Predigt zum 11. Sonnt. nach Trinitatis - 15.8.2010 Textlesung: Eph. 2, 4 - 10 Aber Gott, der reich ist an Barmherzigkeit, hat in seiner großen Liebe, mit der er uns geliebt hat, auch uns, die wir tot waren in den Sünden, mit Christus lebendig gemacht - aus Gnade seid ihr selig geworden -; und er hat uns mit auferweckt und mit eingesetzt im Himmel in Christus Jesus, damit er in den kommenden Zeiten erzeige den überschwänglichen Reichtum seiner Gnade durch seine Güte gegen uns in Christus Jesus. Denn aus Gnade seid ihr selig geworden durch Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es, nicht aus Werken, damit sich nicht jemand rühme. Denn wir sind sein Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, dass wir darin wan- deln sollen. Liebe Gemeinde! Mir ist über diesen Versen wieder einmal klar geworden, wie groß, wie gewaltig und umfassend das Geschenk Gottes ist, das er uns im Glauben an Jesus Christus anbietet. Und noch ein zweites wird mir neu deutlich: Unsere Zeit ist immer weniger so, dass Menschen dieses Geschenk Gottes annehmen können ... oder wollen. Und doch findet Gottes Liebe immer wieder einen Weg, zum Herzen der Menschen durchzudringen, so dass sie seine Gabe im Glauben empfangen. Ziemlich rätselhaft, was ich da sage!? - Darum fange ich jetzt noch einmal von vorne an. Gottes Gabe an seine Menschen ist dies: Wir waren „tot in unseren Sünden“, aber Gott hat uns „in seiner großen Liebe ... mit Jesus Christus lebendig gemacht“. Aus Güte ist das geschehen, aus Gnade sind wir selig geworden! Mit Jesus Christus sind wir „auferweckt und mit eingesetzt im Himmel“. Und Gott wird „in den kommenden Zeiten“, das heißt in seiner Ewigkeit, „den überschwänglichen Reichtum seiner Gnade durch seine Güte gegen uns in Christus Jesus“ erzeigen. Spätestens jetzt fragen wir als Kinder dieser Welt und dieser Zeit doch, wo eigentlich unser Beitrag am Heilswerk Gottes ist? Warum und wofür schenkt Gott uns so großzügig seine Gnade? Anders gefragt und unserem Denken und unserer Zeit gemäß: Womit haben wir das denn verdient? Und an dieser Stelle unseres Nachdenkens kommen dann mit Sicherheit solche Gedanken: „Nun, wir haben uns ja auch bemüht, so zu leben, dass es Gott gefällt!“ - „Eigentlich kann Gott mit uns doch ganz zufrieden sein!“ - „Wir lieben nach Kräften unsere Mitmenschen, wir spenden für karitative Zwecke und in die Kirche gehen wir auch regelmäßig ...“ Aber alles das wird uns mit einem Satz wieder zunichte gemacht: „Denn aus Gnade seid ihr selig geworden durch Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es, nicht aus Werken, damit sich nicht jemand rühme.“ Nicht einmal der Glaube ist also unser Werk! Selbst der Glaube wird uns noch von Gott geschenkt und hat ganz und gar nichts damit zu tun, wie wir uns bemühen, verhalten, was wir spenden oder an guten Taten vor- zuweisen haben. Denn sogar unsere guten Werke entspringen Gottes Plan und seiner Vorbereitung! Hören wir doch: „Denn wir sind Gottes Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, dass wir darin wandeln sollen.“ - Sicher verstehen Sie jetzt, wenn ich vorhin ge- sagt habe, „wie groß, wie gewaltig und umfassend das Geschenk Gottes ist, das er uns im Glauben an Jesus Christus anbietet“. Nichts, gar nichts bleibt für uns zu tun. Nirgends ist ein Platz für unsere Leistung, unser Werk, unser Verdienst. Alles müssen wir uns schenken lassen. Und hier wird nun auch verständlich, was ich damit gemeint habe: „Unsere Zeit ist immer weniger so, dass Menschen dieses Geschenk Gottes annehmen können ... oder wollen.“ Denn wir leben in einer Leistungsgesellschaft. Wir haben es gelernt und müssen es täglich neu spüren: Es wird uns nichts ges- chenkt! Was wir uns nicht verdienen, kriegen wir nicht. Wer nichts leistet, wird auch nichts erreichen. Um das nun in unser Verhältnis zu Gott zu übertragen, müssten wir sagen: Er schafft uns eine Gnadengesellschaft, in der wir nichts leisten müssen, ja, gar nichts leisten können! Bei ihm müssen wir lernen, dass uns alles geschenkt wird! Wir kriegen nur, was wir nicht verdienen! Wir erreichen al- les, ohne etwas zu leisten. - Wie passt das zusammen? Leben wir in zwei Welten mit Gesetzen, die unterschiedlicher nicht sein könnten? Geht das überhaupt, in diesen zwei Welten zu leben? Müssen wir uns da nicht selbst aufspalten und ... verlieren? Ganz klar diese Antwort: Ja, wir leben als Christen in zwei verschiedenen Welten. Und wir können ihre Gegensätze nicht auflösen, sondern nur feststellen, wahrnehmen und ... ertragen! Und wir kennen viele biblische Belege dafür, dass es diese Gegensätze gibt und dass sie von Gott gewollt sind! Wie heißt es etwa im Römerbrief (4,7f), in dem Paulus ein Wort aus dem 32. Psalm aufnimmt: „Selig sind die, denen die Ungerechtigkeiten vergeben und denen die Sünden bedeckt sind! Selig ist der Mann, dem der Herr die Sünde nicht zurechnet!