Predigt zum Reformationsfest - 31.10. oder 6.11.2011 Textlesung: Mt. 10, 26 - 33 Es ist nichts verborgen, was nicht offenbar wird, und nichts geheim, was man nicht wissen wird. Was ich euch sage in der Finsternis, das redet im Licht; und was euch gesagt wird in das Ohr, das predigt auf den Dächern. Und fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, doch die Seele nicht töten können; fürchtet euch aber viel mehr vor dem, der Leib und Seele verderben kann in der Hölle. Kauft man nicht zwei Sperlinge für einen Groschen? Dennoch fällt keiner von ihnen auf die Erde ohne euren Vater. Nun aber sind auch eure Haare auf dem Haupt alle gezählt. Darum fürchtet euch nicht; ihr seid besser als viele Sperlinge. Wer nun mich bekennt vor den Menschen, den will ich auch bekennen vor meinem himmlischen Vater. Wer mich aber verleugnet vor den Menschen, den will ich auch verleugnen vor meinem himmlischen Vater. Liebe Gemeinde! Ja, solche Worte erwarten wir zum Reformationsfest (-tag)! Klar und deutlich sollen wir reden und predigen. Ohne Furcht sollen wir zu unserem Glauben stehen und zu dem, der unser Herr ist. Und es wird uns verheißen, dass Jesus Christus auch zu uns steht vor unserem himmlischen Vater und dass Gott uns im Leben und im Sterben nicht fallen lassen wird, wenn wir uns vor den Menschen zu ihm bekennen. Wirklich: Diese Worte passen zum Reformationsfest und in diese Zeit - und bitter nötig sind sie auch! Darum will ich heute - frei und ohne Furcht, nicht in der Finsternis sondern im Licht, zwar nicht auf den Dächern, aber auf der Kanzel - diese Worte für unsere Zeit predigen und das, was sie uns sagen wollen, vor Ihre Ohren bringen. Mir kommen die Verlautbarungen, das Gerangel und die Entscheidungen in den Parteien des Bundestags und unserer Regierung im Zusammenhang mit der Euro-Krise in den Sinn: Wir ha- ben dabei viel von den „Finanzmärkten“ gehört, von den Banken und von „alternativlosen Not- wendigkeiten“ so oder so zu handeln. Herausgekommen ist immer wieder ein Plan, die Lösung der Krise zum größten Teil auf die abzuschieben, die in unserer Gesellschaft ganz unten sind: Die kleinen Steuerzahler, die Hartz IV-Empfänger, die 400-Euro-Jobber, die sozial Schwachen... Nun wäre es gewiss ein Gebot der Vernunft für alle Parlamentarier, das zu tun, was doch die einzige Alternative sein kann, nämlich das Geld zur Bewältigung der Krise bei denen einzufor- dern, die vorher von der guten wirtschaftlichen Entwicklung, den hohen Dividenden und dem lukrativen Handel an der Börse profitiert haben. Aber selbst die Angehörigen der „C“-Parteien haben es bis heute nicht fertig gebracht, Gesetze auf den Weg zu bringen, die endlich die ange- messen steuerlich belasten, die so reich sind und so hohe Einkommen haben, dass sie selbst mit 10 % ihrer Bezüge und ihres Vermögens noch in Saus und Braus leben könnten. Ganz im Sinne der Worte aus dem Matthäusevangelium, die wir heute bedenken, will ich, was wir hier beklagen müssen, so ausdrücken: Hier wird der Herr, dessentwegen wir von Deutsch- land als einem „christlichen“ Land sprechen, auf den wir uns in unserer Verfassung berufen und der hinter dem „C“ in den Parteinamen steht, verleugnet! Er hat zu dem reichen Jüngling gesagt: „Verkaufe alles und gib’s den Armen!“ (Mt.19,21b) Und schon das Alte Testament ist voll von Worten der Parteinahme für die Armen und Schwachen, in denen Gott sich gerade zu denen bekennt, die in der Gesellschaft unten sind, zum Beispiel in Ps. 140, Vers 13: „Denn ich weiß, dass der HERR des Elenden Sache führen und den Armen Recht schaffen wird.“ Wie passt dazu die Kürzung der finanziellen Mittel für soziale Einrichtungen in Bund und Ländern? Wie passt dazu die vorhersehbare Altersarmut von Hartz IV-Empfängern und Beziehern kleiner Renten (- von Menschen übrigens, die oft ihr ganzes Leben lang gearbeitet haben!). Wie passt schließlich dazu die weitgehende steuerliche Schonung des obersten Zehntels der Gesellschaft, der Reichen und Superreichen, die über weit mehr als 60 % des gesellschaftlichen Vermögens verfügen? Aber mir fallen noch ganz andere Dinge dazu ein, wie armselig es in unserer Zeit um das Bekenntnis zum Herrn Jesus Christus und zum Glauben der Christen bestellt ist. Gerade war in einem Monatsblatt für Pfarrerinnen und Pfarrer zu lesen: „Somit erscheint es angemessen, die verschiedenen Religionen als kulturell bedingte Gestalten der Offenbarungen Gottes zu ver- stehen.