Predigt zur Jahreslosung 2011 - 1.1.2011 Jahreslosung 2011: Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem. Röm. 12,21 Liebe Gemeinde! Zwei Gedanken gehen uns gewiss durch den Kopf, wenn wir die Jahreslosung für das kommende Jahr hören: Einmal scheint uns das gut und richtig, was sie uns rät. Dem Bösen dürfen wir nicht nachge- ben, schon gar nicht, wenn wir Christen sein wollen. Dann aber kommt uns wohl auch noch etwas an- deres in den Sinn: So ganz „böse“ ist das, was wir so tun und lassen, doch eigentlich nicht. Ich glaube, beide Gedanken sind nicht verkehrt: Wir Christen müssen dem Bösen widerstehen. Und: Meist ist die Bosheit, die von uns ausgeht, eher klein. Haben wir also dieses Losungswort gar nicht nötig? Ist es für uns ohne Bedeutung? Brauchen wir seine Begleitung durch das kommende Jahr gar nicht? Wenn wir eine Antwort auf diese Fragen suchen, werden wir nicht daran vorbeikommen, dass es in unserer Welt, in der Ferne, aber auch in der Nähe, doch sehr viel Böses gibt. Dabei sind die anderen Menschen, auch jene, die keine Christen sind, sicher genau wie wir der Meinung, dass sie dem Bösen nicht nachgeben dürfen und dass die Bosheit, die sie tun, eigentlich nicht der Rede wert ist. Und doch gibt es das Böse in vielfältiger Form: Der Krieg, der an vielen Orten rings um die Erde tobt, ist solch ein Werk des Bösen. Bosheit steht auch hinter der gewaltsamen Unterdrückung der Freiheit durch die zahlreichen Diktaturen, die es in der Welt noch gibt. Und auch die Regimes, die ihrem Volk die Men- schenrechte vorenthalten, sind mit dem Bösen im Bund. Aber auch in unserem kleinen Lebensbereich gibt es viel Böses: Der Hass auf andere Menschen fällt mir ein. Der sinnlose Reichtum mancher Zeit- genossen, die aber nicht bereit sind, denen etwas davon abzugeben, die hungern und Not leiden. Schließlich ist auch Betrug, Missgunst, üble Nachrede und die Freude am Unglück und schweren Ge- schick anderer unter uns verbreitet. Wie kann das sein, wenn sich alle Menschen doch darum bemühen, dem Bösen zu widerstehen? Wo- her kommt die Bosheit, die wir täglich erleben, wenn das, was von uns ausgeht, doch eigentlich nicht wirklich „böse“ genannt werden kann? - Ich glaube, das hat mit den drei Begleitern des Bösen zu tun, die meist mit ihm zusammen auftreten. Ich will zu allen dreien einmal ein Beispiel geben. Der erste dieser Begleiter des Bösen ist die Lüge - und hier ist das Beispiel dazu: Das war im Jahr 2003. Ein irakischer Ingenieur „berichtet“ dem amerikanischen Präsidenten von Massenvernichtungswaffen in seinem Heimatland. Der Präsident hat damit die Rechtfertigung gefun- den, die amerikanischen Truppen im Irak einmaschieren zu lassen und einen Krieg zu beginnen. Die- ser Krieg hat bis heute über 650.000 Todesopfer - meist Zivilisten - gefordert. Massenvernichtungs- waffen wurden im Irak nie gefunden. Längst ist die Aussage des irakischen Ingenieurs als Lüge ent- larvt. - Oft ist es eine Lüge, die das Böse vorbereitet und möglich macht. Der zweite Begleiter des Bösen ist die Gewöhnung. Dafür gibt es viele Beispiele, von denen wir das eine oder andere sicher aus eigener Erfahrung kennen: Vielleicht fällt uns irgendwann auf, wie un- möglich der Nachbar mit seinen Kindern umgeht, dass er sie anschreit, mit Worten klein macht und sogar schlägt. Zuerst überlegen wir, was wir ihm unbedingt sagen oder was wir unternehmen wollen. Bald aber