Predigt zum 5. Sonnt. nach Trinitatis - 4.7.2010 Textlesung: 1. Kor. 1, 18 - 25 Denn das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden; uns aber, die wir selig werden, ist’s eine Gotteskraft. Denn es steht geschrieben (Jesaja 29,14): „Ich will zunichte machen die Weisheit der Weisen, und den Verstand der Verständigen will ich verwerfen.“ Wo sind die Klugen? Wo sind die Schriftgelehrten? Wo sind die Weisen dieser Welt? Hat nicht Gott die Weisheit der Welt zur Torheit gemacht? Denn weil die Welt, umgeben von der Weisheit Gottes, Gott durch ihre Weisheit nicht erkannte, gefiel es Gott wohl, durch die Torheit der Predigt selig zu machen, die daran glauben. Denn die Juden fordern Zeichen, und die Griechen fragen nach Weisheit, wir aber predigen den gekreuzigten Christus, den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit; denen aber, die berufen sind, Juden und Griechen, predigen wir Christus als Gottes Kraft und Gottes Weisheit. Denn die Torheit Gottes ist weiser, als die Menschen sind, und die Schwachheit Gottes ist stärker, als die Menschen sind. Liebe Gemeinde! Da schwirrt einem ja geradezu der Kopf, wenn man diese Zeilen liest. Und wenn man sie hört, ist es sicher auch nicht anders. Soviel „Weisheit“ und „Torheit“! Sie werden nicht mitgezählt haben, aber von „Weisheit“ ist achtmal die Rede und von „Torheit“ immerhin noch fünfmal. Da stellt man sich schon die Frage: Sind wir vielleicht zu „töricht“, zu dumm für diese Worte oder haben wir zu wenig „Weisheit“, um sie zu verstehen? Wir wollen diese Frage einmal stehen lassen und uns gleich dem wichtigsten Satz aus diesem Ab- schnitt des 1. Korintherbriefs zuwenden, denn ich glaube, hier liegt der Schlüssel zum Verständnis dieser Verse: „Denn die Juden fordern Zeichen, und die Griechen fragen nach Weisheit, wir aber predigen den gekreuzigten Christus, den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit; denen aber, die berufen sind, Juden und Griechen, predigen wir Christus als Gottes Kraft und Gottes Weisheit.“ Die Juden wollen wissen, wo können wir Gott in der Geschichte mit den Menschen wirksam sehen. Beispiele dafür finden wir zahlreich im Alten Testament: Denken wir an die Sintflut, mit der Gott seine von ihm abgefallene Schöpfung vernichtet oder den brennenden Dornbusch, in dem Gott dem Mose begegnet. Oder denken wir an die Teilung des Meeres, mit der er sein Volk vor den Truppen des ägyptischen Pharaos rettet. Und es gibt noch viele andere Beispiele für Gottes Eingreifen in den Lauf der Geschichte, von denen wir lesen können. Dass der Auszug aus Ägypten, den Gott mit den 10 Plagen erzwungen hat und die Rettung am Schilfmeer bis zum heutigen Tag in jeder jüdischen Familie bei der wöchentlichen Sabbatfeier in Erinnerung gerufen wird, ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Juden nach „Zeichen“, also nach Gottes Handeln in der Welt gefragt haben und bis heute fragen. Die Griechen dagegen wollen Gott durch die Vernunft erkennen. Auf ganz unterschiedliche Weise zwar, aber im Grunde doch ähnlich wollten die griechischen Philosophen schon in vorchristlicher Zeit Gott mit ihrer menschlichen Weisheit begreifen und beweisen, dass es ihn gibt oder nicht gibt. Wenn sie nur tief genug nachdachten, wenn sie ihren Verstand nur recht gebrauchten, dann würden sie Gott schon auf die Spur kommen oder eben sagen können, dass der Himmel leer ist. Beide Gruppen hatten zur Zeit des Paulus aufgrund ihrer Herkunft Schwierigkeiten damit, den Christenglauben anzunehmen. Für die einen war es schlichtweg unmöglich, dass Gott in die Ges- chichte eingreift, indem er seinen eigenen Sohn leiden und auf schändlichste Weise am Kreuz ster- ben lässt. Für die anderen, die aus dem griechischen Denken herkamen, war ein gekreuzigter Gottessohn einfach nur Unsinn. Liebe Gemeinde, Sie haben das jetzt sicher schon gespürt: Mit „Juden“ und „Griechen“ sind dur- chaus nicht nur die Menschen zur Zeit des Paulus gemeint, die damals durch ihn und andere die Botschaft des Christentums gehört und von ihren unterschiedlichen Vorstellungen her geprüft ha- ben. Auch die Juden und Griechen unserer Tage sind hier nicht allein angesprochen. Wir sind ge- meint. „Jude“ oder „Grieche“ sind sozusagen Symbole für ein bestimmtes religiöses Denken, wie es so oder so auch unter uns Christinnen und Christen heute verbreitet ist. Da gibt es die einen, die Gottes Zeichen in der Welt und in ihrem persönlichen Leben suchen. Und sie finden sie auch durchaus und vielleicht ruht sogar ihr Glaube an Gott darauf, dass sie immer wieder Zeichen für sein Wirken in ihrem Leben gesehen und erkannt haben? Dass sie eine glückli- che Kindheit haben durften - ein Geschenk Gottes! Dass sie den Beruf lernen konnten, der sie bis heute erfüllt und ihnen Freude macht - Gott hat sie geführt. Auch der gute