Predigt zum Gründonnerstag - 28.3.2013 Textlesung: 2. Mos. 12,1.3-4.6-7.11-14 Der HERR aber sprach zu Mose und Aaron in Ägyptenland: Sagt der ganzen Gemeinde Israel: Am zehnten Tage dieses Monats nehme jeder Hausvater ein Lamm, je ein Lamm für ein Haus. Wenn aber in einem Hause für ein Lamm zu wenige sind, so nehme er’s mit seinem Nachbarn, der seinem Hause am nächsten wohnt, bis es so viele sind, dass sie das Lamm aufessen können, und sollt es verwahren bis zum vierzehnten Tag des Monats. Da soll es die ganze Gemeinde Israel schlachten gegen Abend. Und sie sollen von seinem Blut nehmen und beide Pfosten an der Tür und die obere Schwelle damit bestreichen an den Häusern, in denen sie’s essen. So sollt ihr’s aber essen: Um eure Lenden sollt ihr gegürtet sein und eure Schuhe an euren Füßen haben und den Stab in der Hand und sollt es essen als die, die hinwegeilen; es ist des HERRN Passah. Denn ich will in der- selben Nacht durch Ägyptenland gehen und alle Erstgeburt schlagen in Ägyptenland unter Mensch und Vieh und will Strafgericht halten über alle Götter der Ägypter, ich, der HERR. Dann aber soll das Blut euer Zeichen sein an den Häusern, in denen ihr seid: Wo ich das Blut sehe, will ich an euch vorübergehen, und die Plage soll euch nicht widerfahren, die das Verderben bringt, wenn ich Ägyptenland schlage. Ihr sollt diesen Tag als Gedenktag haben und sollt ihn feiern als ein Fest für den HERRN, ihr und alle eure Nachkommen, als ewige Ordnung. Liebe Gemeinde! Die Auswahl dieser Verse aus dem 2. Buch Mose als Predigtgrundlage für Gründonnerstag hat sicher dabei mitgeholfen, dass heute in manchen christlichen Gemeinden der Gottesdienst so ge- staltet wird, dass er sich in seinem Ablauf sehr an die jüdische Passahfeier anlehnt. Überhaupt werden die Elemente des jüdischen Passah gern auf unser Abendmahl hin gedeutet. So ist z.B. un- ser Lamm, das geschlachtet wird Jesus und das Blut, mit dem die Türpfosten und die Schwelle be- strichen wird, sein Blut, das die Sünde sühnt und alles Böse abwehrt. Merkwürdigerweise aber werden die klaren Unterschiede der beiden Feiern nicht gesehen bzw. nicht im gleichen Maß gewürdigt. Diese Unterschiede aber sind sehr groß und sicher beachtenswert, sie könnten uns nämlich den Weg zu einem neuen, tieferen Verständnis unseres Abendmahls zeigen. Ich will einmal zwei dieser Unterschiede ansprechen und mit Ihnen bedenken. Hören wir noch einmal die entsprechenden Verse: „Wenn aber in einem Hause für ein Lamm zu wenige sind, so nehme er’s mit seinem Nachbarn, der seinem Hause am nächsten wohnt, bis es so viele sind, dass sie das Lamm aufessen können, und sollt es verwahren bis zum vierzehnten Tag des Monats. Da soll es die ganze Gemeinde Israel schlachten gegen Abend.“ - Es ist deutlich: Das Passah soll eine Feier der ganzen Gemeinde sein, also aller, die zu Gott gehören. Und es wird auch nicht nur in der Familie gefeiert. Auch die Na- chbarn werden einbezogen. Keiner soll ausgeschlossen sein. Keiner auch darf einen anderen ausschließen. Zur selben Zeit werden in ganz Israel die Lämmer geschlachtet. Am selben Abend essen alle davon und halten das Mahl in der Gemeinschaft - genau so, wie es geboten ist. Ich musste vor diesem Hintergrund daran denken, wie sehr dagegen unser Abendmahl doch eine Sache des Einzelnen ist - und das trotz aller Versuche bei der Feier ein paar gemeinschaftliche El- emente einzubringen. Auch wenn man sich in manchen Gemeinden nach dem Genuss von Brot und Wein an den Händen fasst oder einer dem anderen den Brotteller und den Kelch weiterreicht, ent- steht noch kein echtes Gefühl dafür, dass wir zusammengehören. Und eine Familienfeier ist unser Abendmahl auch nicht! Manche und mancher von uns wird heute Abend, als er aus dem Haus ging, vielleicht gesagt haben: Ich gehe jetzt zum Abendmahlsgottesdienst. Hat sie oder er wohl auch daran gedacht, dass zum Abendmahl heute Abend - wie eigentlich immer! - auch unsere Hausgenossen eingeladen sind? Hat eine oder einer von uns vielleicht sogar seine Hausgenossen eingeladen, doch mitzukommen? Aber mir kommt jetzt noch etwas in den Sinn: Denken wir nicht auch heute noch manchmal darüber nach, ob diese oder jene, mit denen wir uns am Abenmahlstisch zusammenfinden, denn wirklich des Mahls unseres Herrn würdig sind? Schließen wir also nicht - wenigstens in Gedanken - den einen oder anderen Menschen vom Mahl aus und meinen, er wäre doch wohl nicht eingeladen? Noch einmal: Wenn wir am Passahfest Maß nehmen, dann sind besonders heute alle Menschen zum Tisch des Herrn gerufen! Alle gehören dazu! Keiner ist unwürdig. Niemand soll ausges- chlossen werden, weil der, der uns einlädt, keinen ausschließt. Wir lesen weiter: „So sollt ihr das Mahl essen: Um eure Lenden sollt ihr gegürtet sein und eure Schuhe an euren Füßen haben und den Stab in der Hand und sollt es essen als die, die hinwegeilen; es ist des HERRN Passah.