Predigt zum Sonntag „Lätare“ - 3.4.2011 Textlesung: Jh. 6, 55 - 65 Denn mein Fleisch ist die wahre Speise, und mein Blut ist der wahre Trank. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich in ihm. Wie mich der lebendige Vater gesandt hat und ich lebe um des Vaters willen, so wird auch, wer mich isst, leben um meinetwillen. Dies ist das Brot, das vom Himmel gekommen ist. Es ist nicht wie bei den Vätern, die gegessen haben und gestorben sind. Wer dies Brot isst, der wird leben in Ewigkeit. Das sagte er in der Synagoge, als er in Kapernaum lehrte. Viele nun seiner Jünger, die das hörten, sprachen: Das ist eine harte Rede; wer kann sie hören? Da Jesus aber bei sich selbst merkte, dass seine Jünger darüber murrten, sprach er zu ihnen: Ärgert euch das? Wie, wenn ihr nun sehen werdet den Menschensohn auffahren dahin, wo er zuvor war? Der Geist ist’s, der lebendig macht; das Fleisch ist nichts nütze. Die Worte, die ich zu euch geredet habe, die sind Geist und sind Leben. Aber es gibt einige unter euch, die glauben nicht. Denn Jesus wusste von Anfang an, wer die waren, die nicht glaubten, und wer ihn verraten würde. Und er sprach: Darum habe ich euch gesagt: Niemand kann zu mir kommen, es sei ihm denn vom Vater gegeben. Liebe Gemeinde! Vielleicht haben wir uns ja bei der Feier des Abendmahls an den Gedanken gewöhnt, dass es vom Brot, das wir dort essen, heißt: Das ist der Leib Christi! Und auch vom Wein, den wir am Tisch des Herrn trinken, sprechen wir ohne Schwierigkeiten so: Das ist Christi Blut! Aber wenn Jesus hier selbst sagt: „Mein Fleisch ist die wahre Speise, und mein Blut ist der wahre Trank“ und wenn er gar noch hinzufügt: Wer mich isst, wird leben ..., dann ist das doch noch etwas an- deres. Solche Worte gehen an die Grenze ... der Vorstellungskraft und des guten Geschmacks. Das werden Jesu Jünger so empfunden haben, denn sie ärgern sich, wie wir hören und sie murren über Jesu harte Rede. Und das empfinden wir heute so und hätten uns gewünscht, Jesus hätte ein bisschen weniger anstößig gesprochen. Aber nun steht das alles so da und wir suchen nach einer Erklärung. Und wir werden auch fün- dig, wenn wir uns die Kritiker des Christentums in der Zeit des Evangelisten Johannes ansehen, und was sie gedacht und geredet haben damals - so um das Jahr 100 - als er sein Evangelium aufgeschrieben hat: Es gab nämlich zu dieser Zeit Leute, die behaupteten, Jesus hätte nur schein- bar einen menschlichen Leib gehabt. Er hätte also gar nicht am Kreuz gelitten und darum wäre der ganze Heilsweg vom letzten Abendmahl über Gethsemane bis hin zum Kreuz und zur Gra- blegung nur eine Täuschung der Menschen und eine Vorspiegelung falscher Tatsachen gewesen. Nach dem, wie diese Kritiker gedacht haben, kann es auch nicht sein, dass wir im Abendmahl wirklich Leib und Blut des Herrn genießen! Hier hat der Evangelist Johannes eine ganz andere Meinung gehabt! Deshalb hat er so betont, dass die Speise und der Trank des Abendmahls wirklich Jesu Leib und Blut sind! Ja, er hat sogar ein Wort für das „Essen“ dieses Leibes benutzt, das ganz genau übersetzt „Kauen“ bedeutet. Deutlicher kann man es nicht machen, dass Jesus tatsächlich den Körper eines Menschen hatte! Wenn wir das nun wissen, liebe Gemeinde, wäre es da nicht besser, wir übersetzten die be- sonders harten Worte des Johannes, die wir heute bedenken sollen, etwas weniger anstößig? Vi- elleicht so: Die Speise des Abendmahls bedeutet meinen Leib, der Trank des Abendmahls bedeu- tet mein Blut, und was Jesus noch hinzugefügt hat, könnte dann heißen: Wer am Abendmahl teil hat, wird leben! Ja, so könnten wir übersetzen. Und so verstehen ja die meisten von uns ohnedies das Geschehen des Abendmahls! Und ich will nicht sagen, dass die Menschen, denen ein solches Verständnis besser gefällt, damit ganz verkehrt liegen: Die Reformatoren von Zürich und Genf, Zwingli und Calvin, hätten sie auf ihrer Seite gehabt! Unser Reformator Martin Luther allerdings würde gewiss heute, genau wie er es damals im Gespräch mit den beiden anderen Theologen getan hat, auf den Tisch klopfen und sagen: Est!, das ist Lateinisch und bedeutet „Ist“. Mit diesem Wörtch- en wollte Luther ausdrücken, dass Brot und Wein nicht nur sinnbildlich oder symbolisch für Leib und Blut unseres Herrn steht, sondern dies tatsächlich ist, so dass wir es wirklich und wahrhaftig essen und