Predigt zum 11. Sonnt. nach Trinitatis - 19.8.2012 Textlesung: Gal. 2, 16 - 21 Doch weil wir wissen, dass der Mensch durch Werke des Gesetzes nicht gerecht wird, sondern durch den Glauben an Jesus Christus, sind auch wir zum Glauben an Christus Jesus gekommen, damit wir gerecht werden durch den Glauben an Christus und nicht durch Werke des Gesetzes; denn durch Werke des Gesetzes wird kein Mensch gerecht. Sollten wir aber, die wir durch Christus gerecht zu werden suchen, auch selbst als Sünder befunden werden - ist dann Christus ein Diener der Sünde? Das sei ferne! Denn wenn ich das, was ich abgebrochen habe, wieder aufbaue, dann mache ich mich selbst zu einem Übertreter. Denn ich bin durchs Gesetz dem Gesetz gestorben, da- mit ich Gott lebe. Ich bin mit Christus gekreuzigt. Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir. Denn was ich jetzt lebe im Fleisch, das lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt hat und sich selbst für mich dahingegeben. Ich werfe nicht weg die Gnade Gottes; denn wenn die Gerechtigkeit durch das Gesetz kommt, so ist Christus vergeblich gestorben. Liebe Gemeinde! Wenn Sie eben sehr genau hingehört haben, dann ist Ihnen das vielleicht aufgefallen: Paulus scheint hier Gedanken oder Ereignisse aufzunehmen, von denen in den Versen vor dem Predigttext die Re- de war. Sonst würde er sicher nicht mit: „Doch weil wir wissen...“ beginnen. Und wirklich: Dieses „Doch“ nimmt einen Vorfall auf, den Paulus bei einem Besuch von Petrus und Jakobus in Anti- ochia erlebt hat. Ich will diesen Vorfall kurz beschreiben: In Antiochia waren Juden- und Heidenchristen zusammengetroffen, also solche Christen, die, bevor sie sich zu Christus bekehrt hatten, Juden und solche die Heiden gewesen waren. Paulus feierte als Missionar der heidnischen Welt ganz selbstverständlich das Abendmahl mit den Heidenchristen. Auch Petrus tat das zunächst - als Jakobus noch nicht in Antiochia angekommen war. Dann aber traf Jakobus ein. Aber er konnte sich offenbar nicht dazu durchringen, mit den Heidenchristen Mahlgemeinschaft zu haben. Und Petrus? Der wollte auf einmal auch nicht mehr mit den ehemaligen Heiden das Mahl des Herrn halten, was nicht nur die Heidenchristen betrübt, sondern auch Paulus sehr verärgert hat. Und er konnte darüber nicht schweigen, vielmehr wurde er ziemlich zornig über Petrus und Jakobus, die er sogar als „Heuchler“ bezeichnet. An dieser Stelle setzt der Predigttext ein, den wir vorhin gehört haben und den wir jetzt sicher besser verstehen: „Doch weil wir wissen, dass der Mensch durch Werke des Gesetzes nicht gerecht wird, sondern durch den Glauben an Jesus Christus, sind auch wir zum Glauben an Christus Jesus gekommen, damit wir gerecht werden durch den Glauben an Christus und nicht durch Werke des Gesetzes; denn durch Werke des Gesetzes wird kein Mensch gerecht.“ Vielleicht empfinden wir das Verhalten von Petrus und Jakobus jetzt auch mit Paulus als ziemlich unmöglich: Wie können Christen denn auf der einen Seite sagen, sie verließen sich im Leben und im Sterben nur auf den Glauben an Jesus Christus und nicht auf die Werke des Gesetzes, auf der anderen Seite aber beharren sie doch darauf, dass sie als ehemalige Juden nicht mit Heidenchristen an einem Abendmahlstisch zusammensitzen können, weil das gegen die Speisevorschriften des jü- dischen Gesetzes verstieß!? Noch deutlicher äußert sich der Zorn des Paulus aber in diesem Satz: „Denn wenn ich das, was ich abgebrochen habe, wieder aufbaue, dann mache ich mich selbst zu einem Übertreter.“ Mit anderen Worten und für die beiden Apostel Petrus und Jakobus gesprochen, heißt das: Ihr glaubt doch daran, dass unser Herr für euch und alle Menschen ans Kreuz gegangen ist, um uns ein für alle Mal vom Gesetz zu erlösen! Ihr vertraut doch darauf, dass uns nur Jesu Lei- den und Sterben vor Gott recht und gerecht macht! Wie könnt ihr dann verweigern, mit Christen, die denselben Glauben haben wie ihr, das Abendmahl zu feiern? Fallt ihr damit nicht wieder zurück in die Zeit, als ihr noch keine Christen wart? Und verfehlt ihr euch damit nicht an den heidenchrist- lichen Schwestern und Brüdern - und an eurem Glauben an den Herrn Jesus Christus? Liebe Gemeinde, es wäre jetzt sicher zu wenig, wenn wir von dieser Geschichte um die verweigerte Mahlgemeinschaft mit den Heidenchristen durch Petrus und Jakobus nur mitnehmen würden, dass auch zwei Apostel, zwei Vertraute Jesu sich so unmöglich, ja, im wahrsten Sinne unchristlich, ver- halten haben. Die Texte und Geschichten des Neuen Testaments wollen auch immer uns etwas sa- gen und fragen, wie es denn mit dieser oder jener Sache