Predigt zum 15. Sonntag nach Trinitatis - 8.9.2013 Textlesung: Lk. 17, 5 - 6 Und die Apostel sprachen zu dem Herrn: Stärke uns den Glauben! Der Herr aber sprach: Wenn ihr Glauben hättet so groß wie ein Senfkorn, dann könntet ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: Reiß dich aus und versetze dich ins Meer!, und er würde euch gehorchen. Liebe Gemeinde! Zwei Dinge gehen mir durch den Kopf, wenn ich das lese: Einmal denke ich mir, dass die Jünger sicher gar nicht vorhatten, einen Maulbeerbaum ins Meer zu versetzen. Und solch eine Wundertat ist ja auch ziemlich unnütz. Warum hat Jesus nicht ein anderes Beispiel gewählt? Vielleicht eine Krankenheilung oder wie er es in Kana vorgemacht hatte, ein paar Krüge voll Wasser in Wein ver- wandeln. Das zweite, was mir bei der Lektüre dieser zwei Verse in den Sinn kommt, ist die Frage: Hat Jesus hier seinen Jüngern irgendwie geholfen? Sie wollten doch, dass er ihnen den Glauben stärkt. Was aber kommt denn heraus, wenn er ihnen sagt: „Wenn ihr Glauben hättet...“? Glauben, den sie doch nun einmal nicht haben, wie sie selbst bekennen. Da werden die Apostel wohl von ih- rem Meister eher enttäuscht gewesen sein! Nein, wirklich: Wenn wir so an diese Verse herangehen, dann müssen wir feststellen: Weder die Jünger damals noch wir heute können aus Jesu Worten irgendeine Lehre ziehen oder etwas mit- nehmen, was wir beherzigen könnten. Ganz anders sieht es aus, wenn wir bei diesen zwei Versen etwas tiefer schauen und sozusagen zwischen den Zeilen lesen. Sicher sollten wir dabei auch bedenken, dass Lukas, der diese Worte aufgeschrieben hat, ja auch diese Verse mit einem ganz bestimmten Interesse gerade hier und gerade so eingefügt hat. Aber ganz konkret. Lesen wir noch einmal den ersten der beiden Verse: „Und die Apostel sprachen zu dem Herrn: Stärke uns den Glauben!“ Hier steht doch tatsächlich etwas zwischen den Zeilen. Ich lese da gleich einiges, was beim Glauben wichtig ist: Der Glaube kann durchaus einmal schwächer und einmal stärker sein und es ist möglich, dass aus einem schwachen Glauben wieder ein starker Glaube wird. - Auch „Apostel“, also Menschen, die wir doch zunächst einmal als Glaubenshelden ansehen, haben Stärkung ihres Glaubens nötig. - Die Adresse für Menschen, die im Glauben wachsen wollen und sich wünschen, dass ihr Glaube noch oder wieder stärker wird, ist der Herr selbst, an den wir Christen glauben! Sind das nicht doch einige Gedanken, die uns auf dem Weg des Glaubens, auf dem Weg hinter un- serem Herrn her stärken und helfen können? Gehen wir den Gedanken doch einmal der Reihe nach entlang: „Der Glaube kann durchaus einmal schwächer und einmal stärker sein und es ist möglich, dass aus einem schwachen Glauben wieder ein starker Glaube wird.“ - Sicher stehen wir, die heute zum Gottesdienst versammelt sind, aber auch die anderen Christinnen und Christen in unserer Gemeinde und in der weltweiten Christengemeinschaft was die Stärke und Festigkeit unseres Glaubens an- geht, alle an einer anderen Stelle der Entwicklung. Sie kennen das gewiss auch: Unser Glaube wan- delt sich im Laufe unseres Lebens. Wenn wir in unseren Kindertagen schon zum Glauben gekom- men sind, dann kann er in unseren erwachsenen Jahren eine ganz andere Gestalt annehmen. Aus dem Kinderglauben