Predigt zum Pfingstmontag - 20.5.2013 Textlesung: Jh. 4, 19 - 26 Die Frau spricht zu ihm: Herr, ich sehe, dass du ein Prophet bist. Unsere Väter haben auf diesem Berge angebetet, und ihr sagt, in Jerusalem sei die Stätte, wo man anbeten soll. Jesus spricht zu ihr: Glaube mir, Frau, es kommt die Zeit, dass ihr weder auf diesem Berge noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet. Ihr wisst nicht, was ihr anbetet; wir wissen aber, was wir anbeten; denn das Heil kommt von den Juden. Aber es kommt die Zeit und ist schon jetzt, in der die wahren Anbeter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit; denn auch der Vater will solche Anbeter haben. Gott ist Geist, und die ihn anbeten, die müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten. Spricht die Frau zu ihm: Ich weiß, dass der Messias kommt, der da Christus heißt. Wenn dieser kommt, wird er uns alles verkündigen. Jesus spricht zu ihr: Ich bin’s, der mit dir redet. Liebe Gemeinde! Eins muss ich zuvor erklären, denn nicht jeder kennt die ganze Geschichte: Warum sieht die Frau, wie sie sagt, dass Jesus ein Prophet ist? - Nun, Jesus hatte ihr offenbart, dass er über sie weiß, dass sie fünf Männer gehabt hat und der, den sie jetzt hat, nicht ihr Mann ist. Jetzt verstehen wir auch, warum die Frau schnell zu einem ganz anderen Thema übergeht: Jesu Wissen über sie war ihr pein- lich. Also beginnt sie mit der Frage, was der rechte Ort ist, Gott zu verehren: „Unsere Väter haben auf diesem Berge angebetet, und ihr sagt, in Jerusalem sei die Stätte, wo man anbeten soll.“ Bevor wir nun denken, das wäre doch wohl eine Sache, die uns heute weniger beschäftigt, will ich die Frage einmal so stellen, dass sie merken, wie sehr sie uns auch heute noch angeht: Wo ist für uns Christen der rechte Ort, Gottesdienst zu feiern? - Damit es ganz deutlich wird, was an dieser Frage liegt, hören Sie ein paar Beispiele, die einen Hinweis geben, wo in unseren Tagen (vielleicht auch schon einmal von uns selbst) um die richtige Antwort gerungen wurde und wird: - Viele Gemeinden feiern den Gottesdienst zu Christi Himmelfahrt seit Jahren und Jahrzehnten in der freien Natur, im Wald, auf einer schönen Wiese, in einem Steinbruch... - So stand es in der Adventszeit in einer Zeitung: „Zur diesjährigen Stallweihnacht am Heiligen Abend lädt die Familie Meier wieder in ihre Scheune ein.“ - In einer anderen Zeitung war neulich zu lesen: „Der Gottesdienst zur Kirchweihe findet in diesem Jahr im Festzelt auf dem Sportplatz statt.“ - In einem Krankenhaus wird der Sonntagsgottesdienst neuerdings aus der nahegelegenen Christus- kirche in die Krankenzimmer übertragen. Im Kirchenvorstand der Christusgemeinde wird nun überlegt, ob die Patienten, die den Gottesdienst miterleben, nicht auch für die kirchliche Statistik als Gottesdienstbesucher gezählt und gewertet werden müssten. - Schon lange trifft sich der Kindergottesdienst einer Kirchengemeinde nicht mehr in der Kirche, sondern im Evangelischen Gemeindehaus. Dort gibt es mehr Möglichkeiten, den Kindergottes- dienst kindgemäß zu gestalten. Eltern der Kinder haben jetzt angefragt, ob das im Gemeindehaus denn ein richtiger Gottesdienst wäre? - Schließlich sind ja auch Trauungen Gottesdienste. In den letzten Jahren finden Trauungen aller- dings immer häufiger an Orten statt, die für die Brautleute besonders schön, lebensgeschichtlich wichtig oder irgendwie außergewöhnlich sind: Auf einem Berg, unter Wasser, auf hoher See, auf dem Pferderücken, im Heißluftballon... Was hätte Jesus dazu gemeint? Hören wir noch einmal, was er der Frau damals sagt: „Es kommt die Zeit, dass ihr weder auf diesem Berge noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet. Aber es kommt die Zeit und ist schon jetzt, in der die wahren Anbeter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit; denn auch der Vater will solche Anbeter haben. Gott ist Geist, und die ihn anbeten, die müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten. Da bleiben Fragen: Was ist mit Geist gemeint. Was ist die Wahrheit, von der Jesus hier spricht? Liebe Gemeinde, es ist nicht leicht, hier eine einfache, eindeutige Antwort zu finden. Aber wenn man die Bibel des Alten und Neuen Testaments genau prüft, dann entdeckt man eine Bedeutung von „Geist“, die besonders häufig angesprochen wird. Geist ist danach eine besonders „enge Ver- bundenheit mit Gott“. Wenn Sie da an die Propheten denken, an Jesus, an die Jünger, an Paulus, die Evangelisten und die vielen, vielen Nachfolger Christi in aller Welt in der Geschichte der Christen- heit bis heute..., dann erscheint diese Deutung wirklich sehr einleuchtend. Bei dem Begriff „Wahrheit“ ist es nicht einfacher. Auch er ist vieldeutig. Mir hat am besten gefal- len, wie „Wahrheit“ in einem Kommentar zu genau dem Bibelabschnitt gesehen wird, die wir heute bedenken. Da heißt es: „Wahrheit meint Zuverlässigkeit, also: Beständigkeit, Treue (vgl. unsere Ausdrucksweise „ein wahrer Freund“, „ein wahres Wort“ u.