Predigt zum Gründonnerstag - 1.4.2010 (Hinweis: Die Predigt zielt auf einen oft vernachlässigten aber wichtigen Aspekt des Abendmahls: Das Erlebnis von Gemeinschaft. Deshalb werden weiter unten (*) einige Vorschläge gemacht, die- sen Aspekt zurückzugewinnen. Je nach dem wo die jeweilige Gemeinde steht, sollen diese Vorschläge als Vorhaben oder als schon verwirklichte „Maßnahmen“ individuell in die Predigt eingearbeitet werden.) Textlesung: 1. Kor. 11, 23 - 26 Denn ich habe von dem Herrn empfangen, was ich euch weitergegeben habe: Der Herr Jesus, in der Nacht, da er verraten ward, nahm er das Brot, dankte und brach’s und sprach: Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird; das tut zu meinem Gedächtnis. Desgleichen nahm er auch den Kelch nach dem Mahl und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut; das tut, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis. Denn sooft ihr von diesem Brot esst und aus dem Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt. Liebe Gemeinde! Ich weiß, dass viele Menschen heute - namentlich junge Leute - mit dem Abendmahl nicht mehr so viel anfangen können. Und nicht nur das: Sie scheuen sich auch, an einer Abendmahlsfeier teilzunehmen. Einige sagen sogar, es wäre ihnen immer ein bisschen unheimlich dabei. Oder man kann von ihnen hören, sie wüssten gar nicht so recht, warum sie sich zum Tisch des Herrn auf- machen sollten. Und wenn man nachfragt, kommen vielleicht solche Sätze: „Um an Jesus zu denken, gehe ich lieber in „mein Kämmerlein“, wie’s doch auch im Evangelium empfohlen ist und bete zu ihm.“ - „Ich habe immer etwas Angst, dass ich nichts verkehrt mache dabei!“ - „Vergebung meiner Sünden und meiner Schuld kann ich doch auch anders kriegen, da muss ich nicht zum Abendmahl gehen.“ Man könnte all diesen Argumenten etwas Kluges entgegenhalten. Man könnte versuchen, den Menschen, die das Abendmahl lieber meiden, die Scheu zu nehmen, sie immer wieder auch persönlich einladen und sie so nach und nach an Jesu Tisch führen. Aber ich habe meine Zweifel, ob das gelingen würde. Denn dass besonders junge Gemeindeglieder heute nicht mehr so zahlreich beim Abendmahl zu sehen sind, hat sicher eine noch ganz andere Ursache, als die, über die wir bisher gesprochen haben. Außerdem - und das hat mich auf diese Gedanken heute gebracht - lenken ja auch die Einsetzungsworte, wie sie der heutige Predigttext sind - eher von der eigentlichen Ursache ab, warum die Menschen nicht mehr so gern zum Mahl des Herrn kommen: Da geht es um das Gedächtnis an IHN, das wir wahren, wenn wir Abendmahl feiern. Da geht es um die Verkündigung des Todes Jesu, bis er wiederkommt. Und da geht es immer auch, selbst wenn davon hier nicht ausdrücklich die Rede ist, um die Vergebung der Sünden. Um eins aber, was für mich im Blick auf die Menschen, die dem Mahl fernbleiben, besonders wichtig wäre, geht es nicht. Ich möchte Ihnen eine Geschichte erzählen, die besonders schön von dem spricht, was unserem Abendmahl oft fehlt und was die - ohne dass sie es genau aussprechen - vielleicht vermissen, die unser Abendmahl nicht besuchen: Der Altar an der Stirnseite des Raumes war eigentlich das einzige, was gleich auf den ersten Blick auf den Gottesdienst hinwies. Viele Hände hatten schon am Samstagnachmittag mitgeholfen, den langen