Predigt zum 13. Sonntag nach Trinitatis - 18.9.2011 Wir lesen heute zunächst den 1. Teil der Geschichte „Jesu wahre Verwandte“, wie sie in vielen Bibelausgaben heißt. Später erst wollen wir dann auch den 2. Teil hören: 1. Textlesung: Mk. 3, 31 - 33 Und es kamen seine Mutter und seine Brüder und standen draußen, schickten zu ihm und ließen ihn rufen. Und das Volk saß um ihn. Und sie sprachen zu ihm: Siehe, deine Mutter und deine Brüder und deine Schwestern draußen fragen nach dir. Und er antwortete ihnen und sprach: Wer ist meine Mutter und meine Brüder? Liebe Gemeinde! Sie steht in dieser Geschichte zwar nirgends so geschrieben, aber es geht hier um die eine wich- tige Frage: Wer gehört zu Jesus? Oder von der anderen Seite her gefragt: Wann kann ich sagen, ich gehöre zu ihm? - Diese Frage ist heute nicht weniger wichtig als damals, darum wollen wir sie jetzt bedenken. Eine erste Antwort würden wir bekommen, wenn wir Jesu Verwandte, seine Mutter und seine Geschwister in dieser Geschichte fragten. Sie würden vielleicht so sprechen: „Wir gehören zu Jesus, weil wir seine Mutter, seine Schwestern, seine Brüder sind!“ - Was sagt Jesus dazu?: „Wer ist meine Mutter und meine Brüder?“ Nun sind diese Worte ja ziemlich unbestimmt. An Jesu Verhalten können wir viel klarer ablesen, was er denkt und meint: Er schert sich nämlich absolut nicht um seine Verwandtschaft, die draußen steht und nach ihm geschickt hat. Was sagt uns das: Mit ihm leiblich verwandt zu sein, reicht nicht aus, wirklich zu ihm zu gehören. Oder besser: Nicht einmal leibliche Verwandtschaft genügt, dass eine oder einer mit Fug und Recht sagen kann: Ich gehöre zu Jesus! Das mag uns im Fall seiner Mutter ganz besonders hart vor- kommen und wir denken gewiss: Das hat sie nicht verdient. Aber so wird - wenn auch schmerz- haft - deutlich: Niemand kann sich allein darauf berufen, ihm nahe zu stehen. Es muss noch et- was anderes hinzukommen, dass einer wirklich zu ihm gehört. Bevor wir nun schon auf die Antwort schauen, die uns die Geschichte selbst am Ende gibt, über- legen wir noch ein wenig weiter: Ist es vielleicht entscheidend, viel über Jesus zu wissen? Gehö- ren die Menschen zu ihm, die seiner Sache nahe stehen, sich in der Bibel auskennen und die Ge- schichten über ihn und von ihm gut kennen und darum in bestimmten Situationen oder Diskussi- onen einen passenden Bibelspruch parat haben und ihn auch anbringen? Wenn wir da jetzt einmal die kurzen Jahre anschauen, in denen unser Herr über diese Erde ging, dann sehen wir: Keine Kenntnisse, kein Wissen, keine geistlichen Interessen, keine geistigen Fä- higkeiten oder ob wir mehr mehr oder weniger redegewandt oder bibelfest sind, bringen uns nä- her zu Jesus oder lassen uns zu ihm gehören. Jesus stammte schon aus solchen Kreisen: Josef war Zimmermann und Maria noch sehr jung und ein ganz armes Mädchen. (Für reichere Gäste hätte man in Bethlehem auch gewiss noch ein Zimmer frei machen können!) Und waren nicht ungebildete Hirten die ersten an der Krippe des Kindes? Und hat sich Jesus später nicht immer mit ganz einfachen Leuten umgeben: Die Jünger - überwiegend einfache Handwerker und Fi- scher. Die Menschen, die er geheilt hat - Frauen und Männer aus dem Volk, die sich absolut nicht von der Menge der anderen unterschieden haben. Bis zuletzt, bis zu seinem Tod am Kreuz von Golgatha, waren in seiner Nähe immer eher die Geringen, die Armen, die Schwachen und die Außenseiter zu finden. Aber nicht nur damals, auch heute ist das so. Er übt auf die Kleinen und Geringen eine viel höhere Anziehungskraft aus! Darum: nein, die Reichen, Gebildeten, Vor- nehmen haben keinen Vorteil, wenn es darum geht, zu ihm zu gehören. Bildung und Wissen, Kenntnisse in theologischen Fragen und in religiösen Dingen führen uns nicht in seine Nähe. Ein für evangelische Christen ganz heikles Thema hätten wir vielleicht in diesem Zusammen- hang gern unangesprochen gelassen: Verdienste! Aber ich glaube fest, ganz tief in unserem In- nern spukt nun doch der Gedanke an die Werke, die wir tun, herum! Das ist in dieser Zeit und in dieser Welt ja auch gar nicht so abwegig und unverständlich: Alles kostet doch etwas. Nichts ist umsonst! „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen.“ - „Wer nichts leistet, der verdient auch nichts.