Predigt zum Erntedankfest - 7.10.2012 Textlesung: 1. Tim. 4, 4 - 5 Denn alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, was mit Danksagung emp- fangen wird; denn es wird geheiligt durch das Wort Gottes und Gebet. Liebe Gemeinde am Erntedanktag (-fest)! Selten war ein Predigttext kürzer als dieser! Da kann die Predigt ja auch einmal kurz sein. Anderer- seits wird in diesen zwei Versen etwas angesprochen, was für uns Christen sehr wichtig ist - gerade am Erntedanktag, aber auch rings ums Jahr! Können wir es dabei „kurz machen“? - Wir wollen se- hen. Jedenfalls ist jetzt genug Zeit, noch einmal auf die zwei Verse aus dem 1. Brief des Paulus an Timotheus zu hören: „Denn alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, was mit Danksagung emp- fangen wird; denn es wird geheiligt durch das Wort Gottes und Gebet.“ Ich musste an das beliebte Beispiel denken, das immer wieder angesprochen wird, wenn wir klar machen wollen, dass es darauf ankommt, wie wir etwas einsetzen und benutzen - die Sache mit dem Skalpell: In der Hand eines Menschen, der einem anderen Böses will, kann ein Skalpell Leben ver- nichten, in der Hand eines Chirurgen aber rettet es Leben. Das ist sehr einleuchtend. Ähnlich hat es wohl Paulus gesehen im Blick auf die Dinge, die wir als unsere Speise aus Gottes Hand nehmen und die wir dann essen oder nicht essen, die wir für rein oder unrein halten oder die wir, wie es hier heißt, für verwerflich ansehen - für sich genommen, bleiben die Speisen dieselben, auch wenn wir sie ganz unterschiedlich aufnehmen. Das war der Hintergrund der zwei Verse aus dem 1. Brief des Paulus an Timotheus, der die Chris- tengemeinde in Ephesus leitete: Es gab dort offenbar Gemeindeglieder, die sagten: Diese oder jene Speise ist unrein, ein Christ darf sie nicht essen! Und sie sagten auch: Diese oder jene Gabe Gottes ist nicht gut, ein Christ soll sie meiden. Sie gingen so weit, dass sie meinten, dieser oder jener Brauch dürfe nicht mehr geübt werden, sogar zu heiraten war in ihren Augen nicht richtig. Dagegen wendet sich Paulus. Und hier trifft das Beispiel vom Skalpell, das an sich weder gut noch böse ist und nur dadurch „schlecht“ oder „böse“ wird, dass ein Mensch es für schlechte, böse Taten einsetzt. Für Paulus ist alles gut, was von Gott kommt - und für ihn ist Gott der Geber aller Gaben! Alles kommt darauf an, wie wir die Gaben Gottes empfangen, mit „Danksagung“ nämlich oder wie wir das vielleicht ausdrücken würden: mit Dankbarkeit! Und da greift das Beispiel vom Skalpell zu kurz, denn wir denken dabei sicher nicht zuerst daran, dass auch solch ein chirurgisches Instrument aus Gottes Hand kommt! Das zu sehen und zu erkennen fällt uns bei anderen Gaben, etwa denen unserer Felder und Gärten gewiss leichter. - Und da sind wir jetzt bei uns, bei den Erntegaben und dabei, wie wir sie aufnehmen. Und wir sind bei der Frage: Sind wir dankbar dafür, ehrlich dankbar - und kommt es wohl auch zur Dank-sagung? Da gibt es jetzt sicher einige unter uns, die würden antworten: „Auf jeden Fall bin ich dankbar, dass auf den Feldern und in den Gärten wieder etwas gewachsen ist in diesem Jahr!“ - Ich will das nicht anzweifeln. Andererseits aber weiß ich - auch von mir selbst! - wie selbstverständlich uns das doch in unserem, vom Klimawandel bis heute weitgehend verschonten, Land immer noch ist. Wenn wir ehrlich sind, hat uns das doch nicht gerade überwältigt, dass wir wieder eine gute Ernte hatten. Und von einem „Wunder“ würden wir in diesem Zusammenhang ganz sicher nicht sprechen. Wie ganz anders sieht das doch aus, wenn wir etwa ans Horn von Afrika schauen, wo der Regen seit Monaten ausgeblieben ist oder ins nordindische Assam, wo eine Flutkatastrophe die Reisfelder und damit die Lebensgrundlage zerstört hat. Dort, in Somalia oder im Südsudan, würde ein Regenschauer und in Assam ein von der Flut verschontes Reisfeld ganz gewiss als Wunder angesehen werden. Auch die größte Dürre seit 50 Jahren, wie sie in diesem Sommer Nordamerika heimgesucht hat, kann uns neu deutlich machen, dass auch in westlichen Ländern mit hochtechnisierter Landwirtschaft der Ertrag auf den Feldern nicht selbstverständlich ist und nicht von uns Menschen „gemacht“ werden kann. - Ich glaube jedenfalls, es täte uns gut, wieder einmal über den Rand des bei uns so gut gefüllten Tel- lers hinaus dorthin zu blicken, wo die Ernten spärlich oder ganz ausgefallen sind und wo jetzt wirt- schaftliche Not, Hunger und Verrzweiflung herrschen. Da bekäme