“ Die Ungerechtigkeit bleibt, auch wenn der Mann „selig“ genannt wird. Die „Sünde“ ist nur bedeckt, weil Gott sie vergibt. Daraus entwickelt Luther später die Lehre, dass alle Menschen vor Gott immer Sünder und gerechtfertigt zugleich sind! Oder nehmen wir die bekannte Geschichte vom Verlorenen Sohn (Lk. 15,11ff): Der Sohn, nachdem er heimgekehrt ist, hat doch immer noch alle seine Schuld im Gepäck, die er in der Fremde auf sich geladen hat! Er bleibt doch der Prasser, der unfolgsame Sohn, der sein ganzes Erbe mit falschen Freunden und leichtfertigen Frauen vertan hat. Und doch nimmt ihn der Vater an. Und doch breitet er die Arme aus, um ihn zu umfangen. Und er freut sich so, dass er diesem Nichtsnutz ein rauschendes Fest feiert! Auch hier macht es allein die Vergebung des Vaters, dass der „verlorene“ Sohn gleichzeitig ein „gefundener“ sein kann. Auch hier bleibt die Sünde und Gott spricht dennoch das Urteil: gerecht! Schließlich gibt es noch dieses Beispiel für unser Leben in zwei Welten: Als Menschen dieser Welt sind wir allemal dem Tod verfallen. Wir werden einmal nicht daran vorbei kommen, zu sterben und die dunkle Schwelle des Todes zu überschreiten. Aber wir wissen im Glauben schon von unserer Auferstehung, ja, wir sind im Glauben an Jesus Christus schon auferstanden. Und auch hier ist es Gottes Vergebung durch das Kreuz Jesu Christi, die uns todverfallenen Menschen schon heute die Ewigkeit und das Leben in Gottes Reich öffnet. Liebe Gemeinde, ich will jetzt nicht so tun, als wäre es einfach, diese Gedanken von den zwei Welten, in denen wir Christen leben, zu begreifen. Noch schwieriger ist es sicher, die Gegensätze dieser zwei Welten im Leben durchzuhalten und ihre Spannung auszuhalten. Aber es gibt eine Hilfe dazu - und ich habe sie jetzt schon einige Male genannt. Es gibt einen Schlüssel, der uns die Tür zu einem Leben öffnet, in dem wir trotz aller Spannungen, trotz aller Widersprüche und Gegensätze fröhlich und so, dass es Gott gefällt, leben können. Diese Hilfe, dieser Schlüssel heißt Jesus Christus! Er ist in die Welt gekommen, um uns mit Gott zu versöhnen. Er kommt aus der Ewigen Welt und gibt sich hinein in unsere zeitliche, endliche Welt. Ja, er stirbt in ihr, durch die Hand der Menschen. Aber er stirbt für diese und für alle Menschen. Er opfert sich für sie, um sie von Sünde und Schuld zu erlösen. Um seinetwillen vergibt Gott den Sündern. Der Tod Jesu öffnet uns das Ewige Leben. Unsere Hilfe im spannungsvollen Leben dieser Welt ist es nun, auf diesen Jesus Christus zu schauen. In allem, was uns begegnet, niemals den Blick von ihm abzuwenden. In allem, was wir tun und las- sen, zu fragen: Was will er, dass ich tue. Zu welcher Entscheidung würde er raten. Welchen Weg würde er mir weisen. - So fragt der Glaube an ihn. Im Gebet zu ihm wird diese Hilfe konkret! Und neben diesen alltäglichen kleinen Hilfestellungen wird uns auch die große Linie seines kurzen Erdenlebens wie ein Geländer sein, an dem wir uns festhalten können und das uns immer die Rich- tung auf das große Ziel hin zeigt: Er hat gelebt für uns. Er hat gelitten für uns. Er ist gestorben für uns. So hat er uns erlöst und Gottes Vergebung verdient. Jetzt kann sich unser Blick über dieses Leben hinaus heben. Wir sind nicht allein Kinder dieser Welt! Wir haben eine Heimat in Gottes ewigem Reich. Schon heute sind wir Erben und Bürger dort. Wir sind mit Christus schon gestorben und auferstanden. Hinter der Schwelle des Todes geht es für uns weiter! Wir bleiben Sünder - aber wir sind schon gerecht durch den, der sein Leben für uns gab. Wir sind Verlorene - und doch gefunden durch die Barmherzigkeit Gottes. Sagen Sie selbst, fällt es vor dem Hintergrund dieser Gedanken immer noch schwer, das Geschenk der Gnade Gottes anzunehmen? Ist es denn nicht vielleicht eher so, dass uns allein diese überschwängliche Gnade Gottes in dieser oft so kalten Welt, in der es kaum noch etwas umsonst gibt, ein fröhliches Leben ermöglicht und eines, das ein Ziel hat!? Und selbst wo wir diese unermessliche Güte Gottes nicht begreifen, sie liegt doch für uns bereit - warum sollten wir sie ausschlagen? Wem es nun immer noch nicht gefällt, dass er so gar nichts zu seinem Heil beitragen kann, weil allein die Gnade Gottes alles tut, dem sei noch dies mitgegeben: Mit unserem Leben, mit unseren guten Taten und unserem Einsatz für die Mitmenschen können wir - als erlöste und gerechtfertigte Mensch- en! - aus Dankbarkeit (!) jetzt die Liebe Gottes an unsere Nächsten weitergeben. AMEN