vergessen wir unser Vorhaben wieder - bis zum nächsten Mal. Dann nehmen wir uns neuer- lich vor, den Nachbarn anzusprechen - und tun es doch nicht. Nach und nach regt uns das Verhalten des Nachbarn immer weniger auf. Wir haben uns sozusagen daran gewöhnt, dass er seine Kinder schlecht behandelt und es kommt uns gar der Gedanke, dass seine Kinder das vielleicht ja auch so brauchen ... Wenn der Chef im Betrieb einen Kollegen auf dem Kieker hat oder wenn in unserem Verein einer beim Vorstand untendurch ist, läuft es ganz ähnlich. - Wenn wir lange genug zugesehen haben, stellt sich Gewöhnung ein und verharmlost das Böse und lässt es nicht mehr so schlimm er- scheinen. Für den dritten Begleiter des Bösen gibt es auch in der Bibel einige Beispiele - eines ist besonders drastisch. Es geht dabei um die Heuchelei: Da betet Jesus im Garten Gethsemane. Er hat große Angst vor dem, was er kommen sieht. „Vater, ist’s möglich, so lass diesen Kelch an mir vorbeigehen!“ Dann nähert sich Judas mit den Soldaten. Und es ist ausgerechnet ein Kuss, der den Herrn verrät. Das Zeichen der Liebe als Zeichen einer abgrundtief bösen Absicht. Manchmal ist es ein Lächeln, das uns darüber hinwegtäuschen soll, dass einer Böses plant. Manchmal sind es Geschenke, die uns vergessen machen sollen, dass einer Böses mit uns vorhat. - Das Böse setzt eine Maske auf und tarnt sich durch Heuchelei - bis wir es erkennen, hat es uns fest im Griff und wir können ihm nicht mehr entkommen. Liebe Gemeinde, vielleicht werden wir jetzt sagen: Ja, so ist das mit dem Bösen. Mit Lüge, durch Gewöhnung und Heuchelei bereitet es sich den Weg in die Welt, in die Verhältnisse der Staaten un- tereinander und der Menschen, in unser Leben und unsere persönlichen Beziehungen ... Wie geht das nun aber weiter? Stellen wir das nur fest und lassen es dabei? Oder stellen wir uns dem entgegen und versuchen dem Bösen wirklich zu widerstehen und es zu überwinden? Auf die Weltpolitik, auf die Entscheidungen zum Krieg, auf menschenverachtende Ditaturen und Re- gimes, die ihr Volk unterdrücken haben wir weniger Einfluss. Aber selbst da können wir uns engagie- ren: Indem wir bei Unterschriftenaktionen und Demonstrationen mitmachen, indem wir keine Waren aus betroffenen Ländern kaufen und indem wir bei Verwandten, Freunden und Nachbarn ansprechen und darüber aufklären, was da und dort an Bösem geschieht. In unserem kleineren Lebensbereich haben wir deutlich mehr Möglichkeiten: Rechnen wir mit der Lüge! Das Böse ist rücksichtslos. Es bedient sich auch der Menschen, die von Herzen gut sind, aber schwach. Die Unwahrheit ist so schnell auf den Lippen ... und heraus! Und ist sie erst gesagt, dann kann sie einer nicht mehr zurückholen. Dann tut sie ihr Werk - für das Böse. Da- rum fragen wir zurück. Vergewissern wir uns, soweit das möglich ist, dass man uns die Wahrheit sagt. Prüfen wir uns selbst dabei, ob uns das, was wir hören - auch wenn es eine Lüge sein sollte - nicht eigentlich gut gefällt und in den Kram passt. Und - wenn sich unser Verdacht erhärtet - sprechen wir es auch aus: Ich glaube das nicht! So nehmen wir dem Bösen die Macht und es wird sich zurückziehen. Überlassen wir uns nicht der Gewöhnung! Das Böse wird niemals mit der Zeit kleiner, sondern immer größer! Wenn das Böse erst lange sein Unwesen getrieben hat, ist es deshalb nicht harmloser gewor- den. Wenn wir uns vorgenommen haben, etwas