Predigt zum 21. Sonntag nach Trinitatis - 28.10.2012 Textlesung: Jer. 29,1.4-7.10-14 Dies sind die Worte des Briefes, den der Prophet Jeremia von Jerusalem sandte an den Rest der Äl- testen, die weggeführt waren, an die Priester und Propheten und an das ganze Volk, das Nebukad- nezar von Jerusalem nach Babel weggeführt hatte: So spricht der HERR Zebaoth, der Gott Israels, zu den Weggeführten, die ich von Jerusalem nach Babel habe wegführen lassen: Baut Häuser und wohnt darin; pflanzt Gärten und esst ihre Früchte; nehmt euch Frauen und zeugt Söhne und Töchter, nehmt für eure Söhne Frauen und gebt eure Töchter Männern, dass sie Söhne und Töchter gebären; mehrt euch dort, dass ihr nicht weniger werdet. Suchet der Stadt Bestes, dahin ich euch habe wegführen lassen, und betet für sie zum HERRN; denn wenn's ihr wohlgeht, so geht's auch euch wohl. Denn so spricht der HERR: Wenn für Babel siebzig Jahre voll sind, so will ich euch heimsuchen und will mein gnädiges Wort an euch erfüllen, dass ich euch wieder an diesen Ort bringe. Denn ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der HERR: Gedanken des Frie- dens und nicht des Leides, dass ich euch gebe das Ende, des ihr wartet. Und ihr werdet mich anrufen und hingehen und mich bitten und ich will euch erhören. Ihr werdet mich suchen und finden; denn wenn ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet, so will ich mich von euch finden lassen, spricht der HERR, und will eure Gefangenschaft wenden und euch sammeln aus allen Völkern und von allen Orten, wohin ich euch verstoßen habe, spricht der HERR, und will euch wieder an diesen Ort bringen, von wo ich euch habe wegführen lassen. Liebe Gemeinde! Wir spüren es deutlich: Es geht auf das Ende des Kirchenjahres zu. Es sind die ernsteren Texte und Themen der Bibel dran: Verbannung, Gefangenschaft, Leid und Tod. Wir schreiben das Jahr 594 vor Christus. Der Prophet Jeremia verfasst in Jerusalem einen Brief an den Rest des Volkes Israel, seiner Priester und Ältesten, die aus ihrer Heimat weggeführt wurden und jetzt als Verbannte in Ba- bylon leben müssen. Er will sie trösten, ihnen Mut machen und die Verheißung Gottes weitersagen: „Ich will euch gnädig sein, eure Gefangenschaft wenden und euch wieder nach Hause führen - wenn die Zeit da ist.“ Und er sagt ihnen, wie sie sich in der Fremde verhalten sollen, dass sie die Jahre bis zum Ende ihrer Gefangenschaft gut überstehen und nicht untergehen. - Ein guter Brief! Mit beherzigenswerten Vorschlägen. Aber was soll uns das - über 2600 Jahre später? Wir wollen den Brief des Propheten einmal so lesen, als wäre er an uns geschrieben. Was der Zeit des Jeremia entspricht und nur in ihr verständlich ist, wollen wir so übertragen, dass es in die Welt unserer Tage passt. Wir wollen dem Brief aber nicht seinen Ernst nehmen, vielmehr soll deutlich werden, dass es in ihm auch um Schuld geht, um Gefangenschaft und um Strafe. Aber wir wollen auch die Worte der Hoffnung hören, die uns Mut machen wollen und Zuversicht, dass Leid, Gefan- genschaft und Tod einmal vergehen werden. Wir wollen sehen, ob uns ein Brief des Propheten Jeremia, wie er an uns geschrieben sein könnte, das darin enthaltene Wort Gottes näher bringt und ob er auch für uns heute eine Botschaft hat, auf die wir hören können. Wir gehen dazu diesem Brief an uns Abschnitt für Abschnitt entlang. Das hört sich dann so an: Dies sind die Worte des Briefes, den der Prophet Jeremia an uns hier in der Kirchengemeinde von ................ sendet, an die Ältesten (Presbyter, Kirchenvorsteher?), den Pfarrer und an alle Glieder der Gemeinde, die in einer Gesellschaft und einer Welt leben müssen, die ihnen häufig fremd sind und deren Lebensweise und Werte sie oft nicht verstehen und nicht mit ihrem Glauben vereinbaren können. - Liebe Gemeinde, ist es nicht so? Fragen wir uns nicht, warum in unserer Welt die einen hungern müssen, während die anderen im Überfluss leben und nicht wissen, was sie mit ihrem Geld noch an sinnlosem Zeug kaufen sollen? Und können wir das verstehen, warum in unserem Land die Erlaubnis zum Bau von Moscheen erteilt wird, aber in muslimischen Ländern die Errichtung einer christlichen Kirche undenkbar ist, ja, schon ein solches Vorhaben als todeswürdiges Verbrechen gilt? Und meinen wir nicht oft, wir wären eigentlich die Dummen, wenn wir immer wieder versu- chen, nach unserem Glauben, eben christlich zu handeln, wenn wir dann erleben müssen, dass ande- re ganz ohne Skrupel nur ihren eigenen Vorteil wahrnehmen. - Aber hören wir weiter: So spricht der HERR, euer Gott, zu euch, denen ich das Leben in dieser Welt, die nur auf Zeit eure Heimat ist, geschenkt habe: Baut Häuser und wohnt darin; geht eurer Arbeit nach und