Predigt zu „Christi Himmelfahrt“ - 17.5.2012 Textlesung: Offb. 1, 4 - 8 Johannes an die sieben Gemeinden in der Provinz Asien: Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt, und von den sieben Geistern, die vor seinem Thron sind, und von Jesus Christus, welcher ist der treue Zeuge, der Erstgeborene von den Toten und Herr über die Könige auf Erden! Ihm, der uns liebt und uns erlöst hat von unsern Sünden mit sei- nem Blut und uns zu Königen und Priestern gemacht hat vor Gott, seinem Vater, ihm sei Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen. Siehe, er kommt mit den Wolken, und es werden ihn sehen alle Augen und alle, die ihn durchbohrt haben, und es werden wehklagen um seinetwillen alle Ge- schlechter der Erde. Ja, Amen. Ich bin das A und das O, spricht Gott der Herr, der da ist und der da war und der da kommt, der Allmächtige. Liebe Gemeinde! Ist Ihnen das aufgefallen? Wir hören hier eigentlich kein Wort von Christi Himmelfahrt. Man möchte fast sagen: Im Gegenteil, denn es geht sozusagen um Jesu Rückkehr aus dem Himmel, also seine Wiederkunft am Ende aller Tage. - Dabei feiern wir doch heute Christi Auffahrt in den Him- mel! Und irgendwie sind uns diese Verse doch auch inhaltlich sehr fremd. Nicht nur wegen der Bilder und der Symbole, die sie verwenden. Die kann man ja erklären! So sind die „sieben Geister“ wohl hohe Engel, die Gott dienen. Und A und O bedeuten den ersten und letzten Buchstaben des griechi- schen Alphabeths, also den Anfang und das Ende der Welt und der Geschichte. Wirklich fremd schwer nachzuvollziehen und zu begreifen ist aber die Erwartung, die diesen Versen zugrunde liegt, die Vorstellung, dass Christus einmal wiederkommen wird. Ich würde sogar sagen, dass uns dieses Denken und diese Vorstellung in unseren Tagen noch immer fremder werden! Und diese Fremdheit teilt die Aussicht auf die Wiederkunft Christi mit der Geschichte von seiner Himmelfahrt! - Aber ich will nicht in Rätseln sprechen, sondern klar und deutlich: Für die Menschen kurz nach dem Tod und der Auferstehung Jesu war der Gedanke noch ziemlich vertraut, dass Jesus bald „mit den Wolken“ wiederkommen wird und ihn „alle Augen und alle, die ihn durchbohrt haben“ (- also die auf Golgatha dabeiwaren), sehen werden. Als Johannes die „Of- fenbarung“ schreibt, das war kurz vor dem Ende des ersten christlichen Jahrhunderts, ist es dann al- lerdings schon nicht mehr ganz so einfach, an der Erwartung festzuhalten, dass Jesus bald zum zweiten Mal kommen wird, zum Gericht und um die Welt ans Ende ihrer Geschichte zu bringen. Und im Laufe der Jahrhunderte seitdem wird diese Vorstellung dann immer schwieriger und sie ge- rät immer weiter aus der Mitte an den Rand der christlichen Hoffnung und des Glaubens der Men- schen, die nach Jesus Christus heißen. Und das ist so, auch wenn wir bis heute in unserem Glau- bensbekenntnis sprechen: „...von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten“. - Vielleicht achten Sie einmal darauf, welche Gedanken Sie haben, wenn sie diese Worte das nächste Mal mitsprechen! Aber ich glaube, sie werden dann spüren, dass auch Sie nicht wirklich erwarten, dass Jesu Kommen auf den Wolken in den nächsten Tagen oder auch nur bald geschehen wird. Von daher finde ich es sehr gut, dass die Verse des Johannes uns heute wieder einmal ins Gedächt- nis rufen - und das gleich viermal - dass noch etwas aussteht in unserer Geschichte mit Gott: „Gna- de sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war...und der da kommt!“ - „Siehe, er kommt mit den Wolken...“ - „Ich bin das A und das O...der da ist und der da war...und der da kommt!“ Liebe Gemeinde, warum ist es so wichtig, nicht zu vergessen, dass Christus wiederkommen will? Mir fallen dazu die Bekanntschaften und Begegnungen mit Menschen ein, die ich einmal hatte: Wenn sie etwa fortgezogen waren, wirklich weit fort, sodass klar war, wir werden uns wohl nie wiedersehen, dann hat man sich vielleicht noch ein-, zweimal geschrieben, dann aber war es zu En- de mit der Beziehung. Oder wenn man sich sogar im Streit getrennt hat (so etwas gibt es ja!), dann wurde das Gespräch auch nie mehr wieder aufgenommen. Ganz anders war es, wenn wir zum Beispiel wussten, zu dieser Pension an diesem Urlaubsort fah- ren wir im nächsten Jahr wieder. Oder umgekehrt: Einer, der uns besucht hatte, wollte bald einmal wiederkommen. Da freute man sich schon lange zuvor und hat den Kontakt in der Zwischenzeit auch nach Kräften gehalten: Ein Kärtchen zu Weihnachten. Eine Mitteilung, dass es einem nach ei- ner Krankheit wieder besser geht. Oder ein Brief, in dem stand, wie sehr man sich auf das nächste Wiedersehen freut. Und das war auf beiden Seiten so, dass man den Kontakt hielt, an den anderen dachte und sich darauf freute, bald wieder zusammenzutreffen. - Ich glaube doch, dass Sie solche unterschiedlichen Beziehungen auch kennen. Mit Jesus Christus und unserem Verhältnis zu ihm, steht es nun jedenfalls so: „Ich bin das A und das O...der da ist und der da war...und der da kommt!