Böses anzusprechen, dann tun wir’s auch. Bosheit verursacht Leid und die Menschen, die an ihm leiden, gewöhnen sich nicht daran. Durchschauen wir auch die Heuchelei! Das Böse versteckt sich hinter den schönsten Masken. Es hat keine Hemmungen, uns zu täuschen. Fallen wir nicht darauf herein, wenn ein Mensch uns mit freun- dlichen Worten blenden will. Fragen wir nach dem Ziel, das dahinter steht. Fragen wir: Wem nützt es, was dieser Mensch vorhat. Und wenn wir erkennen, es ist zu seinem eigenen Nutzen, dann Vorsicht! Das Gute, das Menschen tun, hat meist nicht das Eigene, sondern das im Blick, was dem Mitmensch- en zugute kommt! Lass dich nicht vom Bösen überwinden ... Bis jetzt haben wir mehr über den ersten Teil der Jahres- losung nachgedacht, haben überlegt, wie wir dem Bösen widerstehen und uns gegen seine Macht wehren können. Jetzt wollen wir auch noch sehen, wie wir ihm Gutes entgegensetzen und das wahr machen, was der zweite Teil der Losung sagt: ... sondern überwinde das Böse mit Gutem. Dazu wollen wir uns jetzt auch selbst die Frage stellen und das von heute an immer wieder tun: Gebe ich bei mir der Lüge Raum, dass durch mich Böses werden und wachsen kann? Habe ich mich nicht auch schon an das eine oder andere gewöhnt, wogegen ich eigentlich aufstehen und meine Stimme er- heben müsste? Tarne ich etwa selbst meine eigenen Absichten mit Maskerade und Heuchelei, dass ich andere über das, was ich eigentlich will und vorhabe, täusche? Wenn ich alle diese Fragen aus einem ehrlichen Herzen heraus mit nein beantworten kann, dann kann ich damit beginnen, das Gute zu tun, das alles Böse überwindet: Ich sage ehrliche Worte. Ich schweige auch dann nicht, wenn es gilt Kritik zu äußern und das zu sa- gen, was meinem Gegenüber unangenehm ist. Ich bin aber auch offen für das, was andere mir - viel- leicht mit Recht - vorhalten. Immer bemühe ich mich, die Wahrheit so zu sagen, dass sie nicht ver- letzt, sondern hilft und „alle Dinge zum besten kehrt“, wie Luther es in der Erklärung zum 8. Gebot ausdrückt. Ich rede und handle nach dem Maß, das mir mein Glaube an Jesus Christus vorgibt. Ich möchte mit dem, was ich tue und lasse vor meinem Gott bestehen können. Warum nicht fragen, wenn eine Ent- scheidung schwierig ist oder unklar, wie ich mich richtig verhalte: „Was hätte Jesus jetzt getan?“ Kein Mitmensch soll sich daran gewöhnen müssen, dass ich dem Bösen auf irgendeine Weise Vor- schub leiste. Schließlich trete ich jedem meiner Nächsten offen und ohne Verstellung gegenüber. Meine Absichten sind gut und haben immer auch den Mitmenschen und die Gemeinschaft im Blick. So dient alles, was ich rede und wie ich handle nicht nur mir, sondern auch denen, die wie ich Kinder Gottes und im Glauben Geschwister Jesu Christi sind. Das alles kann ich, weil Jesus Christus selbst mir hilft! Denn er ist mein Bruder und er ist mir täglich nah, so nah wie ein Gebet. Er stärkt mich, auf dem Weg des Guten zu bleiben. Er gibt mir die Kraft, dem Bösen zu widerstehen und es mit Gutem zu überwinden. Er ist es auch, der mir - wie jedem von uns - die Gemeinde der Mitchristen geschenkt hat. Wir sind nicht allein. Wir haben den Beistand un- seres Herrn und wir haben einander. So kann diese Losung wahr werden und im kommenden Jahr hilfreich das Leben jedes Einzelnen von uns und das unserer Gemeinde begleiten: Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem. AMEN