Predigt zum Ostermontag - 9.4.2012 Textlesung: 1. Kor. 15, 50 - 58 Das sage ich aber, liebe Brüder, dass Fleisch und Blut das Reich Gottes nicht ererben können; auch wird das Verwesliche nicht erben die Unverweslichkeit. Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden; und das plötzlich, in einem Augenblick, zur Zeit der letzten Posaune. Denn es wird die Posaune erschallen, und die To- ten werden auferstehen unverweslich, und wir werden verwandelt werden. Denn dies Verwesliche muss anziehen die Unverweslichkeit, und dies Sterbliche muss anziehen die Unsterblichkeit. Wenn aber dies Verwesliche anziehen wird die Unverweslichkeit und dies Sterbliche anziehen wird die Unsterblichkeit, dann wird erfüllt werden das Wort, das geschrieben steht (Jesaja 25,8; Hosea 13,14): „Der Tod ist verschlungen vom Sieg. Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?“ Der Stachel des Todes aber ist die Sünde, die Kraft aber der Sünde ist das Gesetz. Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unsern Herrn Jesus Christus! Darum, meine lieben Brüder, seid fest, unerschütterlich und nehmt immer zu in dem Werk des Herrn, weil ihr wisst, dass eure Arbeit nicht vergeblich ist in dem Herrn. Liebe Gemeinde! Diese Verse sind ein richtiger Ostertext! Es geht um den Tod, um die Toten und um Jesu Christi Sieg über den Tod. Es geht um die Sünde und das Gesetz und um die Auferstehung. Und es geht um Unsterblichkeit und darum, dass wir fest und unerschütterlich sein sollen und dass unsere Ar- beit für den Herrn nicht vergeblich sein wird. Nur um die Freude, die wir doch auch mit Ostern verbinden, geht es nicht! Oder doch? Müssen wir diese Verse vielleicht anders hören und auch das lesen, was zwischen den Zeilen steht, damit auch durchscheint, was uns zu Ostern Freude machen soll? Oder müssen wir an den Schluss der Verse noch ein paar eigene Gedanken anhängen, die die- se Worte des Paulus weiterführen und ergänzen und dann schließlich auch bei uns die Osterfreude wecken? Ich glaube, beides wäre gut: Zwischen den Zeilen lesen und die Botschaft des Paulus, die er uns hier übermitteln will, noch ein wenig ausziehen und weiterdenken. Aber wie machen wir das? Ich habe mir gedacht, ich erzähle Ihnen von einem Gespräch, das nicht genau so, aber ähnlich statt- gefunden hat. Das war neulich in einem Supermarkt (ja, wirklich in einem Supermarkt!), dass eine Frau im mittleren Alter ihren Pfarrer getroffen und so angesprochen hat: „Guten Tag, Sie sind doch der Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde hier am Ort?“ Als der Pfarrer bejaht, spricht die Frau weiter: „Sie werden mich nicht kennen. Ich bin erst vor ein paar Wochen hierher gezogen, nachdem mein Mann gestorben ist. Ich wohne hier in meinem Elternhaus, mein Vater ist lange tot und meine Mutter ist in ein Altenwohnheim verzogen.“ (Wir sparen uns jetzt die Beileidsbekundungen des Pfarrers und seine Erkundigung nach dem Namen der Eltern und hören auf das eigentliche Anliegen der Frau:) „Seit dem Tod meines Mannes beschäftigt mich immer wieder ein Gedanke und ich habe mir vorgenommen, einmal einen Theologen dazu zu befragen: Bei Beerdigungen sagen die Pfarrerinnen oder Pfarrer doch immer, dass wir uns in der anderen Welt wiedersehen werden. Das war bei der Beerdigung meines Vaters so und auch in der Grabrede für meinen Mann habe ich das gehört. Ich frage mich allerdings, wie das gehen soll. Wenn ein Toter nur lange genug im Grab gelegen hat, ist doch nichts mehr von ihm übrig! Und wenn ich an meinen Mann denke - das war eine Urnenbeisetzung! - was ist denn nach einer Ein- äscherung noch da, was unverwechselbar und wiedererkennbar wäre?