“ Sollte es bei Gott anders sein? - Das ist verdienstliches Denken, sagt uns das Gewissen. Sind wir, wenn wir Gutes tun, von unserer Habe abgeben und Nächstenliebe üben, nicht doch ein wenig besser als jene, die nur um den eigenen Bauch kreisen? - Das ist Werkgerechtigkeit, mahnt uns unsere evangelische Erziehung. Und wirklich: Werke und Verdienste lassen uns nicht näher an Jesus rücken. Seit er am Kreuz gelitten hat, gibt es nur noch ein Verdienst: Sein Opfer für uns. Es gibt noch einige Versuche, die Menschen gemacht haben und immer wieder machen, um zu Jesus Christus zu gehören: Ein asketisches, entbehrungsreiches Leben auf sich nehmen. Einen frommen Lebenswandel führen, vielleicht sogar in ein Kloster gehen. Einen Beruf wählen oder sich für ein Ehrenamt ausbilden lassen, in dem man diesem Herrn besonders dienen kann: Kran- kenschwester oder Pfleger, Pfarrerin oder Pfarrer, Prädikantin oder Prädikant ... Aber mehr als ein schöner Beruf, eine sinnvolle Beschäftigung und die Freude am Dienst für die Menschen ist dabei nicht zu haben - was ja nun aber auch nicht wenig ist! Jedenfalls bringt uns nichts davon näher zu unserem Herrn, sodass wir enger als andere zu ihm gehören. Lesen wir jetzt den 2. Teil des Predigttextes für heute: 2. Textlesung: Mk. 3, 34 + 35 Und er sah ringsum auf die, die um ihn im Kreise saßen, und sprach: Siehe, das ist meine Mutter und das sind meine Brüder! Denn wer Gottes Willen tut, der ist mein Bruder und meine Schwes- ter und meine Mutter. Liebe Gemeinde, den Willen Gottes tun, macht, dass wir zu Jesus gehören, ja, mehr noch: macht uns zu seiner Mutter, seiner Schwester, seinem Bruder... Fast möchten wir jetzt fragen: Das ist alles? Und weiter denken wir: Das tun wir doch auch! und: Das ist doch nichts Besonderes! Bevor wir uns jetzt mit unseren Gedanken verlaufen, schauen wir noch einmal genauer in diese Verse: „Und er sah ringsum auf die, die um ihn im Kreise saßen...“ Die Menschen sind zu ihm gekommen, um ihn zu sehen. Sie haben sicher teilweise lange Wege hinter sich gebracht und große Strapazen auf sich genommen, um auf das zu hören, was dieser Jesus von Nazareth zu verkündigen hat. Auf jeden Fall kommt es hier auf die besondere Situation an: Jesus spricht vor den Menschen gerade vom Glauben, vom Reich Gottes und wie wir hineingelangen. Wenn wir da jetzt an die leiblichen Verwandten denken: Sie stehen draußen, wie wir hören. Sie schicken nach Jesus, sie lassen ihn rufen, sie unterbrechen seine Rede! - Sie spüren das jetzt auch: Das ist schon ziemlich anmaßend, die leibliche Verwandtschaft so hervorzukehren, dass man meint, man könnte Jesu Predigt ruhig unterbrechen. Aber hier gehen weiß Gott wichtigere Dinge vor und es kommen in Jesu Predigt entscheidendere Fragen dran als das, was die Ver- wandten bewogen haben mag, ihren Sohn und Bruder bei seiner Rede zu stören. Das ist hier ganz ähnlich wie bei der Geschichte von Maria und Marta (Lk.10,38-42): Wenn Je- sus da ist, wenn er von den tiefsten Dingen des Glaubens spricht, dann kann es nur eins geben: dass man zuhört, dass man seine Worte in sich aufnimmt und zu befolgen versucht. Deshalb sagt Jesus zu Marta: „Marta, Marta, du hast viel Sorge und Mühe. Eins aber ist not. Maria hat das gu- te Teil erwählt!“ Ich denke, wir können jetzt die Szene besser beurteilen und Jesu Worte auch: „Siehe, das ist meine Mutter und das sind meine Brüder!“ Und ganz selbstverständlich fügt sich hier das andere Wort an: „Wer Gottes Willen tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter.“ Und Gottes Willen tun, das kann eben nur ein Mensch, der sich nach dem richtet, was Jesus sagt, der sich nicht ablenken lässt von weltlichen Beziehungen und leiblicher Verwandtschaft, auch nicht - wie Marta - durch den Ärger über die Schwester, sondern ganz konzentriert die Worte Je- su in sich aufnimmt. Diese Worte nämlich sagen uns, was Gott von uns haben will. Diese Worte weisen uns in allen Lebenslagen den Weg und geben uns Antwort auf unsere Fragen. Diese Worte, wenn wir ihnen nach Kräften nachzukommen versuchen, zeigen uns auch immer wieder, dass es gut ist und sinnvoll, dass es Gott gefällt und uns selbst Freude macht, auf Jesus zu hören. Kehren wir noch einmal zurück zu der Frage: Wer gehört zu Jesus? Wann kann ich sagen, ich gehöre zu ihm? Jetzt ist die Antwort klar: Wer die Nähe Jesu sucht, wer aufmerksam auf seine Worte hört und sich nach Kräften bemüht, sie zu befolgen, der gehört zu IHM und erfüllt damit den Willen Gottes. AMEN