wird ein reifer Glaube, über den wir auch reden und Auskunft geben können. Vielleicht sagen wir es so: Wir glauben als Erwachsene nicht mehr kindlich und naiv, sondern gewinnen klare Positionen und können uns dazu auch vor den Leute bekennen. Manchmal geschieht dann aber in unserem Leben etwas ... dazu können wir das, was wir glauben nicht mehr reimen. Ein Schicksalsschlag trifft uns. Vielleicht stirbt ein Mensch aus der Familie, vi- elleicht das Kind oder der Lebenspartner. Und das Kind hatte doch sein Leben noch vor sich und der Partner war doch noch gar nicht so alt... Dann hadern wir mit Gott und unserem Herrn. Wir ver- stehen nicht, warum wir Abschied nehmen mussten, warum uns so liebe Menschen genommen wurden. Da wird unser Glaube schwach, ja, manchmal ist er kurz vor dem Erlöschen. Was Jesus uns sagen und was Lukas uns weitergeben will, ist dies: Es muss nicht dabei bleiben! Glaube kann auch wieder wachsen, erstarken. Christinnen und Christen, die schon eine längere Erfahrung mit dem Glauben haben, wissen, dass der Glaube sich ohnehin immer wieder im Auf und Ab, in glaubensstarken und -schwächeren Zeiten entwickelt. Vielleicht ist da ein Beispiel aus der Natur hilfreich: Auch die Blumen in unseren Gärten, die Pflanzen auf unseren Äckern und Wiesen und die Bäume in unseren Wäldern führen uns dieses Auf und Ab vor Augen. Aus dem Samen kommt der Keim, aus dem Keim wird die junge Pflanze, dann die Blüte und die Frucht, dann das Vergehen ... aber eben nicht das Ende! Im nächsten Jahr gibt es neues Wachstum, neue Blüte, Reife und Frucht. Und selbst wenn ein Naturereignis den Lauf der Entwicklung beeinträchtigt, wenn Dürre die Blumen welken lässt, wenn Hagelschlag die Pflanzen in Feld und Flur zerstört und ein Sturm Bäume knickt und entwurzelt, immer wieder wächst Neues auf und wird groß, schön und stark, oft größer, schöner und stärker als es vorher war. Auch bei unserem Glauben ist das so. Der zweite Gedanke war: „Auch „Apostel“, also Menschen, die wir doch zunächst einmal als Glaubenshelden ansehen, haben Stärkung ihres Glaubens nötig.“ - Das ist wohl zuallererst ein Wort für alle, die wir gern Berufschristen nennen: Die Pfarrerinnen und Pfarrer, die Prädikanten und Lektoren, die Gemeindeleiter und Kirchenvorsteher, alle, die auf irgendeine Weise besondere Verantwortung in den Christengemeinden tragen, in der Unterweisung, der Verkündigung, der Ar- beit mit Kreisen und Gruppen, aber auch in der Verwaltung. Darüber hinaus gibt es aber noch viele Menschen in gewiss jeder Gemeinde, die ihr Christentum so verstehen, dass sie meinen, sie müssten im Glauben Vorbilder sein und dürften darum keine Zweifel haben und könnten sich keine Glaubensschwäche leisten. Gut, einmal zu hören, dass die ersten Nachfolger unseres Herrn, von denen wir doch festen, unerschütterlichen Glauben erwartet hätten, Jesus um Stärkung ihres Glau- bens bitten. Das könnte uns von übertriebenen Forderungen uns selbst gegenüber entlasten. Es ist keine Schande Zweifel zu haben. Es macht uns nicht zu schlechten Christen, auch einmal Zeiten zu durchlaufen, in denen unser Vertrauen in Gott schwach wird und wir die Hand unseres Herrn ver- lieren. Wir können Lebenstäler ganz getrost durchschreiten, weil wir wissen, dass auch wieder an- dere Zeiten kommen, in denen unser Glaube neue Kraft erhält. „Die Adresse für Menschen, die im Glauben wachsen wollen und sich wünschen, dass ihr Glaube noch oder wieder stärker wird, ist der Herr selbst, an den wir Christen glauben!