“ Wir werden ihm wieder begegnen! Das kann bald sein oder am Ende aller Tage. Aber er wird kommen und mit ihm das Gericht, denn „...es werden ihn sehen alle Augen und alle, die ihn durchbohrt haben, und es werden wehklagen um seinetwillen alle Geschlechter der Erde.“ Was Johannes hier schreibt, könnte uns Angst machen. Aber wir wissen vom Gericht dieses Herrn, dass wir im Glauben um seinetwillen ohne Angst auf seinen Tag zugehen können. Wer auf ihn ver- traut, dass „er uns liebt und uns erlöst hat von unsern Sünden mit seinem Blut“, der hat nichts zu befürchten! Es wird sein wie das Wiedersehen mit einem guten Freund, ja, mehr noch, einem Bru- der, den wir eine Weile nicht gesehen haben, der uns aber doch immer nah war in unseren Gedan- ken. Und die Freude wird groß sein, wenn wir ihn sehen. Und wir werden uns von diesem Tag an nie mehr trennen, sondern ewig in seiner Nähe bleiben. Ich glaube, wir begreifen jetzt, warum es so wichtig ist, nie zu vergessen, dass Christus wieder- kommen will: Weil wir sonst vielleicht auch die Beziehung zu ihm verlieren - und nicht nur das: Auch die Vorfreude auf die Begegnung am Ende aller Zeit! Aber - wie gesagt - ich denke mir, es gibt da auch die andere Seite: Auch der, den ich einmal kannte und der jetzt fern ist, wird den Kontakt mit mir nicht aufrecht erhalten können: Warum soll er mir schreiben, wenn ich ihm nicht antworte? Warum soll er mich immer wieder anrufen, wenn ich von mir aus kein Lebenszeichen mehr gebe? Warum sollte unser Herr uns wieder und wieder an sich erinnern, wenn wir doch kein Interesse an ihm haben? Liebe Gemeinde am Himmelfahrtstag, und jetzt scheine ich mir zu widersprechen, aber das eben ist die wunderbare Botschaft dieses Tages: Jesus Christus - anders als die Menschen, die uns verlassen - ist nicht fern! Er bleibt auch dann in unserer Nähe und erinnert uns an sich, wenn wir uns nicht oder nicht mehr für ihn interessieren. Woher ich das weiß? Weil er es uns versprochen hat. Wir le- sen es in einem Abschiedswort Jesu Christi an seine Jünger: „Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ (Mt. 28,20b) Und dass er uns an sich erinnert und uns nah ist, können wir auch immer wieder spüren: Wenn wir ein Losungswort lesen, das gerade für uns gesagt scheint. Oder wenn unser Kind oder unser Enkel uns eine Frage stellt, die uns wieder einmal über die Beziehung zu Gott und unser Verhältnis zu ihm nachdenken lässt. Aber das glauben wir sicher gern, besonders wenn wir uns doch eigentlich bemühen, den Kontakt mit Christus auch auf unserer Seite zu pflegen. Es gibt aber auch solche unter uns, da bin ich ganz sicher, die haben schon ganz andere Zeiten er- lebt, Zeiten, in denen sie ganz vom Glauben abgekommen und zu Zweiflern geworden waren und gar nichts mehr von Gottes Sache und von Jesus Christus wissen wollten. Aber ER hat uns doch festgehalten! Er hat uns immer wieder die Hand auf die Schulter gelegt und uns ins Gedächtnis ge- rufen, dass er noch da ist, auf uns wartet - und er hat uns Fingerzeige und kleine Zeichen geschickt: Vielleicht dass wir zu einer Beerdigung eines Nachbarn gehen mussten und uns dort ein Wort er- reicht hat, durch das wir neu die Suche nach dem Glauben und nach IHM aufgenommen haben. Oder es wurde uns ein großes Glück geschenkt und wir haben vor lauter Dankbarkeit das Beten wieder aufgenommen. Und er hatte und hat noch viele andere Möglichkeiten, uns wieder an sich zu erinnern! Und - Gott sei Dank! - tut er das auch und hat viele Ideen, wie er uns zu sich zieht. Doch, ich finde es gut, dass es in den Versen der Offenbarung heute einmal weniger um die Him- melfahrt als um die Wiederkunft Christi geht. Wir sollten das nie vergessen, dass unser Herr wie- derkommen wird und diese Welt einmal an ihr Ziel kommt und die Ewigkeit Gottes beginnt. Ver- gessen wir in der Zwischenzeit auch nicht, dass Jesus Christus immer bei uns ist - auch wenn wir ihn nicht sehen. - Irgendwie können wir auch fröhlicher seine Himmelfahrt feiern, wenn wir wissen, dass es kein Abschied für immer ist, sondern dass wir uns wiedersehen! AMEN