Predigt zum 4. Adventssonntag - 23.12.2012 Textlesung: Jh. 1, 19 - 23 (24 - 28) Und dies ist das Zeugnis des Johannes, als die Juden zu ihm sandten Priester und Leviten von Jeru- salem, dass sie ihn fragten: Wer bist du? Und er bekannte und leugnete nicht, und er bekannte: Ich bin nicht der Christus. Und sie fragten ihn: Was dann? Bist du Elia? Er sprach: Ich bin’s nicht. Bist du der Prophet? Und er antwortete: Nein. Da sprachen sie zu ihm: Wer bist du dann? dass wir Antwort geben denen, die uns gesandt haben. Was sagst du von dir selbst? Er sprach: „Ich bin eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Ebnet den Weg des Herrn!“, wie der Prophet Jesaja gesagt hat (Jes. 40,3). Liebe Gemeinde! Es ist schon ein etwas seltsames Gespräch, dessen Zeugen wir hier werden. Wenn uns jemand fragt, wer wir sind, dann nennen wir doch sicher unseren Namen. Und wenn dann einer wissen will, ob wir vielleicht der Herr Meier wären, wir heißen aber Müller, dann werden wir doch sofort antwor- ten: „Nein, ich heiße Müller!“ Oder wenn jemand vermutet, wir wären doch wohl die Frau Schmidt, unser Name ist aber Kunze, dann werden wir gewiss gleich sagen: „Nein, Kunze ist mein Name!“ Hier kommt nun noch etwas hinzu, was es noch merkwürdiger macht, dass Johannes nicht gleich damit herausrückt, wer er denn ist: Die von den Fragern genannten Namen sind ja nicht irgendwel- che, eben nicht Müller, Schmidt, Meier oder Kunze. Johannes wird gefragt, ob er der Christus wäre! Sie wollen von ihm wissen, ob in seiner Person der Prophet Elia wiedergekommen ist? Dabei geht es um die wichtigste Erwartung, die ein Jude damals hatte, ob nämlich endlich die Heilszeit, die Zeit des Messias angebrochen wäre. Denn Elia wurde als der Vorläufer des Messias erwartet und der Christus, der Gesalbte Gottes, auf den man hoffte, das war der Messias selbst! - Johannes aber antwortet: Nein, ich bin nur eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Ebnet den Weg des Herrn!, wie der Prophet Jesaja gesagt hat. Warum läuft das Gespräch damals so...seltsam? Ich glaube, darum: Wenn Johannes gleich geant- wortet hätte: „Ich heiße Johannes“, dann hätten die Frager auf dem Absatz kehrt gemacht und wären mit dieser Auskunft zu denen gegangen, die sie zu fragen beauftragt hatten. Er aber will unbedingt diesen Satz anbringen: „Ich bin eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Ebnet den Weg des Herrn!“, wie der Prophet Jesaja gesagt hat. Denn diesen Satz aus dem Jesajabuch kannten die Ju- den. Er war ihnen sogar sehr vertraut. Wer diesen Satz sagte, der war der Vorläufer des kommenden Messias, sozusagen, der Herold, der sein baldiges Kommen ankündigt- zumindest gab er sich als solcher aus. Allerdings dürfen wir annehmen, dass die Frager Johannes diese Auskunft nicht abgenommen ha- ben: Dieser Mann sollte der Wegbereiter des Christus sein!? Zu deutlich sprach schon sein Äußeres dagegen, dass er ein so bedeutender Mensch sein könnte. Kleider machen Leute! Und er trug ja nur einen schäbigen Mantel aus Kamelhaaren und sicher sah er als ein Einsiedler aus der Wüste, der sich von Heuschrecken und wildem Honig ernährte (Mt.3,4), nicht gerade so aus, dass man ihn und seine Botschaft ernst genommen hätte. - Aber warum kommt der Vorbote des Christus in Lumpen daher? Warum schickt Gott einen so erbärmlichen