Predigt zum 1. Adventssonntag - 27.11.2011 Textlesung: Offb. 5, 1 - 5 (6 - 14) Und ich sah in der rechten Hand dessen, der auf dem Thron saß, ein Buch, beschrieben innen und außen, versiegelt mit sieben Siegeln. Und ich sah einen starken Engel, der rief mit großer Stimme: Wer ist würdig, das Buch aufzutun und seine Siegel zu brechen? Und niemand, weder im Himmel noch auf Erden noch unter der Erde, konnte das Buch auftun und hineinsehen. Und ich weinte sehr, weil niemand für würdig befunden wurde, das Buch aufzutun und hineinzusehen. Und einer von den Ältesten spricht zu mir: Weine nicht! Siehe, es hat überwunden der Löwe aus dem Stamm Juda, die Wurzel Davids, aufzutun das Buch und seine sieben Siegel. Liebe Gemeinde! Was uns hier als Vision des Johannes in bildreicher Sprache vor Augen und Ohren geführt wird, lässt sich auch ganz kurz und nüchtern und ohne phantastisches Beiwerk so ausdrücken: Nur Gott allein kennt den Plan vom Ende der Welt, er ist sein Geheimnis. Aber Jesus Christus, der Löwe aus Juda, die Wurzel Davids, wie er auch genannt wird, der den Tod überwunden hat, darf das Ge- heimnis lüften und damit das Geschehen der Endzeit in Gang setzen. Diese Worte sind sicher nicht so blumig und schön wie die Verse aus der Offenbarung, aber sie en- thalten doch alles, was uns Johannes sagen will - und ich glaube, wir verstehen so besser, was sie uns vermitteln wollen. Nur: Was machen wir jetzt damit? Erst einmal ist es ja vielleicht gut, dass wir erfahren: Es gibt einen Plan Gottes vom Ende der Welt. Und wenn das so ist, dann gibt es auch schon einen Plan für den Lauf der Welt! Denn das ist doch klar: Wenn Gott mit seiner Schöpfung dieses oder jenes Ende erreichen, wenn er seine Menschheit an ein bestimmtes Ziel bringen will, dann wird er auch das eine oder andere auf dem Weg dorthin so oder so fügen, lenken und den einen oder anderen Wegweiser aufstellen. Das schließt nicht aus, dass wir freie Menschen sind! Wir können uns immer wieder so oder so entscheiden. Selbst Krieg und menschengemachte Katastrophen lässt Gott zu. Aber eins ist Gott sei Dank sicher: Ganz wird der Mensch seine Welt nicht zerstören können! Immer wieder geht das Leben weiter. Nach den furchtbarsten Kriegen des letzten Jahrhunderts mit Abermillionen Toten gab es doch eine Zunkunft für die Menschen, die in Not, Hunger und Trümmern überlebt hatten. Trotzdem - und das führt uns zu dem zweiten, das wir aus den Versen des Johannes entnehmen können: Der Plan, der hinter der Geschichte bis hin zum Ende der Welt steht, ist und bleibt für uns ein Geheimnis, eben das sprichwörtliche „Buch mit sieben Siegeln“. Ich finde das mindestens ebenso wichtig wie die Tatsache, dass es den Plan Gottes mit seiner Welt gibt! Wenn wir wissen und daran festhalten, dass es ein Geheimnis ist und bleibt, wie Gott seine Welt lenkt und zu ihrem Ende bringt, dann kann uns niemand mehr damit schrecken, dass dies oder das gewiss zum Weltun- tergang führt! Nein, keiner weiß das! Keinem Menschen hat Gott je offenbart, wie und wann er den Jüngsten Tag anbrechen lässt. Selbst die schlimmsten Entwicklungen, die wie in unserer Natur und Umwelt auslösen, noch die größte Katastrophe, die wir selbst verursachen und auch ein furchtbarer Krieg, den irgendein verrückter Machthaber anzettelt, werden nicht zum Ende der Welt führen - wenn Gott das nicht so beschlossen hat! Das heißt nun keinesfalls, dass wir leichtfertig mit den Dingen umgehen dürfen, die unsere Natur, unsere Umwelt, die Gesundheit der Menschen und den Frieden untereinander und zwischen den Völkern gefährden! Im Gegenteil: Seit dem Anfang der Welt gilt Gottes Auftrag an den Menschen, die Schöpfung zu bewahren, zu hegen und zu pflegen, die Mitmenschen als Nächste zu lieben wie sich selbst, den Frieden mit jedermann zu suchen und zu fördern. Wir, jede und jeder von uns, tra- gen Verantwortung für die Natur, für uns selbst und die anderen Menschen, für ihre Wohlfahrt und dafür, dass nicht hungern müssen, ihr Auskommen und ein Dach über dem Kopf haben und in Ver- hältnissen leben können, die lebenswert sind. Aber, dass Gott einen Plan für die Welt und ihr Ende hat und dass der ein Geheimnis ist, hat noch eine andere Seite, eine ganz persönliche: Haben Sie nicht auch schon oft gedacht, wenn wieder Schreckensnachrichten von einem Massaker in Syrien, einer Dürre in Somalia, einer Jahrhun- dertflut in Norditalien oder einem Erdbeben in der Türkei zu hören waren, wie sich das alles mit der Güte Gottes