ - Aufs erste Hören könnten wir meinen, es ginge noch einmal ganz allgemein um das beharrliche, ausdauernde Beten und hier würde versprochen, dass es nicht allzu lange dauert, bis Gott unsere Gebetsanliegen erfüllt, wenn wir „Tag und Nacht“ sozusagen an ihm „dranbleiben“. Aber über das hinaus wird deutlich, dass solche Gebetserhörung besonders den „Auserwählten“ widerfährt - was wir uns wahrscheinlich schon gedacht haben. Es ist erst der letzte Satz des Gleichnis’, der es ganz klar macht, worum die Jünger - und wir auch! - eindringlich und ausdauernd beten sollen: „Doch wenn der Menschensohn kommen wird, meinst du, er werde Glauben finden auf Erden?“ Auch wenn dieser Satz sehr unvermittelt daher kommt und ein wenig wie an das übrige Gleichnis „angeklebt“ wirkt, so ist er doch sehr persönlich und lässt uns fast ein wenig erschrecken: Meinst du, du wirst den Menschensohn, also den Herrn Jesus Christus, gläubig aufnehmen, wenn er wiederkommen wird auf den Wolken des Himmels, wie es uns in den ersten Versen der Apostelgeschichte verheißen ist? (Apg.1,11) Liebe Gemeinde, mal ganz ehrlich: Wie steht es mit unserem Gebet dafür, dass diese Welt an ihr Ende kommt, dass wahr wird, was wir im Glaubensbekenntnis sonntäglich sprechen: „...von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten“? Schlecht steht es damit! Ich bin ziemlich sicher - und ich schließe mich ausdrücklich mit ein! -, dass nicht eine und nicht einer von uns da- rum in den letzten Wochen auch nur einmal gebetet hat, dass der Menschensohn bald wieder in seiner Welt erscheint und damit die Geschichte der Menschheit - und unsere eigene - ein Ende findet. Und beharrlich und ausdauernd darum gebetet hat wohl sein Leben lang niemand von uns. - Was sollen wir also nun mit diesem Gleichnis anfangen? Ausdauernd und zuversichtlich zu beten, leuchtet uns ja noch als ein guter, erstrebenswerter Vor- satz ein. Das wollen wir uns auch gern zu Herzen nehmen und vielleicht gleich heute damit begin- nen. Aber darum zu bitten, dass die Wiederkunft Christi bald geschieht und das Ende der Welt kommt... Das würde, das wird uns schwer fallen, auch wenn wir daran glauben, dass dann Gottes Reich beginnt und wir endlich sehen dürfen, wovon unsere Lieder singen und was wir mit ihnen beschwören: „Jerusalem, du hochgebaute Stadt, wollt Gott, ich wär in dir...“ (EG 150,1), „O Jesu meine Wonne, komm bald und mach dich auf...“ (EG 151,5), „Wir warten dein, o Gottes Sohn und lieben dein Erscheinen.“ (EG 152,1) Und noch viele andere Lieder nehmen diese Gedanken auf und wir können nicht sagen, dass diese Lieder überholt wären, nicht mehr aktuell und darum nicht mehr singbar. Sie bringen nur in poetische Form, was unser Glaubensbekenntnis enthält und was wir jeden Sonntag gemeinsam sprechen. Ich denke, es ist schon gut, einmal wieder wahrzunehmen, was eigentlich in unserem Glauben als Christinnen und Christen enthalten ist. Für uns - bald 2000 Jahre nachdem das „Gleichnis von der bittenden Witwe“ erzählt worden ist, mag es schwieriger sein, mit der Wiederkunft Christi in Bälde zu rechnen und auch noch beharrlich und eindringlich darum zu beten. Aber das ist auch heute noch die Verheißung Jesu und es ist auch heute - vielleicht gerade heute! - eine wunderbare Aussicht, am Ende der Zeit Jesus Christus zu begegnen, aufzuerstehen in sein Reich und dort ewig in der Nähe Gottes zu leben. Jesus fragt uns heute: „Wenn der Menschensohn kommt, meinst du, er werde Glauben finden auf Erden?“ Gott schenke es uns, dass wir ein ehrliches Ja sagen können. AMEN