Predigt zum Pfingstmontag - 28.5.2012 Textlesung: Eph. 4, 11 - 15 (16) Und er hat einige als Apostel eingesetzt, einige als Propheten, einige als Evangelisten, einige als Hirten und Lehrer, damit die Heiligen zugerüstet werden zum Werk des Dienstes. Dadurch soll der Leib Christi erbaut werden, bis wir alle hingelangen zur Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes, zum vollendeten Mann, zum vollen Maß der Fülle Christi, damit wir nicht mehr unmündig seien und uns von jedem Wind einer Lehre bewegen und umhertreiben lassen durch trügerisches Spiel der Menschen, mit dem sie uns arglistig verführen. Lasst uns aber wahrhaftig sein in der Liebe und wachsen in allen Stücken zu dem hin, der das Haupt ist, Christus, von dem aus der ganze Leib zusammengefügt ist und ein Glied am andern hängt durch alle Gelenke, wodurch jedes Glied das andere unterstützt nach dem Maß seiner Kraft und macht, dass der Leib wächst und sich selbst aufbaut in der Liebe. Liebe Gemeinde! Wissen Sie, wer die Heiligen sind, von denen hier gesprochen wird? - Nein, nicht Sankt Martin oder Christophorus, auch nicht Maria, die Mutter Jesu oder etwa Hildegard von Bingen, die erst vor kur- zem in den Heiligenstand erhoben wurde und überhaupt keine und keiner von den mehreren Hun- dert besonderen Menschen, die von der katholischen Kirche in die Schar der außergewöhnlich frommen und wundertätigen Christen aufgenommen worden sind. Die Heiligen, wie sie hier gen- annt werden, das sind Sie, liebes Gemeindeglied der ......................-gemeinde und mit Ihnen alle an- deren Christenmenschen auch, die der weltweiten Gemeinde Jesu Christi angehören. - Aber warum sind wir heilig? Im Unterschied zu den Frauen und Männern aus dem Heiligenkalender der katholischen Kirche hat das nichts mit unserem eigenen Streben oder unserer eigenen Vollkommenheit zu tun. Paulus würde dazu sagen: Heilig sind die Menschen aus Jesu Gemeinde, weil Gott sie gerufen hat. Ihre „Heiligkeit“ gründet in ihrer Verbindung mit Jesus Christus, in ihm und durch ihn sind wir „Ge- heiligte“. Das passt nun auch sehr gut zu dem, was wir hier lesen, dass nämlich Jesus selbst Apostel, Prophet- en, Evangelisten, Hirten und Lehrer eingesetzt hat, „damit die Heiligen zugerüstet werden zum Werk des Dienstes“, denn wie er uns selbstlos gedient hat mit seinem Leben und Sterben, so sollen auch die Glieder seiner Gemeinde einander dienen. Bis hierhin können wir das sicher alles unterschreiben. Wenn wir aber weiterlesen, was das „Werk des Dienstes“ fördert und wodurch es gefährdet sein soll, dann kommen uns gewiss Bedenken, ob das noch Worte sind, die uns meinen: „Dadurch soll der Leib Christi erbaut werden, bis wir alle hingelangen zur Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes, [...] damit wir nicht mehr unmündig seien und uns von jedem Wind einer Lehre bewegen und umhertreiben lassen durch trügerisches Spiel der Menschen, mit dem sie uns arglistig verführen.“ Ich glaube nicht, dass uns heutige Christen „jeder Wind einer Lehre bewegen“ kann. Da sind wir eher konservativ und halten es mit dem auch heute noch viel gehörten Spruch: „Wir bleiben bei dem, was wir gelernt haben!