“ (Deutsches Pfarrerblatt 10, 2011, S.543) Woraus der Autor dieses Satzes schließt, dass „Juden, Christen und Muslime an den gleichen Gott glauben“. Ich will jetzt nicht über die Fun- damentalisten innerhalb dieser Religionen sprechen, auch nicht über den Fanatismus bis hin zum Terrorismus und wie häufig diese und andere menschenverachtenden Entgleisungen in den verschiedenen Religionen vorkommen. Ich will fragen: Wie reimen wir dieses Denken mit der Glaubenstatsache, dass wir in Jesus Christus den Sohn Gottes verehren und dass er von sich ge- sagt hat, was uns bei jeder Taufe neu in Erinnerung gerufen wird: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker...“? (Mt. 28,18) Wie bringen wir den Gott zweier Gesetzesreligionen wie das Judentum und den Islam mit dem gnädigen Gott zusammen, den uns Jesus als unseren gütigen Vater vorgestellt hat? Hören wir, was ein Wort aus dem Evangelium im Blick auf den jüdischen Glauben so ausspricht: „Denn das Gesetz ist durch Mose gegeben; die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden.“ (Jh. 1,17) Es mag ja sein, dass wir es bei unserem Gott mit dem selben Gott zu tun haben, den auch die Juden in Jahwe anbeten. Aber mit der Sendung seines Sohnes in die Welt hat dieser Gott ein völ- lig neues Kapitel der Geschichte mit seinen Menschen aufgeschlagen. Und in Jesus Christus, der für uns ans Kreuz ging und uns durch Leiden und Sterben die Ewigkeit verdient hat, liegt für uns Christen die end-gültige Heilstat Gottes - und davon weiß und darauf vertraut keine andere Reli- gion! In den „verschiedenen Religionen [nur] kulturell bedingte Gestalten der Offenbarungen Gottes“ zu sehen, verleugnet Jesus Christus als Sohn Gottes, als Herrn der Welt und als Heiland, der „alle Völker“, also auch Juden und Muslime am Kreuz von Golgatha erlöst hat. Aber, liebe Gemeinde, wir müssen auch noch von uns selbst sprechen und davon, wie das Bekenntnis zu unserem Herrn in unserem Alltag aussieht. Und ich sage ganz bewusst: in un- serem Alltag, denn sich heute am Sonntag durch Anwesenheit in der Kirche zu Jesus Christus zu bekennen, ist ja doch ziemlich leicht. Hier droht uns keine Verfolgung, keine Verachtung, kein abfälliges Geschwätz und keine mitleidigen Blicke. Die Woche über, am Arbeitsplatz, in der Freizeit, wenn wir über die wichtigeren Fragen des Lebens ins Gespräch kommen, da ist das ganz anders. Und wir kennen das alle, dass wir dann etwa denken: Religion ist doch Privatsache, warum also jetzt Stellung beziehen, wenn da einer über den Gott und den Glauben lästert? Oder wir drücken uns davor, einem suchenden Menschen im entscheidenden Augenblick mit einem klaren Wort von unserem eigenen Glauben zu helfen, dass ihm vielleicht aufgeht, wie wichtig und heilsam auch für ihn das Vertrauen zu Jesus Christus sein könnte. Schließlich bringen wir es oft genug auch nicht mehr fertig, unsere Kinder und Enkel durch unsere gelebte religiöse Praxis, z.B. durch Bibellese und Gebet (Tischgebet) auf das hinzuweisen, was uns der Glaube bedeutet und sie so zu diesem Glauben hinzuführen. Aber wir wollen nun auch noch einmal darauf hören, was uns helfen kann, dass wenigstens wir uns ändern und zu einem Leben finden, dem man ansieht, zu welchem Herrn wir uns bekennen: „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, doch die Seele nicht töten können; fürchtet euch aber viel mehr vor dem, der Leib und Seele verderben kann in der Hölle.“ Es steht viel auf dem Spiel, das müssen wir klar sehen! Auf der anderen Seite aber müssen wir auch das sagen: Was kann uns denn geschehen? Wir sind mit Jesus Christus im Bund! Wir kennen den gnädigen Vater im Himmel! Wir haben den Glauben an den, der uns von Tod und Teufel erlöst und uns die Hoffnung auf das ewige Leben in Gottes neuer Welt geschenkt hat. Und hören wir auch, wie wertvoll wir unserem Gott sind: „Kauft man nicht zwei Sperlinge für einen Groschen? Dennoch fällt keiner von ihnen auf die Erde ohne euren Vater. Nun aber sind auch eure Haare auf dem Haupt alle gezählt. Darum fürchtet euch nicht; ihr seid besser als viele Sperlinge.“ Nein, wir wollen keine Furcht haben, unseren Glauben zu bekennen vor allen Menschen, an allen Orten und zu jeder Zeit! Wir wollen unserem Herrn vertrauen, der uns zuspricht: „Wer nun mich bekennt vor den Menschen, den will ich auch bekennen vor meinem himmlischen Vater.“ AMEN