“ Jetzt ist der Pfarrer dran und es sieht so aus, als wären ihm die Fragen der Frau gar nicht unangenehm: „Ich freue mich sehr, dass Sie mich das fragen und ich finde es gut, dass Sie diese Fragen nicht nur bewegen, sondern dass Sie sie auch aussprechen! Ich möchte einmal zurückfragen, wobei ich davon ausgehe, dass Sie mir Ihrem Mann eine gute Beziehung hatten und ihn geliebt haben und er Sie.“ (Hier nickt die Frau!) „Gewiss haben Sie Ihren Mann im Leben an seinem Aussehen erkannt, an seinem Gang und an seinen Gesten. Aber nicht auch an anderen Dingen? An seiner Stimme vielleicht - dazu mussten Sie ihn gar nicht sehen! Oder wenn es um eine Entscheidung ging, Sie wussten genau, was er tun würde - dazu mussten Sie ihn gar nicht hören. Oder denken wir einmal an Ihren Geburtstag, den- ken wir uns, es hätten 20 Geschenke auf dem Gabentisch gelegen, Sie hätten doch gewiss sagen können, welches der Geschenke von Ihrem Mann stammt!“ (Hier blinzelt die Frau und es scheint uns, als hätte sie ein wenig feuchte Augen!) „Was ich sagen will: Ein Mensch ist mehr, als wir von ihm sehen, hören oder berühren können. Oder sagen wir es ganz drastisch im Blick auf den Tod und die Vergänglichkeit des Menschen: Was wir ins Grab legen, ob es ein toter Leib oder nur noch Asche ist, macht den Menschen nicht aus, der von uns gegangen ist. Und ich bin auch ganz sicher, dass Sie heute von Ihrem Mann mehr seine Stimme, seine Worte und Entscheidungen, die Gesten und das Lächeln vermissen, mit denen er Ihnen gezeigt hat, dass er Sie liebt, als seine Gestalt und alles Äußerliche, was ihm eigen war.“ Die beiden schweigen jetzt einen Augenblick, dann sagt die Frau: „Ich glaube, Sie haben Recht! Ich habe tatsächlich weniger seine äußere Gestalt vor Augen, wenn ich an meinen Mann denke, eher die Stimme, wie er gelacht und was mir seine Liebe bedeutet hat. Und Sie meinen, diese Dinge, die den Menschen eigentlich ausgemacht haben, bleiben in Got- tes neuer Welt erhalten?“ - „Ja!“, antwortet jetzt der Pfarrer, „und ich glaube fest, dass wir einan- der, wie auch immer wir dann äußerlich aussehen, daran erkennen werden! Genau genommen wa- ren es doch auch in diesem Leben immer schon die inneren Dinge, die Art, die Werte, die einer hochgehalten hat, der Charakter eines Menschen, die uns wesentlich und wichtig gewesen sind. Und - ist es nicht so? - über körperliche Veränderungen, über Behinderung oder die Zeichen des Älterwerdens hätten wir viel leichter hinweggehen können, als wenn sich der Charakter eines Men- schen plötzlich ganz anders darstellt, als wir ihn immer gesehen haben.“ Noch einmal spricht jetzt die Frau: „Sind diese inneren Dinge, von denen Sie eben gesprochen haben, die Werte und der Charakter vielleicht das, was wir als Kinder und manchmal auch noch heute die Seele eines Men- schen nennen?“ Und noch einmal antwortet der Pfarrer: „Ich glaube, so ist es und unsere Vorfah- ren haben auch noch ganz unbefangen davon sprechen können, dass nach dem Tod der Leib ins Grab gelegt wird und die Seele zu Gott aufsteigt. Wenn diese Vorstellung vielleicht auch ein wenig kindlich und überholt erscheint, sie kann uns doch bei der Frage helfen, was nach dem Tod kommt.