Predigt zum 15. Sonntag nach Trinitatis - 2.10.2011 Textlesung: Lk. 18, 28 - 30 Da sprach Petrus: Siehe, wir haben, was wir hatten, verlassen und sind dir nachgefolgt. Er aber sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Es ist niemand, der Haus oder Frau oder Brüder oder Eltern oder Kinder verlässt um des Reiches Gottes willen, der es nicht vielfach wieder empfange in dieser Zeit und in der zukünftigen Welt das ewige Leben. Liebe Gemeinde! Es sind drei kleine Wörter, die für mich aus diesen drei Versen einen ziemlich fragwürdigen Text machen! Wir können sicher verstehen, wenn die Jünger - und Petrus spricht hier gewiss für die anderen Nachfolger Jesu mit! - wenn die Jünger auch einmal wissen wollen, ob bei allem, was sie aufgeben und was sie sich die Nachfolge kosten lassen, denn auch etwas herausspringt. Und wir wollen Jesus das auch abnehmen, was er über den Lohn der Jünger in der zukünftigen Welt sagt: dass er seinen Gefährten das Ewige Leben verspricht. Eines aber fiel den Jüngern und fällt auch uns schwer zu glauben - und das sind die „drei Wörter“, die ich meine: Dass der Lohn der Nachfolge auch schon „in dieser Zeit“ empfangen wird - und das auch noch „vielfach“! Schauen wir uns doch diese Jünger an: Petrus zum Beispiel kommt in der Nacht, in der Jesus verraten wird, in ganz große Schwierigkeiten. Er will ja gern tapfer sein und treu und verlässlich - aber er wird zum Verleugner. Ist die Scham, die er da empfindet, etwa der Lohn der Nachfolge? Oder nehmen wir den Thomas: Als Jesus sich nach Ostern seinen Jüngern zeigt, ist er nicht dabei. Als er davon hört, dass der Meister auferstanden ist und sich den anderen gezeigt hat, kommt sein Glaube an seine Grenze. „Er aber sprach zu ihnen: Wenn ich nicht in seinen Händen die Nägelmale sehe und meinen Finger in die Nägelmale lege und meine Hand in seine Seite lege, kann ich’s nicht glauben.“ (Jh. 20,25) Wie beschämend und schmachvoll mag das auch für ihn gewesen sein, als Jesus ihn bei seinem nächsten Besuch auf seinen Unglauben anspricht!? Aber das sind persönliche Erfahrungen von bestimmten Jüngern. Für die 12 insgesamt kann man wohl sagen: Reichtümer haben sie nicht gesammelt. Einen Gegenwert für das, was sie aufgeg- eben haben, durften sie nicht empfangen, schon gar nicht ein Vielfaches! Ist das Versprechen Je- su also nicht wahr gewesen? Bevor wir antworten, schauen wir noch einmal in die Geschichte des christlichen Glaubens - bis heute: Die Ordensleute aller Zeiten fallen mir ein, die Nonnen und Mönche, aber auch die Bis- chöfe und Kirchenoberen, die es ernst gemeint haben mit ihrer Sache und sich nicht nur berei- chert haben oder Macht ausüben wollten. Konnten sie - wenn sie gewollt hätten - ein Leben in Saus und Braus führen oder waren sie nicht meist arm, mussten gegen die eigene Versuchlichkeit kämpfen und hatten viel Mühe mit der Aufgabe und viele Sorgen um die Menschen, die Gott ihnen anvertraut hat? Oder denken wir an unseren Reformator Martin Luther: Er hat erst keine Frau gehabt und hat doch eine gewonnen - das ist anders als bei den vielen anderen Männern, die ihr Leben Gott gewidmet haben. Aber sonst? Reichtum - Fehlanzeige! Ein äußerlich schönes Leben? Auch nicht! Dagegen aber Anfeindung, Verfolgung, Hass seiner Gegner und Jahre voller Arbeit und Plage, etwa bei der Übersetzung der Bibel oder der Besänftigung der Leute, die mit der Einfüh- rung des neuen evangelischen Glaubens gleich alle gute Überlieferung und alle kirchlichen Tra- ditionen wegwerfen wollten. Aber denken wir auch noch an uns selbst, auch wenn uns der Sprung von Martin Luther zu uns gewiss ein wenig kühn erscheint: Aber auch wir haben doch für unseren Glauben immer wieder so manches eingesetzt. Wir haben uns um anderer Willen zurückgenommen. Wir haben auf die Stimme unseres Gewissens gehört und sind darum leer ausgegangen, wo wir einen Vorteil hätten herausholen können. Wurden wir dafür auf der anderen Seite mit Gaben und Gütern überschüttet? Durften wir, weil wir doch auch manches geopfert haben, danach „vielfach“ empfangen „in dieser Welt“? - Darum noch einmal: Ist Jesu Versprechen also nicht wahr ge- worden? Liebe Gemeinde, wie kommen wir hier heraus, ohne unserem Herrn vorwerfen zu müssen, er hätte uns etwas versprochen, was er dann nicht eingelöst hat? Schauen wir noch einmal nach den Jüngern. Von ihnen hören wir keine Beschwerde. Petrus hat sich nicht beklagt, dass er