Tisch an die Wand zu schieben, die zartfarbene Tischdecke darüberzubreiten und glattzu- streichen, das große Kruzifix in die Mitte zu stellen, dazu rechts und links dicke Kerzen. Inzwischen waren einige der anderen unterwegs, um in den Wiesen bunte Frühlingsblumen und frisches Grün zu pflücken. Sie schmückten nicht nur den Altar, sondern auch die freie Fläche in der Mitte der halbkreisförmig angeordneten Stühle. Und zwischen den Blumen standen Körbe mit Brot, große Glaskrüge mit Saft und viele kleine Becher. Zum Gottesdienst kamen alle, die dieses Wochenende in der Familienbildungsstätte verbrachten, junge Menschen und alte, geistig Behinderte und Nichtbehinderte, Familien und Alleinstehende. Gemeinsam wurde gesungen, gebetet, der Geistliche erzählte aus der Heiligen Schrift und ließ Kinder, die am Vortag Bilder zu der Bibelgeschichte gemalt und Figuren aus Knete geformt hatten, erzählen, was sie mit ihren kleinen Kunstwerken zeigen wollten. Die Botschaft Christi im wahrsten, besten Sinne des Wortes „zum Anfassen“. Ganz nah, ganz einfach, für jeden verständlich auch das Abendmahl: „Jesus nahm das Brot, dank- te, brach’s und sprach: Nehmet hin, dies ist mein Leib...“ Einige Teilnehmer holten sich Stücke von dem Brot, brachen einen Brocken ab und reichten ihn dem Nächsten mit einem guten persönlichen Wort: „Ich wünsche dir einen fröhlichen Tag... viel Glück... dass dich immer jemand liebhat...“, vielleicht auch: „...dass du keine Kopfschmerzen mehr hast“ oder nur: „für dich - von mir“. So ging das Brot von Hand zu Hand, und wer das letzte Stückchen bekam, holte sich schnell ein neues aus der Mitte, um es dann weiterzugeben. Als alle von dem Brot gegessen hatten, durften die geistig behinderten Gottesdienstbesucher jedem Anwesenden einen Becher mit Saft bringen. Die Behutsamkeit, mit der sie diese Aufgabe erfüllten, das herzliche Lächeln, mit dem sie die kost- bare Gabe überreichten, vermittelten die Abendmahlsbotschaft eindringlicher und überzeugender als alle Worte. Eine ältere Dame sagte später: „Ich habe viele Male in meinem Leben an einem Abendmahl teilgenommen. Aber so tief beeindruckt hat mich diese Feier noch nie. Wie die geistig behinderten Menschen allein mit dem Herzen den Gedanken des Abendmahls erfassen und weiter- geben, war für mich ein Geschenk, mehr noch: eine Hilfe in meinem Leben.“ (N.N., Erzählbuch zum Glauben 4, Die Sakramente, Kaufmann/Patmos, S. 176) Liebe Gemeinde, sicher haben sie bemerkt, dass hier von den Gedanken, von denen in den Ein- setzungsworten gesprochen wird und die uns meist zuerst zum Abendmahl einfallen, gar nicht die Rede war: „Gedächtnis Jesu“, „Verkündigung seines Todes“, „Sündenvergebung“. Was aber ist dann gemeint, wenn es in dieser - übrigens wahren - Geschichte heißt: „Die Behutsamkeit, mit der sie diese Aufgabe erfüllten, das herzliche Lächeln, mit dem sie die kostbare Gabe überreichten, vermittelten die Abendmahlsbotschaft eindringlicher und überzeugender als alle Worte.