bei uns steht. Hier wäre diese Frage viel- leicht: Fallen wir nicht auch immer wieder einmal zurück in Gedanken, Äußerungen oder ein Ver- halten, das zu uns als Menschen, die an Jesus Christus glauben, einfach nicht passen will? Und er- heben wir uns damit nicht auch oft über andere Christen, mit denen wir nichts zu tun haben wollen, weil wir sie für schlechtere Christen halten, als wir selbst es sind? Also mir fallen dazu einige Bei- spiele ein, aber ich spreche hier nur drei davon an und ich wähle solche, in denen wir uns gewiss al- le wiedererkennen können: Denken wir an die Abendmahlsfeier neulich, bei der einer aus unserer Kirchengemeinde teilge- nommen hat, von dem wir das nun wirklich nicht erwartet hätten. Haben wir uns nicht gewundert und bei uns gedacht: Was will der denn hier? Der hat doch sonst noch nie den Weg an den Tisch des Herrn gefunden! Und haben wir nicht so weitergedacht: Dabei hätte der es doch wohl besonders nötig! Bei dem Lebenswandel! - Da müssen wir uns jetzt doch fragen lassen: Warum haben wir uns denn nicht gefreut? Wenn es einer wirklich nötig hat und sich dann zum Abendmahl aufmacht - dann tut er doch genau das, wofür unser Herr in die Welt kam und wofür er - eben nicht nur für uns, sondern auch für den Menschen, über den wir uns gewundert haben - gelitten hat und gestorben ist! Jesus hätte uns dazu vielleicht dieses Wort gesagt: „Die Gesunden bedürfen des Arztes nicht, son- dern die Kranken.“ (Lk. 5,31) Oder dieses: „Ich bin gekommen, die Sünder zu rufen und nicht die Gerechten.“ (Mk. 2,17b) Erinnern wir uns jetzt auch daran, was wir immer wieder gern einmal sagen, wenn ein Mitmensch, der das nach unserer Meinung absolut nicht verdient, großes Glück hat: „Ausgerechnet dem passiert so etwas! Mir hätte das viel eher zugestanden! Aber die Welt ist nun einmal ungerecht und Gott...lässt seine Güte halt auch oft den Falschen zuteil werden!“ - Vielleicht wissen wir noch, was der Weinbergbesitzer im Gleichnis den Arbeitern ausrichtet, die sich über ihn aufgeregt haben, weil er denen, die nur eine Stunde gearbeitet haben, dasselbe gibt wie ihnen, die den ganzen Tag ge- schuftet haben: „Habe ich nicht Macht zu tun, was ich will, mit dem, was mein ist? Siehst du scheel drein, weil ich so gütig bin?“ (Mt. 20,15) Und hat er nicht Recht? Steht uns die Mitfreude nicht besser zu Gesicht als der Neid? Und woher wollen wir wissen, an welcher Stelle die Geschichte ist, die Gott mit diesem Menschen hat? Vielleicht hat dem, den wir der Gnade Gottes für unwürdig hal- ten, gerade dieses Glück, das er erfahren hat, den Weg zum Glauben an den gütigen Vater im Him- mel geebnet? Schließlich wollen wir noch ansprechen, wie deutlich wir oft mit unserem Verhalten, mit unseren Gesten oder unserer Miene zeigen, dass wir einen Mitmenschen nicht leiden können, ja, ihn verach- ten. Wenn wir etwa auf die andere Straßenseite gehen, wenn uns einer begegnet, den wir innerlich ablehnen. Wenn wir ihm den Gruß verweigern oder uns von ihm abwenden, wenn er in unsere Nähe kommt. Ach, es gibt ja so viele Möglichkeiten, einem Nächsten unsere Meinung über ihn zu vermit- teln - ganz ohne Worte: Ein kleines Augenbrauenheben - kein anderer hat es bemerkt. Ein böser Blick, der ihm sagt, was wir von ihm halten. Ein falsches Lächeln, das er nur durchschaut. - Wenn wir da an Jesus denken, wie er sogar auf die Zöllner und Sünder, die Dirnen und die Außenseiter zugegangen ist! Und wenn wir dann noch sehen, wie sich diese Menschen genau durch diese freundliche Zuwendung zum Guten verändern konnten! Das wäre eigentlich unser Vorbild im Um- gang auch mit schwierigen Menschen und solchen, die uns missfallen. Nein, alles das passt nicht zu Christen, die sich nicht auf ihre Werke, ihre vermeintlichen Verdienste und damit auf die Gerechtigkeit aus dem Gesetz verlassen. Das verträgt sich nicht mit dem Glauben, dass Jesus Christus allein unsere Gerechtigkeit vor Gott schafft, dass er allein der Grund ist, warum Gott uns annimmt und uns vergibt, was bei uns nicht gut war und nicht seinem Willen entspricht. Paulus drückt das hier so aus: „Denn ich bin durchs Gesetz dem Gesetz gestorben, damit ich Gott lebe. Ich bin mit Christus gekreuzigt. Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir.“ Liebe Gemeinde, wenn man das nur mehr an uns sehen könnte! Wenn man uns doch immer den Glauben abspüren könnte, dass wir von uns nicht höher denken als von jedem anderen Menschen! Dann hätten wir Paulus verstanden, wenn er sagt: „Wir werden gerecht durch den Glauben an Christus und nicht durch Werke des Gesetzes; denn durch Werke des Gesetzes wird kein Mensch gerecht.“ AMEN