unsere Dankbarkeit eine ganz andere Tiefe! Da gibt es heute aber auch die anderen (unter uns), ich meine jene, die wirklich auf den Feldern oder in der Viehwirtschaft unsere Nahrungsmittel produzieren, die würden bei den Gaben der Ernte zuerst einmal an die menschliche Arbeit denken, die sie erst ermöglicht hat, an die eigene Mühe, die sie sich in diesem Jahr gemacht haben, die dann auch den angemessenen Erfolg hervorgebracht hat. Ich will das beileibe nicht in Frage stellen oder schmälern. Ohne diesen persönlichen Einsatz und manchmal eine wirklich unsägliche Mühe könnten die Landwirte nicht so viel produzieren, dass wir alle satt werden. Aber ich glaube, auch dieses eigentlich richtige Denken, vergisst leicht zwei Dinge, die außer dem persönlichen Einsatz wichtig sind. Zuerst das, was wir eben schon besprochen haben: die klimatischen Voraussetzungen für das Wachstum der Feldfrüchte, das Wetter und dass eben die Sonne ausreichend scheint und der Regen zur rechten Zeit die Äcker befeuchtet und dass keine Dürre und keine Überschwemmungen auftreten, die den Ertrag zunichte machen. Aber ein zweites wird oft auch zu wenig gesehen und gewürdigt: Dass man täglich neu die Kraft bekommt, die Arbeit zu leisten, die der Bauer auf den Feldern und bei vielen anderen Tätigkeiten hat. Bei der oft immer noch schweren körperlichen Arbeit, die in der Landwirtschaft getan werden muss, ist es nun wirklich nicht selbstverständlich, dass man diese Kraft immer wieder - und gerade wenn man schon älter ist - aufbringen kann. Und mindestens die älteren Menschen, die landwirt- schaftlich arbeiten, werden mir recht geben, wenn ich sage: Diese Kraft können wir genauso wenig wie das Wetter „machen“. Sie ist und bleibt ein Geschenk Gottes, das uns zuwächst. Und wenn wir dieses Geschenk nicht bekommen, dann können wir nichts tun. - Darum meine ich, auch hier würde es uns wohl anstehen, wieder einmal wahrzunehmen, wie sehr all unsere Mühe doch auch „von oben“ unterstützt wird. Und auch im Blick auf unsere Gesundheit und Schaffenskraft wäre gewiss große Dankbarkeit angebracht! Nun geht Paulus in seinem Brief an Timotheus aber noch weiter: Nicht nur um mehr Dankbarkeit geht es, nein, um Dank-sagung. Hierzu fiel mir ein kleines Zwiegespräch ein, von dem ich einmal gelesen habe, das den Unterschied vielleicht gut verdeutlichen kann: Da fragt eine Frau in den mitt- leren Jahren ihren Mann: „Mal ehrlich, liebst du mich eigentlich noch?“ Und er antwortet: „Wir sind jetzt 22 Jahre verheiratet, ich habe immer versucht, dir ein guter Mann zu sein, ich bin dir immer treu gewesen und habe nie nach anderen Frauen geschaut - und du fragst, ob ich dich noch lie- be?“ Darauf sagt die Frau: „Aber du hast es mir so lange nicht gesagt!“ Liebe Gemeinde, es ist etwas anderes, Dank zu empfinden und Dank auszusprechen - oder wie es hier heißt: von diesem Dank zu sagen! Und ich bin ganz fest davon überzeugt, dass unser Gott, den wir doch Vater nennen, darauf wartet, dass wir ihm von Zeit zu Zeit auch von diesem Dank reden! Aber dieser ausgesprochene Dank macht nicht nur Gott Freude, er verwandelt auch die Gaben selbst, für die wir uns bedanken. Wenn wir uns wieder bewusst machen, dass alle Gaben und auch die Gaben der Ernte uns nicht aus dem eigenen Vermögen, sondern aus Gottes Güte zugewachsen sind, dann erhalten sie einen ganz anderen, viel größeren Wert! Paulus hätte vielleicht gesagt: Die Gaben werden durch unseren im Gebet ausgesprochenen Dank erst recht gewürdigt. Es ist gewiss nicht mehr so sehr unser Problem, ob das, was wir essen, rein ist oder unrein, gut oder verwerflich. Darum ging es damals in der Gemeinde in Ephesus. Aber für uns geht es ganz sicher um die Wertschätzung, die wir den Gaben Gottes entgegenbringen. Und die drücken wir am besten dadurch aus, dass wir uns immer wieder in Erinnerung rufen, dass alles, was wir genießen dürfen und alles, was wir haben und besitzen, von Gott kommt. In unserer Dankbarkeit nehmen wir das wahr. In unserer Danksagung sprechen wir das aus. Ich wünsche uns, dass wir - nicht nur an diesem Erntedankfest, sondern an jedem Tag - nicht ver- gessen, dass alle guten Gaben, auch alle Kraft und unsere Gesundheit aus den gütigen Händen Got- tes kommen. Ich wünsche uns die rechte Dankbarkeit dazu und die Zeit, diesen Dank auch täglich vor Gott auszusprechen. Denn alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, was mit Danksagung empfangen wird; denn es wird geheiligt durch das Wort Gottes und Gebet. AMEN