“ Es geht vielmehr um die Mündigkeit im Glauben, um die Festigkeit in dem, was wir als Wahrheit erkannt haben und um die Treue, mit der wir uns auch vor den Menschen dazu bekennen! Und da - bitte nehmen Sie mir das klare Wort nicht übel - da hapert es bei uns! Anders gesagt: Wir verhalten und oft nicht wie mündige Christinnen und Christen, wir sind nicht fest und standhaft bei dem, woran wir doch glauben und wir sind nicht treu, sodass wir auch öffentlich dazu stehen, was wir mit den Lippen bekennen. - Harte Worte, nicht wahr? Aber ich will sie auch belegen: Wenn einer von uns wissen will, wie wir in dieser oder jener religiösen Frage denken, also viel- leicht, ob wir an die Jungfrauengeburt glauben oder daran, dass Gott wirklich die Welt geschaffen hat, dann weichen wir gern einer persönlichen Antwort aus. Vielleicht haben wir in diesem Moment aber parat, was unser Pfarrer darüber neulich im Bibelkreis oder der Sonntagspredigt gesagt hat oder wir haben etwas darüber gelesen, was uns dann wieder einfällt und uns davor rettet, aus uns selbst etwas dazu zu sagen. - Aber ist das ein mündiges Verhalten? Wenn wir an die Auferstehung der Toten glauben - und das tun wir doch! - dann dürften wir nicht immer wieder, wenn uns der Tod einen lieben Menschen nimmt, nur von einem furchtbaren Schlag, einem Leid und großen Schmerz reden, die wir nie überwinden werden und die uns tief verletzt und erschüttert haben. Ist unser Glaube denn nicht durch Jesu Wort begründet: „Ich lebe und ihr sollt auch leben!“ (Jh.14,19) und durch noch so viele andere Worte unseres Herrn auch? Liegt also im Leid eines Abschieds nicht immer auch eine große, wunderbare Hoffnung, ja, sogar eine Freude? Der Mensch, der gestorben ist, ist doch nicht ins Nichts gefallen, vielmehr in Gottes Hände. Er ist heim-gegangen und jetzt am Ziel des Lebens, in der ewigen Heimat! Hätten wir also nicht auch Grund, uns zu freuen und dankbar zu sein? Und wenn wir glauben, dass Gott unser Vater ist und bleibt - auch dann, wenn es auf den dunklen Wegstrecken unseres Lebens einmal nicht so aussieht - warum stürzt uns dann schon ein kleines Unglück oder wenn unsere Vorhaben sich nicht verwirklichen lassen und unsere Pläne durchkreuzt werden in ärgste Zweifel, sodass wir allen Glauben und alle Hoffnung fahren lassen? Sprechen wir das Vaterunser denn nicht mit Bedacht und Überzeugung mit, in dem wir Gott unseren Vater nennen? Kennen wir nicht die Worte Jesu, in denen er uns Gott als seinen und unseren Vater vor- stellt, der uns über die Maßen liebt und immer das Beste für uns will und von dem er so spricht: „Euer Vater weiß, was ihr bedürft, bevor ihr ihn bittet.“ (Mt.6,8b) - Jedenfalls sind wir oft nicht fest und standhaft in den Dingen unseres Glaubens. Es ist fast so, als glaubten wir manches nur dann, wenn es uns - in guten Zeiten - zu glauben leicht fällt. Schließlich scheuen wir uns auch oft, über das, was wir glauben, öffentlich zu reden. „Zeugnis ablegen“ nennt das die Bibel. Aber das ist viel zu hochtrabend gesprochen. Schon über religiöse Dinge überhaupt zu reden, liegt uns nicht. Wenn solche Gespräche aufkommen, sagen wir gern: „Das ist Privatsache, das muss jeder selbst wissen und für sich entscheiden!