zerbeißen, trinken und schlucken! Aber - und jetzt wird es ein wenig schwierig - Luther wusste durchaus, dass wir, wenn wir beim Abendmahl essen und trinken, nicht wirklich Jesu menschliches Blut und ein Stück seines Leibes zu uns nehmen. Wenn er sagt: Das ist Jesu Leib und Blut, dann geht es ihm - ganz ähnlich wie schon dem Evangelisten Johannes - darum, dass wir nur ja nicht vermindern und verharmlosen, was unser Herr für uns getan hat! Jesus hatte keinen Scheinleib! Wenn er sich unter den Geißelhieben der Soldaten windet, dann macht er uns nichts vor! Wenn er schreit, als sie ihm auf Golgatha die Nägel durch die Hände und Füße treiben, dann ist das wirklich der Ausdruck schlimmster Schmerzen! Und wenn er am Kreuz ausruft: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“, dann bricht hier das Gefühl schrecklicher Einsamkeit und Angst aus ihm heraus! Aber warum ist das denn so wichtig, dass er tatsächlich leiden musste und Schmerzen und Angst empfunden hat? Liebe Gemeinde, weil sonst alles fragwürdig, unecht und schief wird, was doch unsere Erlösung bedeutet! Wenn alles, was sich auf der Leidensstraße und auf Golgatha abspielt, nur eine Theaterveranstaltung wäre, dann hätte Jesus uns nicht gerettet, wir wären nicht erlöst, wir wären vielmehr weiter strafwürdig und noch in Sünde und Schuld. Bei der Geschichte un- seres Heils kommt wirklich alles darauf an, dass einer für alle die Strafe leidet, dass einer die Sünde aller trägt, die Schuld aller auf sich nimmt und für alle stirbt! Wenn das alles nur Schein gewesen wäre, dann könnten wir auch nicht an Jesus Christus glauben! Weil es aber echt ist und wirklich so schmerzhaft und grausam wie es aussieht, begreifen wir daran, wie sehr Gott uns liebt und wie wichtig es ihm ist, unser Herz zu gewinnen. Und noch eins - und das ist vielleicht das Wichtigste überhaupt: Hätte Jesus nur scheinbar gelitten, wäre er nur wie ein Schauspieler in den Theatertod gegangen, dann wäre auch seine Auferstehung nichtig, ohne Bedeutung und nur eine Täuschung unserer Augen und unserer Hoffnung. - Darum wollen wir das ernst nehmen und uns nicht darüber ärgern: Das ist mein Leib! Das ist mein Blut! „Mein Fleisch ist die wahre Speise, und mein Blut ist der wahre Trank“ - „Wer mich isst, wird leben!“ Liebe Gemeinde, es gibt noch einen anderen Grund, warum diese Gedanken und ihr Verständnis gerade in unseren Tagen so wichtig ist: Die Welt ist heute so voller Leid, voller Schmerzen, Angst und Trauer. Fast täglich erschüttern uns doch die Nachrichten von schrecklichen Ereignis- se rings um die Erde, die Kriege und die Katastrophen ... Und manchmal meinen wir doch, das würde immer mehr und nähme bald überhand mit den schlimmen Erfahrungen mit mensch- engemachtem, aber auch von der Natur verursachtem Unglück! Aber wo Menschen so leiden und durch so tiefes Dunkel gehen, so viel Bosheit und so große Ängste erdulden müssen, da können wir nur einem Gott glauben, der mit uns in alles Dunkel und alle Angst hineingeht, der wirklich und wahrhaftig daran leidet, stirbt und dadurch wirklich und wahrhaftig Leid und Tod überwindet. So habe ich am Anfang dieser Predigt gesagt: Vielleicht haben wir uns ja bei der Feier des Abendmahls an den Gedanken gewöhnt, dass es vom Brot, das wir dort essen, heißt: Das ist der Leib Christi! Und auch vom Wein, den wir am Tisch des Herrn trinken, sprechen wir ohne Schwierigkeiten so: Das ist Christi Blut! Ich glaube allerdings, dass wir uns nur daran gewöhnt haben, weil wir diese Worte nicht mehr so ganz ernst nehmen! Vielleicht aber - das will ich dur- chaus zugestehen - machen wir uns auch keine Gedanken mehr darum. Wie es nun aber auch sei - nehmen wir von heute mit, dass wir einen Herrn haben, der wie wir einen menschlichen Leib gehabt hat, der Schmerzen empfunden und gelitten hat, wie alle Menschen. Aber vergessen wir dann nicht, dass dieser Jesus Christus der Sohn Gottes gewesen ist, der uns mit seinem Leiden und Sterben von Strafe, Sünde, Schuld und Tod erlöst und in alle Ewigkeit freigemacht hat durch sein Kreuz und seine Auferstehung. Wenn wir das nächste Mal zum Tisch des Herrn gehen, wollen wir daran denken und hinter den Worten, die uns dann gesagt werden, seine Stimme hören: Das ist mein Leib! Das ist mein Blut! „Mein Fleisch ist die wahre Speise, und mein Blut ist der wahre Trank“ - „Wer mich isst, wird leben!“ AMEN