“ - Vielleicht möch- ten wir hierzu sagen: „Zu wem sollen wir denn sonst gehen, als zu Jesus Christus, der doch Ur- sprung und Ziel unseres Glaubens ist?“ Ja, das würde uns wohl dazu einfallen und zu IHM zu gehen, wäre auch richtig... Nur wir tun es eben oft nicht. Manche Menschen, die durch irgendeinen Anlass in eine Zeit angefochtenen Glaubens geraten, ziehen einen Schlussstrich unter ihr Glau- bensleben (und müssen es doch Gott danken, wenn er sie aus ihrer Haltung herausholt, bevor sie sich selbst verlieren!). Andere suchen ihr Heil in Sekten oder anderen Religionen, die ihnen oft als ehemalige Christen ein Leben lang fremd bleiben und ihnen keine Erfüllung bieten können. Wieder andere bemühen sich, die Krise ihres Glaubens auszublenden, um sie so nicht mehr wahrzunehmen. Aber Gott ist auch in Krisenzeiten bei uns und arbeitet an uns. Und es kostet enorme Energie, den Ruf Gottes über lange Monate oder gar Jahre zu überhören und noch größere Anstrengungen kostet es, das Sehnen des eigenen Herzens zu unterdrücken. Wir sollten darum wirklich versuchen, auch in den schweren Zeiten unseres Lebens bei dem zu bleiben, den wir einmal als unseren Herrn er- kannt und angenommen haben. Vertrauen wir darauf, dass nach schwerer Zeit auch für unseren Glauben wieder ein neuer Tag mit neuer Kraft und neuer Hoffnung kommen wird! Liebe Gemeinde, warum aber legt Jesus seinen Jüngern dieses seltsame Beispiel von dem Maul- beerbaum vor, der sich ins Meer versetzen soll? - Ich hoffe, Jesus kann mir verzeihen, wenn ich sage, es ging hier nur darum, ein wirklich ganz ausgefallenes, ja, verrücktes Beispiel zu wählen. Hätte er von einer Heilung oder der Verwandlung von Wasser in Wein gesprochen, dann hätte keiner der Jünger aufgehorcht. Das kannten sie ja schließlich schon und hatten es selbst miterlebt. Aber dass sich ein Maulbeerbaum ins Meer versetzt... Das war doch etwas ganz anderes! Ich denke dabei an Sätze, die wir auch hin und wieder sagen, ohne ernst zu nehmen: „Eher wird der Mond eckig, als dass du einmal pünktlich bist!“ Oder: „Wenn du es schaffst, dass dein Mann mit dir einen Tanzkurs macht, fresse ich einen Besen!“ Der Mond wird nicht eckig. Das ist gewiss. Und genauso sicher wird niemand je einen Besen fressen. Trotzdem spricht man manchmal so, damit die anderen aufmerksam werden auf das, was wir ihnen sagen wollen. Ich denke, Jesus wollte die Aufmerksamkeit der Jünger darauf lenken, dass auch schon ein Glaube, selbst wenn er nur so klein ist, wie ein Senfkorn, große Dinge vollbringen kann und dass der Glaube durch Gottes Kraft lebt und wenn er will wächst und sich entwickelt und dass sie sich nicht darum sorgen sollen, wenn ihr Glaube noch schwach und klein ist. Liebe Gemeinde, auch wir wollen uns keine Sorgen um unseren Glauben machen. Gott hat ihn uns geschenkt und will ihn uns auch erhalten. Wenn er heute vielleicht auch schwach ist, so kann er doch - wenn Gott will - auch wieder stark werden. Und vergessen wir nicht: Auch ein Glaube, klein wie ein Senfkorn, kann viel vollbringen und ist unseres Dankes wert. AMEN