“ Was ist das für eine Abendmahlsbotschaft? Für mich ist das in ein Wort gefasst die „Gemeinschaft“, die beim Abendmahl in der Familienbil- dungsstätte deutlich und spürbar wird, die Gemeinschaft von Schwestern und Brüdern, die den einen Herrn haben. Gemeinsam wurde das Mahl vorbereitet. Viele Menschen sind daran beteiligt: Einige haben Blumen gepflückt, andere haben den Abendmahlsraum und -tisch geschmückt. Kinder haben Bilder gemalt und Knetfiguren gebastelt. Und auch bei der Feier selbst sind viele einbezogen: Die Kinder erklären ihre Kunstwerke. Einer gibt dem anderen das Brot weiter. Einige Behinderte teilen an alle den Saft aus. Und vielleicht das wichtigste und schönste sind doch die Worte, die eine der anderen und einer dem anderen sagt. Und wie persönlich sind diese Worte! Wie sehr zeugen sie davon, dass man etwas von dem anderen Menschen weiß und sich für ihn interessiert: „Ich wünsche dir einen fröhlichen Tag... viel Glück... dass dich immer jemand liebhat...“, „...dass du keine Kopfschmerzen mehr hast ...“ Liebe Gemeinde, heute ist ein Tag, an dem Christen in aller Welt das Abendmahl feiern. Und auch wir wollen heute zum Tisch des Herrn gehen. Aber (von) heute (an) soll es anders werden: (* Es folgen Vorschläge, die schon realisiert sind oder in der Zukunft umgesetzt werden sollen:) - Der Abendmahlstisch ist von einer Gruppe von Menschen aus unserer Gemeinde geschmückt worden. Sie werden auch bei der Austeilung von Brot und Wein helfen. - Wir haben heute auch die Kindergottesdienstkinder (die Vorkonfirmanden, die Konfirmanden?) zum Abendmahl eingeladen. Anstelle des Weins werde ich nachher am Tisch des Herrn über jedem Kind eine Segensbitte sprechen. - Wir wollen es heute beim Mahl so halten, dass einer dem anderen den Brotteller und den Kelch weitergibt und ihm dabei ein Wort zusagt. Vielleicht dieses: „Christi Leib für dich gegeben!“ Und: „Christi Blut für dich vergossen!“ Gern dürfen Sie auch ein ganz anderes persönliches Wort sagen! - Hat eine Tischgruppe das Abendmahl empfangen, wollen wir einen Kreis um den Altar bilden und uns an den Händen fassen. Einer aus der Helfergruppe oder ich spreche dann noch ein Segenswort. - Raum für eigene Ideen: (Alle Neuerungen sollten mit dem Kirchenvorstand (Presbyterium, Kirchgemeinderat) besprochen und gegebenenfalls beschlossen werden.) Liebe Gemeinde, Sie fragen sich jetzt gewiss, wie die Menschen, die heute nicht da waren und die auch sonst nicht zu unseren Abendmahlsfeiern kommen, von dieser neuen Gestaltung unseres Abendmahls erfahren sollen. Da kann ich Sie jetzt nur bitten: Sagen Sie davon weiter! Mindestens Ihre Kinder und Enkel und die anderen Familienangehörigen sind Ihnen doch erreichbar. Ich bin ganz sicher, dass dem einen oder anderen unser Abendmahl in neuer Gestalt besser gefallen wird, denn alles, was die Gemeinschaft unter uns stärkt, macht Freude. Und die Freude ist es, die uns auch immer wieder das Erlebnis der Gemeinschaft am Tisch des Herrn suchen lässt. Übrigens: Auch die anderen Gedanken zum Abendmahl, das „Gedächtnis Jesu“, die „Verkün- digung seines Todes“, die „Sündenvergebung“ sollen auch in Zukunft ihre Bedeutung behalten. Aber als wichtige Ergänzung soll auch die „Gemeinschaft“ unter uns Schwestern und Brüder den Platz bekommen, der ihr zusteht! Wie schön wäre es, wenn auch bei uns immer wieder und immer mehr Menschen am Ende eines Abendmahlsgottesdienstes so sprechen könnten: „Ich habe viele Male in meinem Leben an einem Abendmahl teilgenommen. Aber so tief beeindruckt hat mich diese Feier noch nie. Das war heute für mich wie ein Geschenk, mehr noch: eine Hilfe in meinem Leben.“ AMEN