sich in jener Nacht im Hof des Hohenpriesterlichen Palastes so entsetzlich wegen seiner Feigheit hat schämen müssen. Auch Thomas war eigentlich nur noch glücklich darüber, dass Jesus auch noch ihn in seinem Unglauben angenommen hat. Und ich denke, auch keinem der anderen wäre es eingefallen, das, was sie aufgegeben haben, mit dem zu verrechnen, was ihnen in den Jahren der Nachfolge an materiellen Gütern zugewachsen oder vorenthalten worden ist. Und ich glaube „materiell“ ist hier überhaupt das Stichwort, das bei der Antwort auf unsere Frage hilft: Wenn Menschen Geld und Gut für die Sache Gottes aufwenden, dann kommt nicht unbedingt Geld und Gut dafür von Gott zurück! Und im Grunde unseres Her- zens warten wir auch gar nicht darauf und wir wollen meist auch gar keine Güter für das haben, was wir für Gott hingeben! Was aber kommt denn zurück, wenn wir uns einbringen für Gott? Die Klosterleute des Mittelalters etwa hätten sicher gesagt, dass sie der Dienst für die Mit- menschen, selbst wo wenig Dank zurückkommt, doch für viele Entbehrungen und viel Arbeit und Mühe entschädigt! Und wir müssen hier jetzt gar nicht den Verdacht haben, dass es viel- leicht der „Fensterplatz im Himmel“ war, der manche angespornt hat, anderen bereitwillig zu helfen und Gutes zu tun. Solche Leute wird es zwar auch gegeben haben und es gibt sie auch immer wieder, aber es ist wirklich so, dass auch schon die Güte, die wir verschenken und die Hilfe, die wir anderen zuteil werden lassen, für uns selbst zum Lohn wird. Das ist allerdings nicht so sehr ein Thema, um darüber zu sinnieren und zu diskutieren - es ist vielmehr das Aus- probieren, das uns auf die rechte Spur führt das uns mit der Erfahrung, die wir dann machen, überzeugen wird. Das Wichtigste bei dieser Sache ist jedenfalls, dass hier immer wieder einem materiellen Wert, den wir geben, ein ideeller Lohn gegenübersteht, den wir empfangen: Vielleicht haben wir einen Menschen gepflegt und haben dafür „nur“ den Glanz in seinen Augen zurückbekommen. Aber wir werden beim Vergleichen von Geben und Nehmen sicher nicht zu dem Ergebnis kommen, es wäre ein Posten unserer Rechnung offen geblieben. Ja, es wird gar keine Rechnung geben! Und das Schöne an dieser Sache ist nun dies: Wir unterscheiden und werten das am Ende gar nicht mehr, nein, es ist ganz gleichgültig, ob wir unsere materiellen Güter eingebracht und dafür ideelles Gut erhalten haben. Und auch zu schauen, ob wir vielleicht mehr investiert haben als dann herausgesprungen ist, wird uns keinen Augenblick beschäftigen. Wir denken darüber gar nicht mehr nach und schon gar nicht, machen wir irgendeine Rechnung auf, bei der dann am Schluss etwas ohne Ausgleich bliebe. Und wir sind auf einmal in der guten Gesellschaft der Menschen, von denen wir im Evangelium, etwa beim „Gleichnis vom Weltgericht“ (Mt.25,31- 46) lesen, in dem die Gerechten ehrlich und ohne Falsch sagen: „Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und haben dir zu essen gegeben, oder durstig und haben dir zu trinken geg- eben? Wann haben wir dich als Fremden gesehen und haben dich aufgenommen, oder nackt und haben dich gekleidet? Wann haben wir dich krank oder im Gefängnis gesehen und sind zu dir gekommen?“ Sie haben es überhaupt nicht wahr genommen, dass sie ein gutes, mitmenschliches und Gott wohlgefälliges Leben geführt haben! Sie haben in Nächstenliebe, geholfen, gepflegt, Kranke besucht und Nackte gekleidet - und es kam in diesem Dienst doch immer genug, ja, übergenug an Freude und Dank der Menschen zurück - da ist nichts offen geblieben! Darum ist das Erstaunen, mit dem sie dann Jesu Worte hören, echt: „Wahrlich, ich sage euch: Was ihr get- an habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan. [...] Die Gerech- ten werden hingehen in das ewige Leben.“ Liebe Gemeinde, das Versprechen Jesu ist wahr! Wir müssen uns allerdings frei machen von einem Denken, das in unserer Zeit und unserer Welt immer stärker um sich greift: Als müsse al- lem, was wir einsetzen, ein gleich gearteter Lohn gegenüberstehen. Es ist eines der Geheimnisse unseres Glaubens, dass Gott unsere Taten und die materiellen Gaben, die wir an die Mitmensch- en wenden, ganz anders belohnt als wir das sonst gewohnt sind: etwa mit innerer Freude, Zu- friedenheit und einem Glück, das unser Leben hell macht. Oft sogar ist das ein Vielfaches von dem, was wir zuvor in ganz anderer Münze gegeben haben. AMEN