Predigt zum Trinitatissonntag - 30.5.2010 Textlesung: Röm. 11, (32) 33 - 36 Denn Gott hat alle eingeschlossen in den Ungehorsam, damit er sich aller erbarme. O welch eine Tiefe des Reichtums, beides, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege! Denn »wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer ist sein Ratgeber gewesen?« (Jesaja 40,13) Oder »wer hat ihm etwas zuvor gegeben, dass Gott es ihm vergelten müsste?« (Hiob 41,3) Denn von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge. Ihm sei Ehre in Ewigkeit! Amen. Liebe Gemeinde! Eigentlich gibt es hier nur einen Gedanken, den Paulus uns mitgeben will - und der war uns auch schon vertraut: „Die Größe und Weisheit des Handelns Gottes übersteigt alles menschliche Ver- stehen!“ Aber es ist ein sperriger Gedanke! Und so richtig begriffen haben wir ihn wohl auch nicht. Und schon gar nicht denken und verhalten wir uns entsprechend. Gewiss, das muss ich jetzt auch erklären - und das will ich mit drei kleinen Geschichten tun: - Frau K. ist 68 Jahre alt. Sie ist eine Frau, die wir wohl mit religiös oder vielleicht mit fromm bez- eichnen würden. Kein Gottesdienst in ihrer Gemeinde, den sie nicht besuchte. Auch im Bibelkreis ist sie treues Mitglied. In der Familie, besonders bei ihren Enkeln, bringt sie das Gespräch immer wieder auf Gott und auf Jesus Christus und sie versucht nach Kräften auch ihre Lieben zu einem Leben im Glauben und im Vertrauen auf Gott einzuladen. Vor fünf Jahren ist ihr Mann gestorben. Ganz kurz nach seinem Eintritt in den Ruhestand ist das gewesen. Und Frau K. hadert darüber noch heute mit ihrem Gott. Irgendwie hat sie das nie ver- wunden. Sie spürt zwar auch selbst, dass sie eigentlich von ihrem Glauben her sagen müsste: Es war Gottes Wille so - und darum war es gut. Aber sie kann es nicht. Wie ein schlimmer Irrtum kommt ihr das bis heute noch vor, dass Gott ihr den Mann genommen hat, so unvermittelt und so früh. - Herr M., er ist Förster von Beruf, praktiziert sein Christentum zwar eher wenig, aber gläubig ist er doch. Vor allem in den wunderbaren Zusammenhängen des Lebens in Fauna und Flora findet er Gott und staunt über die Schönheit der Natur und sieht dahinter den Schöpfer aller Dinge, gewaltig und anbetungswürdig. Wenn er beruflich draußen in den Wäldern seines Forstamts unterwegs ist, geht ihm das Herz auf und eine unbändige Freude ergreift ihn und es ist ihm oft nach Jubeln und Singen zumute. Manches allerdings kann er nicht mit Gottes Schöpfergeist reimen: Die Aussicht z.B., dass der Klimawandel viele Tierarten aussterben lassen wird. Und die zahlreicher werdenden Naturkatastro- phen überall in der Welt, die durch Erdbeben und Überschwemmungen Tod und Verderben über ganze Landstriche bringen. Manchmal hat er schon gedacht, wie gern er Gott dazu doch deutlich seine Meinung sagen und ihm klar machen würde, dass er nicht akzeptieren kann, dass der Schöpfer seiner eigenen Schöpfung derartig hart zusetzt. - Michael ist ist in diesem Jahr konfirmiert worden. Er hat bei seiner Pfarrerin einen guten Un- terricht gehabt, der ihm manches am Glauben der Christen hat klarer werden lassen und viele seiner Fragen beantwortet und manchen Zweifel vertrieben hat. Sein Ja zu Jesus Christus und zu seiner Gemeinde bei der Konfirmation war ehrlich: Er wollte wirklich bei diesem Herrn und seiner Kirche bleiben! Vor Tagen nun haben seine Eltern ihm eröffnet, dass sie sich trennen werden. Sie hätten das schon lange vorgehabt aber sie hätten noch seine Einsegnung abwarten wollen, bis sie es ihm sagen. Seit er das weiß, ist Michael wie vor den Kopf geschlagen. Warum tun seine Eltern ihm das an. Er liebt sie doch beide. Er möchte weder den Vater noch die Mutter verlieren. Aber er fragt sich auch, warum Gott nicht verhindert, dass seine Eltern auseinandergehen. Steht das nicht auch in den Ge- boten, die er auswendig gelernt hat, dass Gott die Ehe schützt und bewahrt. Er ahnt, dass er das Ja, das er bei seiner Konfirmation gesprochen hat, wohl nicht durchhalten wird! Liebe Gemeinde, ich bin ganz sicher, auch in unserem Leben gibt es ähnliche Konflikte: Auf der einen Seite wollen wir ein Leben führen, das Gott gefällt und seine Macht und Größe preist. Auf der anderen Seite aber gibt es Erfahrungen, Erlebnisse, Nöte, Sorgen und Schicksalschläge, die es uns schwer und manchmal unmöglich machen, ganz unbefangen zu Gott aufzuschauen und seine Güte, seine Größe und die Weisheit seines Handelns zu loben! Wie gehen wir damit um, dass wir immer wieder und oft lange Zeiten unseres Lebens mit Gottes Handeln an uns nicht einverstanden sind, dass wir darin keinen Sinn und schon gar keine liebevolle Zuwendung Gottes erkennen können? Ich glaube, meist ist es so wie bei den Menschen aus meinen drei kleinen Geschichten: Wir akzep- tieren dieses Handeln Gottes nicht. Es erscheint uns als Fehler. Ein Versehen vielleicht, weil Gott einen Augenblick nicht auf uns aufgepasst hat? Oder eine Prüfung? Eine Strafe? Jedenfalls können wir nicht die Tiefe der Weisheit Gottes dahinter erkennen! Was aus dieser Sicht, aus dieser Haltung entsteht, ist gewiss kein fröhlicher, unbeschwerter Glaube! Im Gegenteil. Wir werden missmutig. Wir fühlen uns ungerecht behandelt, zurückgesetzt und denken, unser Glaube würde von Gott nicht gesehen und schon gar nicht angemessen belohnt! Aber bei alledem spüren wir doch auch, dass wir so nicht mit Gott umgehen können, der mit seinen Gedanken so viel höher und mit seiner Weisheit so viel tiefer reicht als wir. Bloß: Wie sollen wir denn darauf anworten, wenn Gott uns den Glauben an seine Güte und das Vertrauen auf seine freundliche Führung so schwer macht? Hören wir noch einmal auf die Worte des Paulus: „Wie unbegreiflich sind seine Gerichte und uner- forschlich seine Wege! Denn »wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer ist sein Ratgeber gewesen?« Oder »wer hat ihm etwas zuvor gegeben, dass Gott es ihm vergelten müsste?« Denn von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge.“ Liebe Gemeinde, wenn Gottes Wege wirklich unerforschlich und unbegreiflich sind und wenn wir das ernst nehmen - warum versuchen wir es dann eigentlich immer wieder, seine Gedanken zu be- greifen? Und wenn Gott wirklich keinen menschlichen Ratgeber gehabt hat und es auch niemanden gibt, dem er etwas schuldig wäre und mit seinem Handeln vergelten müsste, warum erwarten wir dann immer wieder doch, dass wir ihn in dem, was er an uns tut, verstehen und er unseren Erwartungen gerecht wird? Einmal ganz klar, ganz deutlich und ganz hart: Unsere menschliche Vernunft ist viel zu klein, ja, zu winzig - sie reicht tausendmal nicht hinauf dorthin, wo Gottes Gedanken sind und wo in seinem unermesslichen Geist der Entschluss zu seinem Handeln entsteht. Schon wenn wir versuchen, Gottes Pläne und sein Tun zu deuten, sind wir auf einem falschen Weg, der in Zweifel, Verwirrung, Angst und vielleicht sogar in der Depression enden muss. Wenn wir wirklich glauben wollen, dann müssen wir vielmehr alle Versuche, Gott zu begreifen, einstellen! Glaube ist unbedingtes Vertrauen! Wo könnte man das denn noch „Glauben“ und „Ver- trauen“ nennen, wenn wir durch Nachdenken, Forschen und Verstehen herausfinden könnten, warum Gott uns dies oder das schickt, warum wir durch eine dunkle Zeit gehen oder eine schwere Krankheit oder große Trauer auferlegt bekommen? Trotzdem probieren wir immer wieder, unseren Glauben durch unser Begreifen und unser Vertrauen durch Verstehen zu ergänzen. Damit aber müssen wir scheitern. Vielleicht können wir es so sagen: Rechter Glaube an Gott sieht, was Gott in meinem Leben tut und wie er an mir handelt. Rechtes Vertrauen zieht auch von diesem Handeln Gottes nicht ab, was vermeintlich nicht dazu passt. Vielmehr nimmt es alles aus Gottes Hand, das Gute wie das Böse, das, was uns erfreut und glücklich macht, genauso wie das, was uns beschwert, bedrückt und ängstet. Rechter Glaube aber versucht dann nicht zu begreifen, warum Gott Schweres oder Schönes schickt. Rechtes Vertrauen beginnt dann nicht zu deuten: Ist dieses Belohnung, ist jenes Prüfung oder Strafe. Was hinter unserem Geschick steht, können wir nicht verstehen. Wir reichen nicht hinauf bis zu Gottes Gedanken. Wir reichen nicht hinunter zur Tiefe seiner Weisheit. Liebe Gemeinde, ich wünsche der Frau, von der ich vorhin erzählt habe, dass sie endlich voll Ver- trauen so sprechen kann: Ich verstehe nicht, warum mir Gott meinen Mann schon so früh ge- nommen hat, aber ich weiß, dass sein guter Wille dahinter stand. Ich wünsche dem Mann, von dem ich gesprochen habe, dass sein Glaube so groß wird, dass darin auch das Platz hat, was er an Gottes Handeln nicht begreifen kann und ich wünsche ihm, dass er den Schöpfer in seinem Herzen nicht so klein macht, als könne der seine Schöpfung nicht auch durch den Klimawandel und alle Naturkatastrophen hindurch bewahren. Dem Konfirmanden wünsche ich, dass er bei seinem Ja bleiben kann und Gott ihm genug Vertrauen schenkt, dass er auch durch die sicher schwierige Zukunft gehen kann, ohne Gott zu verlieren. Uns allen schließlich wünsche ich, dass wir aufhören, Gott verstehen und begreifen zu wollen und dass es uns dabei doch gelingt, Gott über seiner unbegreiflichen Weisheit und seinen unerforschli- chen Wegen zu preisen, so wie es Paulus tut: O welch eine Tiefe des Reichtums, beides, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unbe- greiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege! Denn von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge. Ihm sei Ehre in Ewigkeit! Amen.