“ Liebe Gemeinde! Soweit das Gespräch im Supermarkt. Wir wollen noch einmal auf die Worte des Paulus hören, er schreibt: Denn es wird die Posaune erschallen, und die Toten werden auferstehen unverweslich, und wir werden verwandelt werden. Denn dies Verwesliche muss anziehen die Un- verweslichkeit, und dies Sterbliche muss anziehen die Unsterblichkeit. Ich finde es nicht unangemessen, wenn wir uns, was der Apostel meint, so vorstellen, wie es die Frau im Gespräch mit dem Pfarrer sagt: Sind die inneren Dinge, die Werte und der Charakter viel- leicht das, was wir die Seele eines Menschen nennen? Warum nicht zurückgreifen auf Bilder, die früher für die Menschen klar und verständlich ausgedrückt haben, was im Tod geschieht: Die Seele verlässt den Leib, der immer nur ihre sterbliche, verwesliche, vergängliche Hülle war. Die Seele aber ist nicht sterblich, nicht verweslich, nicht vergänglich. Sie bleibt in Ewigkeit. Und sie trägt die Züge des Menschen, dem sie gehört hat, aber es sind andere Züge, als wir sie in diesem Leben einer hohen Stirn, Grübchen oder Falten verdanken. Denn da ist noch etwas, was Paulus auch anspricht, das ist auch noch sehr wichtig, wenn wir über das Leben in Gottes neuer Welt nachdenken. Paulus sagt es so: „...wir werden verwandelt werden!“ Und ich glaube, ich weiß, warum der Pfarrer der Frau im Supermarkt davon nichts gesagt hat: Diese Verwandlung nämlich kann kein Mensch sich vorstellen oder gar beschreiben. Sie ist ein Geheimnis, das wir wohl mit unserem irdischen Ver- stand auch gar nicht fassen könnten. Selbst Jesus hat darüber nicht gesprochen und wohl auch nichts gewusst. Als er einmal gefragt wird, wem eine Frau, die sieben Männer gehabt hat, in der Ewigkeit gehören wird, was ja eine ganz ähnliche Frage ist, antwortet er: „...in der Auferstehung werden sie weder heiraten noch sich heiraten lassen, sondern sie sind wie Engel im Himmel.“ So können wir über die Verwandlung in Gottes Reich eigentlich nur sagen: Es wird alles ganz anders sein. Es wird weder Heiraten geben noch unsere ehemalige menschliche Gestalt, noch irgendetwas, das dem irdischen Leben gleich wäre. Wir werden sein wie die Engel... Aber auch das ist vage und unbestimmt und wahrt das Geheimnis Gottes, denn wir wissen nichts darüber, wie die Engel sind. Und dennoch ist diese Auskunft wichtig: Wir werden sein wie die Engel! - auch wenn wir nicht wissen, wie das sein wird. Und genauso ist es wichtig, dass wir verwandelt werden sollen in ein Wesen, dass vielleicht ganz anders aussieht, als wir heute aussehen, das aber doch - auf neue, ande- re Weise - unsere Züge tragen und unseren Charakter haben wird, sodass die, die uns hier kannten und liebhatten, uns auch dort kennen und liebhaben werden. Ich glaube, jetzt können wir zurückkommen auf die Frage vom Anfang dieser Predigt: Ob es in den Versen, die wir heute bedacht haben, nicht auch um die österliche Freude geht: Ich kann mir keine größere Freude vorstellen als die, von dem Wesen, das ich heute bin, mit all seinen Fehlern, mit seinen Verstrickungen in Bosheit, Sünde und Schuld, mit seinen unerfüllten Träumen und Wün- schen, mit seinen Zweifeln und seinem Versagen verwandelt zu werden in ein Wesen, das alles Ir- dische abgelegt hat durch den Tod und jetzt einem Engel gleich, aber mit seinem unverwechselba- ren Charakter und seinen unverlierbaren Zügen ewig in Gottes Nähe wohnen darf. Welch eine Freude wird das sein! Wir wollen dankbar einstimmen in die Worte des Paulus: Der Tod ist verschlungen vom Sieg. Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel? Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unsern Herrn Jesus Christus! AMEN