Predigt zum 22. Sonnt. nach Trinitatis - 27.10.2013 Textlesung: Mi. 6, 6 - 8 „Womit soll ich mich dem HERRN nahen, mich beugen vor dem hohen Gott? Soll ich mich ihm mit Brandopfern nahen und mit einjährigen Kälbern? Wird wohl der HERR Gefallen haben an viel tausend Widdern, an unzähligen Strömen von Öl? Soll ich meinen Erstgeborenen für meine Übertretung geben, meines Leibes Frucht für meine Sünde?“ Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der HERR von dir fordert, nämlich Gottes Wort hal- ten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott. Liebe Gemeinde! Das konnten Sie jetzt nicht hören, darum will ich es Ihnen sagen: Die ersten zwei dieser drei Verse aus dem Buch des Propheten Micha, stehen in Anführungszeichen. Der Prophet zitiert also Fragen, die im Volk Israel gestellt worden sind: Womit soll ich mich dem Herrn nahen, was soll ich ihm opfern? Einjährige Kälber, einen Widder, Öl oder gar meinen Erstgeborenen? Was hebt meine Sünde auf? Was muss ich Gott für meine Übertretungen geben? Opfer für Gott - das war ein wichtiges Thema in Israel. Man kannte es noch aus der Zeit, in der sich Gott Jahwe seinem Volk noch nicht offenbart hatte. Und die Völker rings um Israel opferten schon immer und immer noch ihren Göttern. Micha erteilt dem Gedanken, Gott fordere Opfer, eine klare Absage. Und so wie er haben auch alle anderen Propheten Israels im Auftrag Gottes gesprochen: „Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der HERR von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.“ Also: Gott will keine Opfer haben! Weder junge Kälber noch Widder, weder Öl noch gar das erst- geborene Kind - Gott fordert Gehorsam gegenüber seinem Wort, Liebe zu ihm und den Mitmen- schen und Demut seinem Willen gegenüber. Wir wollen jetzt nicht die Frage klären, ob Israel, ob die Menschen jüdischen Glaubens diese Worte Gottes aus dem Munde Michas begriffen und be- folgt haben. Wir sind schließlich genauso gemeint. Darum fragen wir uns: Haben wir auch dem Opfergedanken abgesagt? Halten wir stattdessen Gottes Wort, üben wir Liebe und sind wir demütig vor Gott? Dabei finde ich sehr hilfreich, was Martin Luther, unser Reformator, als er das Alte Testament übersetzte, bei diesem Vers an den Rand geschrieben hat: Zu „Gottes Wort halten“ lesen wir da: „Das ist glauben, lieben, leiden.“ Und „demütig sein vor deinem Gott“ müssten wir eigentlich bes- ser mit „achtsam, aufmerksam und bereitwillig mit deinem Gott wandeln, mitgehen und leben“ übersetzen. - Aber bleiben wir zuerst noch bei der Frage, ob uns, Gott ein Opfer zu bringen, heute wirklich so fremd ist. Nein, wir opfern weder Kalb noch Widder, weder Öl noch Erstgeburt... Aber keiner soll sagen, der Opfergedanke wäre bei uns Christinnen und Christen völlig vergessen. Im Gegenteil! Auch 2.700 Jahre nachdem der Prophet Micha diese Worte Gottes gesagt hat, ist die Meinung, man könne Gott mit Opfern beeinflussen und mildtätig stimmen, noch sehr verbreitet. Unsere Opfer sind heute al- lerdings anderer Art und sie werden nicht im Tempel dargebracht, sondern in der Zwiesprache mit Gott, in unserem Gebet und oft genug lassen wir andere an unserem Opferdenken teilhaben. Immer jedenfalls geht es dabei um einen Handel mit Gott. Ein junger Mensch hat in einem Bibel- kreis einmal davon gesprochen, dass es im Glauben der Christen oft nur um ein Geschäft mit Gott geht. Er hat damit gemeint, dass wir Gott ein Angebot machen und er uns dafür etwas geben soll: Die Erfüllung eines Wunsches etwa, ein besseres Leben oder gar einen Gewinn beim Lotto. Für das, was unsere Wünsche sind, was wir von Gott haben wollen und was wir dafür anbieten, hier ein paar Beispiele. Vielleicht hört sich das in unseren Gebeten so an: „Gott, wenn es dich gibt, du weißt, dass ich nicht an dich glauben kann. Ich bin halt nicht so erzo- gen. Aber wenn du mir jetzt hilfst, dass ich wieder eine Arbeitsstelle finde, dann will ich an dich glauben. Versprochen!“ Oder so: „Seit mein Mann gestorben ist, fühle ich mich so allein. Ich gebe es ja zu, in den letzten Jahren habe ich mich wenig um deine Sache geschert. Aber wenn du mir einen Menschen schickst, der meine Einsamkeit vertreibt, dann werde ich wieder regelmäßig zur Kirche gehen.“ Oder bei einem jungen Menschen auch einmal so: „Ich habe große Angst vor der Klassenarbeit morgen. Es hängt so viel davon ab und ich weiß nicht, ob ich genug gelernt habe. Wenn ich in der Arbeit wenigstens eine drei bekomme, dann werde ich mich im nächsten Schuljahr wieder zu Reli- gion anmelden.