reimen und wie denn die Geschichte der Welt noch gut ausgehen soll? Ich weiß, dass viele Menschen diese schlimmen Ereignisse und schon die Nachrichten darüber in ihrem Glauben verunsichern. Und ich kann das nachfühlen, wenn ein Mensch sich vor den schrecklichen Dingen, wie sie tagtäglich rings um die Erde geschehen, die Frage stellt: Warum Gott das denn zu- lässt und wie das denn überhaupt sein kann, wenn Gott doch die Liebe ist und der Vater aller Menschen? Und ich kann auch verstehen, wenn die eine oder der andere über solchen Fragen zu der Antwort kommt: Es ist kein Gott im Himmel, zumindest keiner, der gut und väterlich über seine Menschen wacht. Aber es ist eben auch immer die andere Antwort möglich, mit der man seinen Glauben festhalten kann. Diese Antwort heißt: Gott steht sehr wohl hinter allem, was geschieht. Auch noch das schlimmste Geschick, auch noch die grausamsten Ereignisse werden von Gott gesehen. Und Gott hat keinen Gefallen daran, vielmehr leidet er mit den Menschen, die davon betroffen sind. Aber - warum er nicht eingreift, warum er den Verlauf des Geschehens nicht beeinflusst, warum er Menschen nicht rettet, sondern vielleicht gar durch die bösen Ereignisse umkommen lässt, kann und wird seinen guten, väterlichen Plan mit seiner Welt nicht zunichte machen und ist sein Ge- heimnis! Aber wir wollen jetzt auch von Jesus Christus, der Wurzel Davids, dem Löwen aus dem Stamm Ju- da reden. Er nämlich ist eingeweiht in Gottes Geheimnis! Er darf die sieben Siegel des Buchs lösen und hineinsehen. Ja, er ist dazu von Gott auserwählt, die Endzeit einzuleiten? Warum? Wodurch? Jesus Christus hat überwunden, so heißt es hier und es ist sein Leiden und Sterben gemeint, das er für alle Menschen auf sich genommen hat. Sein Tod, sein Opfer am Kreuz von Golgatha, macht ihn vor Gott würdig, den Plan Gottes mit der Welt und das Geheimnis ihres Endes zu erfahren, ja, mehr noch: Mit Leiden und Tod Jesu Christi beginnt die letzte Zeit der Welt, er stellt sozusagen die Weiche auf das Ziel der Welt hin. Wenn wir ihm folgen, dann gehen wir in die rechte Richtung und werden dort ankommen, wo Gott uns erwartet. Aber wir wollen noch einmal genauer hinschauen auf das, was der Löwe aus dem Stamm Juda für uns getan hat: War er in seinem kurzen Leben nicht genau in der gleichen Lage, wie wir alle es sind? Ging es für ihn nicht auch darum, hinter allen bösen Geschehnissen, die er erfahren und am eigenen Leib erleiden musste, doch zu glauben, dass Gottes Plan den Lauf der Welt bestimmt, auch wenn er sein Geheimnis ist? Und musste er nicht, genau wie wir angesichts der oft schlimmen Ereignisse, die uns den Mut nehmen wollen, doch darauf vertrauen, dass alles - auch sein eigenes Schicksal - in Gottes väterlichen Händen liegt? So war es zuletzt sein Glaube und sein Vertrauen, die ihm halfen, alles zu überwinden, was sein Leben - mit dem schrecklichsten Leiden und Sterben am Ende - von ihm verlangt hat. So werden der Glaube und unser Vertrauen in das, was Christus uns vorgelebt und geboten hat, auch uns den Weg zeigen, unser Leben zu bestehen und zum Ziel des Lebens zu gelangen. Liebe Gemeinde, heute ist der 1. Adventssonntag. Das neue Jahr der Kirche beginnt und wenn wir es noch nicht wussten, so spüren wir es am Gewicht der Worte, die wir heute bedacht haben: Das Kirchenjahr beginnt mit einer ernsten Zeit, einer Bußzeit, wie es uns die violetten Vorhänge an Al- tar und Kanzel in Erinnerung rufen wollen. Wir wollen uns auch den tiefen und manchmal schmerzhaften Gedanken der Sonntage auf Wei- hnachten hin stellen. Denn nur, wenn wir die auch bedenken und ihnen standhalten, wird etwas von den Adventsgottesdiensten mit uns nach Hause und in unseren Alltag gehen, was uns im Glauben weiterbringt und uns zum Segen werden kann. Von heute wollen wir das mitnehmen: Gott hat - auch wo es manchmal nicht so scheint - einen Plan für seine Schöpfung und er wird sie zu einem guten Ende führen. Kein Mensch weiß diesen Plan, er ist Gottes Geheimnis. Nur einer, Jesus Christus, ist von Gott für würdig befunden, dieses Geheimnis zu kennen, ja, mit seinem Leiden und Sterben uns zugut hat er die Weiche des Weltlaufs auf das ewige Ziel hin gestellt. Wenn wir in seiner Spur bleiben, wenn wir trotz aller Ereignisse in der Welt und in unserem persönlichen Leben am Glauben an Gott und am Vertrauen in seine Güte festhalten, dann werden wir Gottes neue Welt sehen. Ich wünsche Ihnen eine besinnliche und gesegnete Adventszeit! AMEN