Vorläufer, der den Messias ankündigen soll, den wir Christen in dem, der nach ihm kommt, doch erkennen? Hätte es nicht ein wenig mehr Glanz, ein bisschen bessere Kleidung, ein ansprechendes Äußeres bei Johannes sein dürfen? Liebe Gemeinde, ich glaube, hier fängt etwas an - oder besser: hier setzt sich etwas fort, was die ganze Bibel durchzieht wie ein roter Faden! Dieses Etwas haben viele Juden damals und viele Christen bis heute nicht richtig verstanden. Und es ist wohl auch schwer zu verstehen. Ich will die- ses Etwas jetzt an einigen Punkten entlang der Bibel beschreiben und danach deutlich ansprechen: Schauen wir zuerst ins Alte Testament: Als Gott sein Volk aus Ägypten befreien wollte, hat er sich keine erprobte Führernatur ausgesucht, um die Israeliten ins gelobte Land zu bringen, sondern Mo- se, einen eher schwachen Menschen, der von sich sagt: Ich kann nicht reden. (2.Mos.4,10) Als Samuel im Auftrag Gottes einen Nachfolger für Saul zum König salben soll, lässt Isai seine sie- ben Söhne vor Samuel treten. Aber auf keinen von ihnen fällt Gottes Wahl. „Hast du nur diese sie- ben Söhne“, fragt Samuel. „Nein“, antwortet Isai, „es gibt noch einen, der hütet draußen auf dem Feld die Schafe.“ An den hat der Vater überhaupt nicht gedacht! Dann aber wird der kleine David geholt, der jüngste von allen - und ausgerechnet er soll König von Israel werden! (1.Sam.16,11f) Im Neuen Testament geht es so weiter: In Bethlehem, einer ganz kleinen Stadt in Juda, wird Jesus geboren. Die Eltern sind ganz arme Leute. In einem Stall kommt Gottes Kind zur Welt. Eine Futter- krippe ist sein Bettchen. Hirten, die Ärmstem der Armen damals und Sterndeuter, von allen verach- tete Leute, sind die ersten Gäste. Wenn wir noch nach Jesus schauen, wie er sich später immer wieder besonders um die Armen ge- kümmert hat, mit den Ausgestoßenen der Gesellschaft zu tun hatte, mit den Kranken, den Behinder- ten, den Schwachen, den Dirnen und den Zöllnern, dann wird deutlich, dass es auch Jesus nicht an- ders gehalten hat, als sein und unser himmlischer Vater. Schließlich haben auch Jesu Jünger nicht gerade zur gesellschaftlichen Oberschicht gehört: Fischer, einfache Handwerker, ehemalige Zöllner und - wenn wir an Judas und Petrus denken - sehr schwache Menschen, die sogar zu Verrat und Verleugnung ihres Herrn fähig waren. Und in diese Reihe passt eben auch Johannes, der Mann aus der Wüste mit dem verfilzten Haar und den Lumpen am Leib. Und wir wollen das, was uns in der Bibel immer wieder begegnet, jetzt mit „Gottes Hang zum Einfachen und Geringen“ benennen. Liebe Gemeinde, unser Gott ist ein Gott, der die Schwachen liebt, die Menschen, die nicht meinen, sie wären aus sich selbst reich, stark und damit besser oder würdiger als andere. Gott sucht sich zu- erst die Kleinen aus, die Unsicheren, die nicht auf die anderen herunterschauen, sondern wissen, dass sie ohne seine Kraft und Hilfe, nichts tun können. Denn darum geht es: Gott will Menschen be- rufen, die sich nicht zuerst auf sich, sondern auf ihn verlassen, die von ihm alles erwarten und auf ihn allein hoffen, die wissen, ohne ihn können sie nichts tun, nichts wirklich Gutes jedenfalls. Vielleicht fällt uns dabei noch einmal das Wort ein, das die Losung für dieses Jahr 2012 war und noch ist: „Jesus Christus spricht: Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“ (2.Kor.12,9) Denn auch die Predigt Jesu ist durchzogen von dieser Liebe Gottes zum Geringen und zu denen, die selbst nichts vermögen. Er aber, Gott, macht diese Menschen stark, lässt sie erreichen, was er will und gibt ihnen, was sie allein niemals gewinnen könnten: Das Vertrauen zu ihm, den Glauben an ihn. Aber wie gesagt: Dieser Hang Gottes zum Einfachen und Geringen, diese Liebe Gottes zu den Schwachen, den Menschen am Rande, den Hilflosen und Außenseitern ist nicht für jeden zu begrei- fen. Johannes in seinem ärmlichen Gewand, der als Ausweis eigentlich nur ein Jesaja-Wort hatte, Stimme eines Predigers zu sein, der den Weg für den Herrn bereiten sollte, konnte nicht überzeu- gen. Ein Bote Gottes, ein Herold des Herrn, der für die Frager damals glaubhaft gewesen wäre, hätte kostbar gekleidet sein müssen und nicht so verfilzte Haare haben dürfen... Dabei hat er doch den Herrn aller Herren angekündigt, wie wir glauben und wissen. Und er war doch von Gott selbst dazu auserwählt, der Vorläufer und Täufer Jesu Christi zu sein! Aber sie haben auf seine Kleider und sein Äußeres gesehen und ihm nicht geglaubt: So konnte, so durfte der Wegbereiter des Messias nicht aussehen. So nicht! Was ich jetzt sage, ist ein wenig heikel. Aber wenn wir Gottes Liebe zum Schwachen und Geringen für uns erst nehmen und in unser Leben übersetzen und in unseren Glauben aufnehmen wollen, dann müssten wir vielleicht manches neu und anders beurteilen: Wie gern lassen auch wir uns doch durch das Äußere eines Menschen blenden! Dabei hat uns z.B. der Banker im Nadelstreifenanzug nicht viel mehr zu sagen, dass es wichtig ist, Geld zu haben und möglichst viel Gewinn aus allem zu ziehen. Die ärmlich gekleidete Rentnerin, die sich gerade so über Wasser halten kann, hat uns da etwas anderes, wichtigeres mitzuteilen: „Ich kann mir nicht viel leisten, aber immer wieder erlebe ich die Hilfe Gottes und die anderer Menschen! Wenn ich gedacht habe, diesen Monat schaffe ich es nicht mehr, dann ging es noch immer weiter! Ich bin ganz sicher, dass Gott mir diese Hilfe schickt, weil er mich nicht vergisst und die Herzen der Menschen bewegt!“ Sie fragen, was daran „heikel“ ist? Nun, dass ich von einem Banker und einer armen Rentnerin spreche und dass dabei wie von selbst die Frage entsteht: Kann denn ein Banker nicht auch nah am Herzen Gottes sein? Liebe Gemeinde, gewiss kann er! Aber eine Voraussetzung muss er schon da- für schaffen: Er muss dieses Denken ablegen, das etwa in seinen Kreisen wie das Evangelium ge- achtet ist: Geld und Gewinn ist alles! Er muss wie die arme Rentnerin begreifen, dass die wirkli- chen Werte, das wahre Leben in der Nähe Gottes, nichts mit unserem Einkommen, Vermögen und Besitz zu tun haben, sondern uns aus der Kraft und Liebe Gottes geschenkt werden. Und das zu be- greifen, wird für einen Banker nicht einfach sein - und auch für andere, die Gott Mammon huldigen. Wir wollen uns heute nicht durch das wenig ansprechende Äußere des Johannes beirren lassen. Er ist der Vorläufer des Herrn. Er will den Weg Jesu Christi bereiten - damals wie heute - mitten in un- ser Herz. Hören wir auf ihn, wenn er sagt: „Ich bin eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Eb- net den Weg des Herrn!“ Und bereiten wir ihm den Weg, dass er bei uns ankommen kann. AMEN