“ Mag sein, manchmal funktioniert der Handel oder sagen wir besser: Es geschieht, was wir uns ge- wünscht haben. Und vielleicht erfüllen die Menschen dann auch, was sie Gott versprochen haben. In jedem Fall aber bleibt es ein „Geschäft“ mit Gott, also eine Sache, die ihm nicht gefällt und die in unserer Beziehung zu ihm einfach unangemessen ist und keinen Platz haben soll. - Wie aber soll sie denn sein, unsere Beziehung zu Gott? „Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der HERR von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.“ „Gottes Wort halten, das ist glauben, lieben, leiden“, hat Martin Luther gesagt. Gottes Wort ist im- mer das erste, was uns in unserem Verhältnis mit Gott begegnet. Gottes Wort in der Taufe und bei der Konfirmation: „Dein Leben steht unter meinem Segen!“ Gottes Wort beim Abendmahl: „Dir ist alle Schuld vergeben, du kannst neu anfangen!“ Gottes Wort in Jesus Christus: „Ich bin die Aufer- stehung und das Leben, wer an mich glaubt wird leben, auch wenn er stirbt!“ (Jh.11,25) Und noch bei so vielen Gelegenheiten spricht uns Gottes Wort an und immer kommt es uns zuvor: unserem Denken, unserem Handeln, unserem Glauben... Das sollen wir nicht umkehren mit unserem „wenn“ du mir das gibst, „dann“ gebe ich dir dafür. Gott spricht und handelt zuerst - wir antworten mit un- serem Glauben. Gott sagt uns seine Liebe zu - wir geben seine Liebe weiter. Mag sein, es gibt in unserem Leben auch etwas zu leiden, wie Luther schreibt. Aber dieses Leid ist nie das letzte, das uns widerfährt. Wir dürfen Vertrauen haben und demütig sein. Wie hieß das vorhin: „Demütig sein vor deinem Gott“ müssten wir eigentlich besser mit „achtsam, aufmerksam und bereitwillig mit deinem Gott wandeln, mitgehen und leben“ übersetzen. Wenn wir ehrlich sind, ist uns die Achtsamkeit in unserem oft so hektischen Leben schon weitgehend abhan- den gekommen. „Achtsam sein“ meint ja wohl, auf das achten, was Gott will, was sein Plan mit meinem Leben ist, was er an Aufgaben für mich hat. Aber nehmen wir das heute überhaupt noch wahr? Unser Tag ist ausgefüllt mit Arbeit, mit Sorge, mit dem Streben, dies und das zu erreichen, auch mit Zerstreuung und Kurzweil. Wieviel Zeit haben wir oder nehmen wir uns täglich, aufmerk- sam auf das zu hören, was Gott uns sagen will? Wir denken vielleicht: Gott spricht zu leise. Er müsste halt lauter werden. Nein, wir müssen besser hinhören! Und „bereitwillig mit Gott wandeln“ wollen wir oft auch nicht. Was wir uns wünschen, soll ge- schehen. Unser eigener Wille soll sich erfüllen - und der führt uns oft genug in eine ganz andere Richtung als Gott sie uns weisen wollte. Dabei würde es uns so gut tun, immer wieder einmal inne- zuhalten, stehen zu bleiben auf dem Weg, den wir gehen und uns zu besinnen: „Was möchte Gott, das ich jetzt tun soll?“ - „Ist das noch mit dem vereinbar, wofür ich einmal eingetreten bin?“ - „Müsste ich mich nicht eigentlich ganz anders entscheiden - zumal als Christin, als Christ?“ Meist aber gehen wir weiter auf dem Weg, den wir eingeschlagen haben. Das ist auch einfacher, als stehenzubleiben und am Ende gar umzukehren. Allerdings erfahren wir dann auch nicht die wun- derbare Wendung, die unser Leben nehmen würde, wenn wir auf Gottes Willen achten und auf sein Wort neu aufmerksam würden. Denn „mit ihm unseren Weg zu gehen“ hat eine Verheißung. Mit ihm zu „leben“ wird uns zufriedener machen und glücklicher auch. Wir beginnen damit, wenn wir achtsam werden, aufmerksam auf sein Wort. Liebe Gemeinde, ich bin ganz sicher: In einem solchen Leben, das auf Gottes Willen achtsam hört und mit Gott mitgeht, dorthin, wohin er uns führen will, wird uns auch der Gedanke vergehen, Gott ein Opfer bringen zu wollen. Ein Mensch, der aufmerksam Gottes Wort und Willen befolgt, weiß, dass ihm nichts geschehen kann, was nicht Gott ihm schickt. Und er weiß auch, dass ihm alles, was ihm von Gott herkommt, dienen muss und zu seinem Besten ist. - Gott will keine Opfer haben! Weder junge Kälber noch Widder, weder Öl noch das erstgeborene Kind, auch nicht, was wir ihm so anbieten, wenn er uns dieses oder jenes schenkt. - Gott will, dass wir sein Wort halten, das ist glauben, lieben, leiden und dass wir achtsam, aufmerksam und bereit- willig mit unserem Gott wandeln, mitgehen und leben. AMEN