Ä.). Solche Wahrheit kommt vor allem Gott zu.“ Aber ich will hier noch etwas hinzufügen: Wenn wir Gott „in der Wahrheit anbeten“ sol- len, dann müssen wir selbst von der gleichen Wahrheit beseelt sein. Jetzt soll aber Schluss sein mit der Theorie. Kehren wir mit diesen Deutungen von „Geist“ und „Wahrheit“ zurück zu den Fragen nach dem richtigen Ort, Gottesdienst zu feiern: - Ist der Himmelfahrtsgottesdienst im Freien ein rechter Gottesdienst am richtigen Ort? Ich glaube ja! Auch im Freien sind wir mit Gott verbunden und gerade an diesem Tag hat das ja auch einen ganz besonderen Sinn - da müssen wir nur die Himmelfahrtsgeschichte lesen: Sie fand ja auch im Freien statt (Apg.1). Und auch der Wahrheit, also der Zuverlässigkeit, Beständigkeit und Treue tut es keinen Abbruch. Die gilt auf der Seite Gottes wenn wir hier in der Kirche feiern genauso, wie auf einem Berg oder einer Wiese. Und warum soll es bei uns anders sein? - Auch gegen eine „Stallweihnacht“ ist aus den gleichen Gründen nichts einzuwenden. Im Gegen- teil: Gerade den Kindern kann dabei noch viel eindrücklicher werden, was das eigentlich heißt, wenn der große Gott in einem kleinen Kind in der Armut eines Viehstalls zur Welt kommt. - Anders sehe ich den „Gottesdienst zur Kirchweihe auf dem Sportplatz“. Die Verbindung zu Gott können wir zwar auch dort halten, aber im Sinne der „Wahrheit“ ist das sicher nicht: Beständigkeit und Treue würden uns an einem solchen Tag geradezu in die Kirche treiben! Es ist immerhin die Feier des Geburtstags unserer Kirche! Können Sie sich vorstellen, den Geburtstag Ihrer Mutter oder Ihres Vaters im Dorfgemeinschaftshaus zu feiern, wenn der Jubilar, die Jubilarin zu Hause bleibt? - Ob man die Zuhörer im Krankenhaus als Gottesdienstbesucher zählen muss? Na, selbstverständ- lich! Das ist man sowohl dem Geist als auch der Wahrheit schuldig - und auch den Menschen, die im Krankenbett liegen müssen! Gerade sie brauchen doch das Gefühl, nicht allein zu sein, sondern zur Gemeinde der Christen zu gehören und zu Gott - besonders in Krankheitszeiten. - Der Kindergottesdienst im Gemeindehaus kann gewiss besser kindgemäß gestaltet werden, keine Frage. Und wenn er angemessen gefeiert wird, dann wird er auch den Charakter eines Gottesdiens- tes behalten. Da die Kinder aber auch in die Gemeinde der Erwachsenen hineinwachsen sollen, ist es sicher gut, wenn sie regelmäßig auch einen Gottesdienst in der Kirche haben. - Sie haben es geahnt: Trauungen unter Wasser, auf hoher See oder sonst irgendwo anders als in der Kirche der Gemeinde, in der die Brautleute heimisch sind oder werden sollen, können vor unserer Frage nach dem Geist und der Wahrheit nicht bestehen. Hier geht es ja eigentlich auch gar nicht mehr um die Verbundenheit mit Gott, sondern um den außergewöhnlichen, möglichst einzigartigen Ort, an dem man heiratet - und dass man davon ein Leben lang erzählen kann! Und wäre Treue und Beständigkeit das Maß der Brautleute, nachdem sie vor Gott und der Gemeinde ihr Trauversprechen ablegen, dann würde sie das wohl nicht auf einen Pferderücken oder in einen Heißluftballon führen, sondern vor den Altar Gottes in der Kirche ihrer Gemeinde! Zum Schluss wollen wir aber noch einen anderen wichtigen, ja, wunderbaren Gedanken anspre- chen, der einem in den Sinn kommt, wenn Jesus am Ende der Frau, die vom Kommen des Messias’ spricht, das sagt: „Ich bin’s, der mit dir redet.“ - Was ist das doch für ein Geschenk, mit Jesus Christus, mit Gott sprechen zu können! Und umgekehrt: Auch Gott spricht mit uns! Jedes Gebet ist für uns die Möglichkeit dieser Zwiesprache. Alles, wirklich alles dürfen wir vor Gott bringen: Was uns quält, was uns erfreut, worum wir bitten und wofür wir dankbar sind. Und Gott antwortet auch. Nicht immer gleich, schon gar nicht immer so, wie wir es wünschen und erwarten, aber ganz ge- wiss und immer so, dass seine Liebe zu uns sichtbar wird. Und gerade das Gebet ist eine gute, immer und überall mögliche Weise, den Geist und die Wahr- heit Gottes zu erfahren und Gott im Geist und in der Wahrheit zu begegnen. AMEN