Ehepartner, die gesunden Kinder und Enkel - alles das ist für sie Gottes Handeln an ihnen. Gewiss haben viele unter diesen Menschen auch böse Tage gehabt, Unglück, Trauer und Leid erfahren. Aber auch das deuten sie als Gottes Wirken - vielleicht als seinen Finger, mit dem er ihnen auf die Schulter tippt, um ihnen den richtigen Weg zu weisen, vielleicht aber auch als Strafe, die sie wegen ihres Ungehorsams tragen müssen. Und da gibt es die anderen, denen sagt ihre Vernunft, genau wie zur Pauluszeit den Griechen, dass es keinen Gott geben kann, denn sie können ihm mit ihrem Denken nicht beikommen. Und wenn sie dann noch die Botschaft von Jesus Christus hören, der für seine Geschwister leidet und stirbt, dann sagen sie: Das kann nicht sein, dass Gott, der doch der allmächtige Schöpfer der Welt und des Lebens sein soll, seinen Sohn für die Menschen ans Kreuz gehen und sterben lässt. Und genau an dieser Stelle wollen wir jetzt noch einmal auf dieses Wort des Paulus hören, das er schon bei Jesaja gefunden hat: „Ich will zunichte machen die Weisheit der Weisen, und den Ver- stand der Verständigen will ich verwerfen.“ Das heißt nichts anderes als das: Gott kann weder durch die Zeichen erkannt werden, die er in der Geschichte gesetzt hat noch durch den Verstand - und wären es die klügsten Leute, die IHN begreifen wollen. Wir können das auch noch ein wenig anders sagen: Zum Glauben an Gott finden wir nicht dadurch, dass wir das eine oder andere in un- serem Leben als von ihm gesandt oder geschenkt erkennen. Eine vertrauensvolle Beziehung zum Vater im Himmel bauen wir nicht darauf, dass wir seine gütige Hand an vielen Stellen unseres Le- benslaufs gespürt haben und immer wieder spüren. Sonst müssten ja auch alle Menschen, denen es gut geht und die mehr als andere die Gnade Gottes erfahren haben, ein besonders enges Verhältnis zu ihm haben. So ist es aber nicht. Genauso wenig wird es auch je einen Menschen zu Gott und dem Glauben an ihn führen, dass er durch seine Vernunft nach langem Sinnen und Denken zu dem Schluss kommt, es müsse doch einen Gott geben. Unser Verstand kann Gott nicht fassen und schon gar nicht Gottvertrauen hervorbringen! Aber was ist es denn nun, was unsere Beziehung zu Gott ausmacht und unseren Glauben an ihn be- gründet? Hören wir auf Paulus: „Wir predigen den gekreuzigten Christus, den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit; denen aber, die berufen sind, Juden und Griechen, predigen wir Christus als Gottes Kraft und Gottes Weisheit.“ Allein Jesus Christus führt uns zu einer Beziehung zu Gott! Sein Leiden, Sterben und seine Aufer- stehung sind das Fundament, auf dem unser Glaube gründet. Und da fallen uns so viele Worte und Bilder aus dem Neuen Testament ein: Jesus Christus ist der Weg. Er ist die Tür, durch die wir gehen müssen. Er ist das Licht, die Wahrheit, der einzige Herr, der gute Hirte, der allein uns recht leiten kann ... Es mag nun in den Ohren und nach dem Verstand vieler Menschen Unsinn sein oder ein Skandal, dass Gott in seinem Sohn Jesus Christus diesen Weg mit uns gehen will - aber es ist der einzige Weg. Und es ist eben nicht menschliche Weisheit, die uns zum Glauben an einen Gekreuzigten führen will, sondern es ist Gottes Weisheit. Und unser menschlicher Verstand reicht niemals hin, wirklich zu begreifen, warum Gott seinen Sohn für uns leiden und sterben lässt, denn es ist Gottes Plan, der das so bestimmt hat und es sind seine Gedanken, aus denen dieser Plan ent- standen ist. Und seine Gedanken sind allemal höher als unsere Gedanken, sie sind so weit von un- seren entfernt, wie der Himmel von der Erde. Und da wird uns jetzt vielleicht noch etwas anderes deutlich: Wir Menschen können von uns aus überhaupt nichts tun, den Glauben zu erlangen! Es ist unserer Mühe, unserem Streben entzogen, eine Beziehung zu Gott zu begründen. Denn Gottes Weisheit hat dafür einen Weg vorgesehen, auf dem nicht wir Gott entgegengehen können, sondern auf dem Gott immer zu uns kommen muss. Und das tut er ja auch in Jesus Christus! Die Frage, die wir am Anfang dieser Predigt gestellt und noch nicht beantwortet haben, war: Sind wir vielleicht zu „töricht“, zu dumm für diese Worte oder haben wir zu wenig „Weisheit“, um sie zu verstehen? Wir müssen jetzt so antworten: Für Worte, die dadurch, dass wir sie verstehen und begreifen, in uns den Glauben wecken, sind wir tatsächlich zu dumm und unsere Weisheit ist zu klein. Wir müssen sogar das bekennen: Wir können überhaupt nichts dafür tun, dass der Glaube in unserem Herzen entsteht. Aber dennoch ist uns verheißen, dass es der Predigt von Jesus Christus gelingen soll, Glauben zu wecken und eine Beziehung zu Gott zu knüpfen. Aber das geschieht von Gott her und niemals aus uns selbst. Und das geschieht jeden Tag immer wieder - vielleicht auch heute. AMEN