“ Andererseits wissen wir genau, dass es nicht so ist! Wie wäre denn das Christentum zu uns gekommen, wenn die Apostel und Missionare aller Zeiten der Kirchengeschichte ihren Glauben an Jesus Christus für „privat“ erklärt und ihn nicht - oft unter großen Gefahren für Leib und Leben - öffentlich verbreitet hätten? Wie hätten unsere Kinder denn von Gott erfahren und das Beten gelernt, wenn wir nicht an ihrem Bett abends gebetet hätten? Was wüssten unsere jungen Leute und die Konfirmanden von der Bibel, von Gott und dem Glauben, wenn es nicht auch den öffentlichen Unterricht in der Schule und die Konfirmandenstunde in der Öffentlichkeit der Gemeinde gäbe? Liebe Gemeinde, wie soll das denn nun besser werden mit uns? Wie kommen wir voran auf dem Weg zur Mündigkeit, wie werden wir standhaft und fest in den Dingen des Glaubens und wie über- winden wir die Scheu, offen und öffentlich über das zu reden, woran wir glauben? Paulus gibt uns dazu diese Empfehlungen: „Lasst uns [...] wachsen in allen Stücken zu dem hin, der das Haupt ist, Christus, von dem aus der ganze Leib zusammengefügt ist, [...] wodurch jedes Glied das andere unterstützt nach dem Maß seiner Kraft...“ - „Wachsen zu Jesus Christus hin“ können wir nur, wenn wir nach ihm sehen und auf ihn hören. Er ist unser Vorbild und Maßstab. Wenn ich darüber nachdenke, wie man ihn als Vorbild und Maßstab nehmen kann, dann fällt mir immer die Frage ein, die den Teilnehmern eines Glaubensseminars einmal am Ende des Kurses in ihren Alltag mitgegeben wurde: „Was würde Jesus tun?“ Diese Frage sollten sie sich künftig immer wieder stel- len, wenn ihnen die Entscheidung an einem Kreuzweg ihres Lebens schwerfallen würde. Und das funktioniert wirklich! Es führt uns aus unseren eigenen Gedanken, Zweifeln und Ängsten hinaus und lässt uns Orientierung finden bei dem, der von sich gesagt hat: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben!“ (Jh.14.6) Und wenn wir uns ein wenig mit der Bibel und besonders mit den Ges- chichten um Jesus beschäftigen, dann finden wir immer eine Antwort auf die Frage, was er jetzt tun würde! Und ein Christ, der tut, was sein Herr tun würde, ist ein mündiger Christ! Die zweite Empfehlung des Paulus ist diese: „Jedes Glied unterstützt das andere nach dem Maß seiner Kraft!“ Es ist eine heute oft unterschätzte Hilfe für das eigene Glaubensleben, wenn wir uns gegenseitig in Glaubensdingen stützen. Es ist gut und wichtig, wenn wir miteinander über unsere Fragen sprechen, die wir an Gott und zu den Geschichten der Bibel haben, wenn wir uns anvertrau- en, was uns Schwierigkeiten bereitet und wie wir dieses oder jenes verstehen. Für diese Gespräche gibt es auch in unserer Gemeinde Angebote: ............................ Der Gottesdienst kann dabei immer wieder der Mittelpunkt unseres geistlichen Lebens in der Gemeinde werden. Hier bekommen wir Anregungen für unseren Gedankenaustausch, Ermutigung für unser Leben als Christinnen und Christen und Möglichkeiten zu lernen, frei und offen über unseren Glauben zu reden. Wo, wenn nicht in unserer Gemeinde, sollte für uns Christen der Ort sein, die Festigkeit und Treue im Glauben einzuüben? Wenn das, wie Paulus sagt, nach „dem Maß der Kraft“ jedes Einzelnen geschieht, dann wird keiner überfordert! Klar dabei ist aber, dass die Gelegenheiten für diese Übung nicht nur hie und da wahrgenommen werden müssen, sondern oft und regelmäßig. Sie werden sehen, es bereichert uns ungemein, wenn wir in den wirklich wesentlichen Dingen des Lebens - und zu denen gehört unser Glaube! - größere Mündigkeit und Standhaftigkeit gewinnen und die Scheu verlieren, über sie zu sprechen. AMEN