Predigt zum Sonntag „Invokavit“ - 13.3.2011 Textlesung: 1. Mose 3, 1 - 19 Aber die Schlange war listiger als alle Tiere auf dem Felde, die Gott der HERR gemacht hatte, und sprach zu dem Weibe: Ja, sollte Gott gesagt haben: ihr sollt nicht essen von allen Bäumen im Garten? Da sprach das Weib zu der Schlange: Wir essen von den Früchten der Bäume im Garten; aber von den Früchten des Baumes mitten im Garten hat Gott gesagt: Esset nicht davon, rühret sie auch nicht an, dass ihr nicht sterbet! Da sprach die Schlange zum Weibe: Ihr werdet keineswegs des Todes sterben, sondern Gott weiß: an dem Tage, da ihr davon esset, werden eure Augen aufgetan, und ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist. Und das Weib sah, dass von dem Baum gut zu essen wäre und dass er eine Lust für die Augen wäre und verlockend, weil er klug machte. Und sie nahm von der Frucht und aß und gab ihrem Mann, der bei ihr war, auch davon, und er aß. Da wurden ihnen beiden die Augen aufgetan, und sie wurden gewahr, dass sie nackt waren, und flochten Feigenblätter zusammen und machten sich Schurze. Und sie hörten Gott den HERRN, wie er im Garten ging, als der Tag kühl geworden war. Und Adam versteckte sich mit seinem Weibe vor dem Angesicht Gottes des HERRN unter den Bäumen im Garten. Und Gott der HERR rief Adam und sprach zu ihm: Wo bist du? Und er sprach: Ich hörte dich im Garten und fürchtete mich; denn ich bin nackt, darum versteckte ich mich. Und er sprach: Wer hat dir ge- sagt, dass du nackt bist? Hast du nicht gegessen von dem Baum, von dem ich dir gebot, du solltest nicht davon essen? Da sprach Adam: Das Weib, das du mir zugesellt hast, gab mir von dem Baum, und ich aß. Da sprach Gott der HERR zum Weibe: Warum hast du das getan? Das Weib sprach: Die Schlange betrog mich, so dass ich aß. Da sprach Gott der HERR zu der Schlange: Weil du das getan hast, seist du verflucht, verstoßen aus allem Vieh und allen Tieren auf dem Felde. Auf de- inem Bauche sollst du kriechen und Erde fressen dein Leben lang. Und ich will Feindschaft set- zen zwischen dir und dem Weibe und zwischen deinem Nachkommen und ihrem Nachkommen; der soll dir den Kopf zertreten, und du wirst ihn in die Ferse stechen. Und zum Weibe sprach er: Ich will dir viel Mühsal schaffen, wenn du schwanger wirst; unter Mühen sollst du Kinder gebären. Und dein Verlangen soll nach deinem Manne sein, aber er soll dein Herr sein. Und zum Manne sprach er: Weil du gehorcht hast der Stimme deines Weibes und gegessen von dem Baum, von dem ich dir gebot und sprach: Du sollst nicht davon essen -, verflucht sei der Acker um deinetwillen! Mit Mühsal sollst du dich von ihm nähren dein Leben lang. Dornen und Disteln soll er dir tragen, und du sollst das Kraut auf dem Felde essen. Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du wieder zu Erde werdest, davon du genommen bist. Denn du bist Erde und sollst zu Erde werden. Und Adam nannte sein Weib Eva; denn sie wurde die Mutter aller, die da leben. Und Gott der HERR machte Adam und seinem Weibe Röcke von Fellen und zog sie ihnen an. Und Gott der HERR sprach: Siehe, der Mensch ist geworden wie unsereiner und weiß, was gut und böse ist. Nun aber, dass er nur nicht ausstrecke seine Hand und breche auch von dem Baum des Lebens und esse und lebe ewiglich! Da wies ihn Gott der HERR aus dem Garten Eden, dass er die Erde bebaute, von der er genommen war. Und er trieb den Menschen hinaus und ließ lagern vor dem Garten Eden die Cherubim mit dem flammenden, blitzenden Schwert, zu bewachen den Weg zu dem Baum des Lebens. Liebe Gemeinde! Die Geschichte, über die wir heute predigen sollen, ist lang. Genauso lang ist die Reihe der Themen, die wir in dieser Geschichte angesprochen finden und über die wir jetzt weiter na- chdenken könnten: Über die Schlange und wer sich hinter ihrer Gestalt verbirgt. Warum die erste Erkenntnis nach dem Genuss der Frucht, die Nacktheit war? Ob Gott wirklich abends im Paradies umherwandelte? Wer nun eigentlich schuld hat am Sündenfall? Die Verfluchung des Ackers und ob es heute noch gilt, dass wir am Ende zu Erde werden. Und das wieder würde uns zu der Frage führen, ob wir zu der Sündenfallgeschichte nicht auch von Jesus Christus her einen Bezug herstellen müssten. Und noch manches mehr bietet sich hier als Thema an. Mir ist beim Lesen der Geschichte etwas aufgefallen, das liegt mehr im Hintergrund der Ges- chichte - oder sagen wir: es ist eine ihrer Voraussetzungen. Ich meine diese scheinbar selbstverständliche Neugier, diesen Wissensdurst des Menschen Gott gegenüber, die wir schon bei Adam und Eva und die wir noch heute nicht nur bei Wissenschaftlern, sondern bei fast allen Menschen beobachten können. In der Schöpfungsgeschichte ist es „Die Unterscheidung von Gut und Böse“, nach