genießt de- ren Früchte. Ihr Männer nehmt euch Frauen, ihr Frauen nehmt Männer und bekommt Söhne und Töchter. Auch eure Söhne sollen Frauen nehmen und eure Töchter Männer, dass sie auch wieder Söhne und Töchter haben; mehrt euch in dieser Welt, dass ihr nicht weniger werdet. - Es ist Gottes Wille - auch wo wir ihn nicht verstehen - dass wir in dieser Welt leben sollen. Es ist kein göttliches Versehen, dass es auch viel Böses gibt, dass Menschen ganz anders glauben als wir, dass wir unter- schiedliche Sprachen haben, Gesellschaftssysteme und eine eigene Prägung durch unsere Geschich- te. Vor allem ist es kein Irrtum gewesen, wenn Gott uns als freie Menschen geschaffen hat mit der Möglichkeit zu entscheiden, mit der Wahl zwischen Gut und Böse. Aber das Leben jedes Einzelnen, auch unser persönliches Leben!, kann mithelfen, dass unser Glaube, unsere christlichen Werte in der Gesellschaft gesehen und wahrgenommen werden. Dass sie Einfluss gewinnen und den Willen unseres Gottes und seiner Sache bekannt machen. Auch das Wunder, dass aus uns Kinder und Enkel kommen, soll dem dienen. Durch die Erziehung, die wir unseren Nachkommen angedeihen lassen, kann auch der Einfluss unseres Glaubens in der Welt größer werden. Darum sollen wir alles, was uns wert und heilig ist, an unsere Kinder und Kindeskinder weitergeben. Suchet das Beste für die Menschen in eurer Umgebung, in allen Bezügen und Beziehungen in denen ihr lebt, denn ich habe euch euren Platz genau dort gegeben. Betet für eure Mitmenschen; denn wenn es ihnen wohlgeht, so geht's auch euch wohl. - Wir sollen uns nicht anpassen, nicht so werden wie die anderen, die oft ohne Maßstab, Richtung und Ziel ihre Tage verbringen. Halten wir fest, woran wir glauben! Geben wir nicht leichtfertig auf, was an unserer christlichen Überzeugung in unserer Welt und Gesellschaft Anstoß erregt und Ärgernis. Sagen wir die Wahrheit, auch wo die Menschen sie nicht hören wollen. Meiden wir die Lüge, auch wenn sie uns Unannehmlichkeiten erspart. Wir stehen dort, wohin Gott uns gestellt hat. Es ist genau unser Platz, an dem wir leben sollen. Lassen wir uns nicht von dem abbringen, was unser Halt ist. Lassen wir uns die Mitte nicht nehmen, wir verlieren uns sonst selber. Wenn wir unsere Mitmenschen auch nicht von dem überzeugen können, was uns im Innersten trägt, so können wir doch für sie beten! Und das sollen wir tun. Und wir wollen es auch tun. So wird unser Leben (noch) nicht von stetem Glück erfüllt sein, aber erträglich. - So geht der Brief an uns weiter: Wenn eure Zeit in dieser oft fremden Welt um ist, dann will ich mein gnädiges Wort an euch erfüllen und euch in eine Heimat führen, in der ihr wirklich zu Hause sein könnt. - Vergessen wir es nie: Uns ist mehr verheißen als dieses Leben, in dem wir heute sind. Um Jesu Christi Willen wartet eine Herrlichkeit auf uns, von der wir heute nur träumen können: Das Land ohne Tränen, ohne Leid, ohne Sorgen, ohne Krankheit, ohne Not und Tod. Einer des anderen Bruder und Schwester, einer unser aller Vater ... ewig ... ohne Ende. Denn ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der HERR: Gedanken des Frie- dens und nicht des Leides. Dort wo ihr meint, alles wäre zu Ende, geht es weiter in der Ewigkeit meiner neuen Welt. - Alle Schuld wird vergeben sein. Einer, Jesus Christus, hat sie für uns ans Kreuz getragen und abgetan. Gottes Verheißung für uns ist das Leben, nicht der Tod. Wo wir vom Ende sprechen, beginnt unser Leben in Gottes Reich. Wenn ihr nicht ablasst, alle eure Bitten im Gebet vor mich zu bringen, dann will ich euch erhören. Wenn ihr mich von Herzen sucht, dann werdet ihr mich finden, spricht der HERR. Ich werde, wenn die Zeit da ist, eure Gefangenschaft in dieser Welt beenden und meine Menschenkinder sammeln aus allen Völkern und von allen Orten, wohin sie das Schicksal zerstreut hat, spricht der HERR, und will euch nach Hause bringen, dorthin, von wo ich euch einmal ausgesandt habe. - Wir wollen unser Leben, das uns Gott bestimmt hat, aushalten, auch dort wo es schwer ist. Wir wollen immer wieder die Hände falten und Gott sagen, was uns bedrückt uns quält. Wir wollen ihm aber auch danken, wenn er uns mit guten Gaben beschenkt und wir Freude erfahren. So werden wir auch schon in diesem Leben Gottes Nähe spüren und unter seinem Segen sein. Und einmal wird für uns der Morgen des Tages anbrechen, der keinen Abend mehr hat. Wir werden frei sein von allem, was uns hier noch beschwert. Und wir werden daheim sein dort, wo wir das wirkliche, das wahre Leben haben. Und alle Geschwister, alle Kinder des einen Vaters werden bei uns sein und keiner von uns wird mehr an die Zeit in dieser Welt denken, denn sie ist - für uns - für immer vergangen. AMEN