“ - Hier könnte ein Missverständnis entstehen, so als sollten wir uns beim Mahl - sowohl bei der Austeilung als auch beim Empfang von Brot und Wein - beeilen. Das würde sicher manche Abendmahlsfeier verkürzen, was manchen Menschen, die immer keine Zeit haben, gewiss entgegenkäme. Aber das ist nicht gemeint. Die Eile beim Passahmahl ist ursprünglich damit begründet, dass es für die Israeliten ja der Abend vor dem Aufbruch aus Ägypten war und der lange Weg ins gelobte Land bevorstand. So gesehen ist das heute ganz anders. Wir stehen nicht kurz davor, in die Fremde zu ziehen. Wir kommen aus unseren Häusern und Wohnungen, in denen wir zu Hause sind und wir werden nachher dorthin zurückkehren. Wir haben unsere Heimat, jedenfalls die auf Erden, schon gefunden. Es gibt aber noch einen ganz anderen Aufbruch - und um den geht es. Für die Israeliten damals war es ja auch der Anfang der Beziehung mit ihrem Gott. Es war nicht sehr lange her, da war Mose diesem Gott am brennenden Dornbusch zum ersten Mal begegnet und zum Führer des Volkes bes- timmt worden. An den zehn Plagen, die über Ägypten kamen, haben die Israeliten dann die Macht Gottes erkannt. Aber vertraut waren sie noch nicht mit ihm. Darum war der Weg ins gelobte Land für die Menschen immer noch ein Wagnis. Und schon bald wird sich ihr Vertrauen bewähren müssen, wenn der Pharao sie am Schilfmeer mit seinen Soldaten, mit Rossen und Wagen in die Sklaverei zurückholen will. Dann wird Mose mit seinem Stab das Meer teilen, das Volk wird hin- durchziehen und die nachfolgenden Leute des Pharao werden in den Fluten umkommen. Und die Beziehung zwischen Israel und seinem Gott wird die erste Bewährungsprobe bestanden haben. Was sagt uns das alles? - Auch für uns ist jedes Abendmahl ein Aufbruch. Immer wieder neu werden wir bei der Feier am Tisch unseres Herrn daran erinnert, dass wir zu Jesus Christus gehören und Gottes geliebte Kinder sind. Wir kommen heute Abend vielleicht aus einer Zeit, die persönlich enttäuschend war oder voller Traurigkeit. Wir haben vielleicht eine Krankheit hinter uns oder Tage schwerer Sorgen und großen Kummers. Es hat Leid und Streit in unserer Ehe oder Familie gegeben und wir fühlen uns ausgebrannt und erschöpft. Beim Mahl unseres Herrn dürfen wir uns neue Kraft holen. Hier ist der Ort, an dem wir unsere Sorgen, Ängste, unsere Trauer, unser Leid und alles, was uns schwer auf den Schultern liegt, zurücklassen können. Hier dürfen wir neu aufbrechen, gestärkt durch das Mahl, entlastet durch die Vergebung aller Schuld und aufgebaut durch den Zuspruch des Wortes Gottes, der uns selbst auf dem Weg, den wir ab Morgen gehen, begleitet. So schließen die Worte aus dem 2. Mosebuch, die uns heute Abend zum Bedenken vorgelegt sind: „Ihr sollt diesen Tag als Gedenktag haben und sollt ihn feiern als ein Fest für den HERRN, ihr und alle eure Nachkommen, als ewige Ordnung.“ - Zumindest der erste Gedanke dieses Verses ist erfüllt, auch bei uns: Der Gründonnerstag mit seinem Abendmahl, das heute überall in unseren Kirchen gefeiert wird, war und ist ein Tag des Gedenkens. Die Juden denken bis heute am Passah an den Auszug aus Ägypten, wir denken an das letzte Mahl Jesu mit seinen Jüngern. Beim zweiten Gedanken allerdings, müssen wir noch etwas mehr investieren, dass unsere Mahlfeier wirklich wieder zu einem „Fest für den Herrn“ wird. Oft gelingt es uns nicht, unsere Sorgen, unseren Kum- mer und all unsere Lasten wirklich am Tisch des Herrn abzulegen. Auch die Freude über die Vergebung, die wir hier geschenkt bekommen, hält sich in Grenzen. Vielleicht hilft es uns, wenn wir nach Kräften daran mitarbeiten, dass die Abendmahlsfeiern bei uns wirklich wieder eine ge- meinsame Sache unserer Familien und der ganzen Gemeinde werden, indem wir andere dazu ein- laden! Vielleicht können wir unser Abendmahl auch mehr als bisher als das Geschenk eines neuen Aufbruchs mit unserem Gott und eines neuen, von ihm begleiteten Wegs begreifen. Schließlich erinnert uns das Abendmahl heute und immer wenn wir es feiern auch daran, dass es bei der Tisch- gemeinschaft unter uns Christen und mit unserem Herrn um eine „ewige Ordnung“ geht, denn jedes Mahl miteinander und in seiner Gemeinschaft ist schon heute ein Vorgeschmack auf die herrliche Zukunft in Gottes Reich, an der wir ewig teilhaben sollen! AMEN