der den ersten Menschen der Sinn steht, eine Fähigkeit, die Gott den Menschen nicht zugestehen wollte. Später bei Mose ist es das Verlangen zu wissen, wie Gott in seiner Herrlichkeit aussieht - auch diesen Wunsch wollte Gott nicht erfüllen. König Saul geht zu einer Totenbeschwörerin, um den toten Samuel um Rat zu fragen (1.Sam.28,3ff) - das Totenreich aber war den Menschen verborgen und es war eine ganz schlimme Sünde, dort einzudringen und die Ruhe der Toten zu stören. David will wissen, ob seine Truppen stark genug sind und lässt darum das Volk zählen (2.Sam.24,1ff) - auch das eine schwere Sünde, denn es ist allein Gottes Wollen und Macht, die den Sieg schenken kann oder unterliegen lässt, nicht die Stärke der Truppen. Aber auch im Neuen Testament gibt es diese Neugier oder sagen wir besser: diesen Drang, Dinge wissen und beeinflussen zu wollen, die allein Gott weiß und die seine Sache und sein Ge- heimnis sind. So bitten die Söhne des Zebedäus bei Jesus: „Gib uns, dass wir sitzen einer zu deiner Rechten und einer zu deiner Linken in deiner Herrlichkeit“ (Mk10,37). Und als Jesus den Jüngern sein Leiden und seinen Tod ankündigt, da ist es Petrus, der dem wehren will, was Gott doch beschlossen hat und er wird von Jesus hart zurechtgewiesen: „Geh weg von mir, Satan! Denn du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist“ (Mk.8,33). Und die Zeichen menschlicher Neugier gegenüber Gottes Geheimnissen, dieser Wissensdrang und unser Bemühen, auf das, was Gott beschlossen hat und was sein Wille ist, Einfluss zu neh- men, lassen sich seitdem überall und immer wieder in der Geschichte des christlichen Glaubens beobachten - bis heute - in unsere angeblich so aufgeklärte Zeit. Als Beispiele nenne ich nur die Horoskopgläubigkeit so vieler - durchaus christlicher - Menschen und die Versuche, die gewiss auch wir selbst immer wieder anstellen, durch Verhandeln bei Gott, die Änderung dessen zu er- reichen, was er beschlossen hat: „Wenn du mir jetzt das gibst, dann will ich auch ganz fest an dich glauben!“ Wir wollen zurückkehren zum ersten Beispiel dieses „Sündenfalls“, also in Gottes Geheimnisse eindringen und wissen und beeinflussen zu wollen, was Gott vor uns verbergen und in seiner Hand und Entscheidung behalten will. Schon im Garten Eden ist die Sache klar: Es ist das Böse, die Schlange, die Menschen dazu verführt, von der verbotenen Frucht zu essen. Es ist Sünde gegenüber Gott, auf die Einflüsterung der Schlange zu hören. Und es zieht Strafe und furchtbare Folgen nach sich, an das zu rühren, was Gott sich allein vorbehalten hat. Aber es wird Zeit, diese Sache einmal von der anderen Seite her zu betrachten: Wenn wir die Sündenfallgeschichte ansehen, wie wäre es denn weiter gegangen, hätten Eva und Adam nicht von der Frucht des Baumes inmitten des Gartens gegessen? Wenn wir die Geschichte ernst neh- men, müssen wir sagen: Wir lebten immer noch im Paradies! Und auch bei den anderen Ver- suchen der Menschen, in Gottes Hoheitsbereich einzudringen, wäre es gut gewesen, sie hätten es nicht getan! Ablehnung, Strafe, Zorn und Zurechtweisung wären ihnen erspart geblieben. Und selbst beim Glauben an Horoskope oder beim Verhandeln mit Gott schlägt uns doch auch das Gewissen und wir haben uns das Gefühl dafür bewahrt, dass solche Dinge eigentlich nicht gut sind, vielmehr falsch, unrecht, sündig und anmaßend. Und oft genug hat uns wohl auch schon unser Gewissen hinterher gesagt, wir hätten lieber nicht tun sollen, was wir getan haben! Worum es in der Sündenfallgeschichte und in unserer Beziehung zu Gott und unserem Verhält- nis zu seinen Geheimnissen und seinem verborgenen Willen eigentlich geht, ist das Vertrauen! Und dieses Vertrauen ist im Grunde nichts anderes als das, was wir Glauben nennen. Diesen Glauben erwartet Gott von uns, dass wir hinter allem, was uns geschieht, in allem, was Gott uns sagt und trotz allem, was er vor uns verbirgt unser Bestes will! Wie Gott in den Tagen des Paradieses seinen Menschen alles, wirklich alles gegeben hat, was zum Leben nötig ist, so will und wird er das auch uns täglich neu geben. Wie er von Anfang an wollte, dass seine Menschen leben und nicht sterben, so hat Gott auch uns zum Leben und nicht zum Tod bes- timmt. Wir sollen Gott seine Geheimnisse lassen. Wir müssen nicht alles wissen, schon gar nicht, warum und weshalb Gott dies oder das tut. Wir sollen nicht alles grob berühren, was allein Gottes Wollen unterliegt. Wir sollen glauben, dass Gott es gut mit uns meint. Wir sollen glauben, dass auch noch das, was ganz böse aussieht, uns am Ende dienen muss. Als Christinnen und Christen müssen wir nicht mehr wissen als das: Jesus Christus hat am Kreuz Sünde, Tod und Teufel besiegt und das Leben für uns verdient. Wir wollen Vertrauen haben. AMEN