Predigt zum Sonntag „Palmarum“ - 28.3.2010 Textlesung: Phil. 2, 5 - 11 Seid so unter euch gesinnt, wie es auch der Gemeinschaft in Christus Jesus entspricht: Er, der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein, sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt. Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz. Darum hat ihn auch Gott erhöht und hat ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist, dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und un- ter der Erde sind, und alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Got- tes, des Vaters. Liebe Gemeinde! Diese Verse passen wirklich gut zum Palmsonntag und zur Karwoche, die heute beginnt. Die Ge- schichten und Bilder dieses Tages heute, die Ereignisse des Gründonnerstag und Karfreitag sind dazu ja wie eine Illustration: Auf einem Esel reitet Jesus in Jerusalem ein. Er nimmt damit „Knechtsgestalt“ an! Hätte er den Herren herauskehren wollen, er hätte ein Pferd gewählt! Nur Tage später wird er sich noch weiter erniedrigen, wenn er, der Meister, vor seinem letzten Abendmahl mit seinen Vertrauten die Schürze umbindet und seinen Jüngern die Füße wäscht. Im Garten Gethsemane ringt er mit der Angst - aber der Gehorsam gegenüber seinem himmlischen Va- ter wird siegen. Schließlich geht er an Karfreitag den unteren Weg durch Leiden und Schmerzen bis zum Kreuz, an dem er sein Leben für die Sünden aller Menschen dahingibt. Wir haben uns daran gewöhnt, die Geschichten und Bilder der Karwoche mit Hochachtung und Ehrfurcht zu betrachten. Wir beugen uns in Dankbarkeit vor alldem, was unser Herr für uns getan hat. Und wir sprechen in jedem Gottesdienst im Glaubensbekenntnis davon, dass sein Weg durch Leiden und Tod für uns zu den Dingen gehört, die uns als Christen am wichtigsten sind: „... gelit- ten, gekreuzigt, gestorben und begraben ...“ Und das ist gewiss auch gut und angemessen. Bloß kommt uns das alles dabei nicht so nah, wie es uns eigentlich kommen sollte und müsste. Denn wir bleiben nur Zuschauer am Rand der Leidensstraße. Wir sind nicht an Jesu Seite auf seinem Weg, ja, wir gehen noch nicht einmal hinter ihm her. Darum aber ginge es! Denn das will uns schon der erste Satz dieser Verse nahebringen: „Seid so unter euch gesinnt, wie es auch der Gemeinschaft in Christus Jesus entspricht!“ Das heißt doch nichts anderes als das, was uns auch jede einzelne der Geschichten der Karwoche sagen will: Tut es diesem Jesus Christus gleich! Spielt nicht die Herren, sondern macht euch zur Magd und zum Knecht - eine und einer für die anderen. Beugt euch und wascht einander die Füße. Seid gehorsam wie er, wenn Gott euch ruft und tut, was euer Vater von euch verlangt. Seid selbst zum Leiden bereit, wenn das der Weg ist, den Gott euch zu gehen heißt. Aber hier kommen wir auch zu Ende mit der Nachfolge und Begleitung unseres Herrn. Füreinander sterben müssen wir nicht - das hat unser Herr schon für uns getan - für dich und mich, für jeden Menschen, ein für alle Mal! Aber auch was die anderen Schritte auf dem Weg hinter Jesus her angeht, wird von uns nicht mehr gefordert als das, was wir - jede und jeder mit ihren und seinen Kräften - erfüllen können: Wer zwingt uns denn, immer den Starken und Überlegenen zu spielen? Was habe ich denn eigentlich davon, wenn ich meinen Kollegen, meinen Untergebenen oder sonst jemanden, mit dem ich es ma- chen kann, von oben herab behandle und ihm zeige, dass ich der Bessere, Klügere, Einflussreichere oder Geschicktere bin? Verständnis, Solidarität und Freundlichkeit zeigen führt auf Dauer immer weiter. Es schafft ein gutes Verhältnis untereinander, es lässt Vertrauen entstehen und eine Bezi- ehung wachsen, in der man es gern mit mir zu tun hat! Sind Sie nicht auch schon oft in Situationen hineingeraten, in denen einer einem anderen gegenüber hochmütig, ruppig und herablassend reagiert hat? Und haben Sie sich da nicht gefragt, warum Menschen so mit anderen umgehen? - Ob nicht andere mit unserem Beispiel vor Augen und Ohren nicht schon genauso gedacht haben? Wie gern waschen wir einander den Kopf und wie schwer fällt es uns, den anderen mit Gesten und Worten der Liebe zu begegnen! Aber wie froh macht es uns selbst, wenn ein anderer auf uns mit Liebe und ehrlicher Hilfsbereitschaft zukommt! Und es ist doch eigentlich auch für uns, wenn wir auf das Vorbild unseres Herrn schauen, so einfach, ein wenig demütiger zu werden und selbst den Mitmenschen damit entgegenzukommen, die sich mit der Nächstenliebe und freundlichem Verhalten schwer tun. In Zeiten der Angst - und die gibt es in jedem Leben, auch dem der Christen - können wir uns den Ängsten, den Zweifeln und Befürchtungen ganz und gar hingeben. Wir können schreien, klagen und jammern. Wir können uns in Selbstmitleid verzehren und nur noch das Schlechte und Finstere in der Welt sehen und wahrnehmen. Oder wir können auf Jesus schauen, sein Beispiel in Gethse- mane betrachten - und es ihm gleich tun: Vater, lass diesen Kelch vorbeigehen ... Aber wenn wir ihn trinken müssen, dann wollen wir es im festen Glauben daran tun, dass der, der uns den Kelch dar- reicht, es gut mit uns meint: Vater ... dein Wille geschehe! Und wenn wir dann mittendrin sind im Leid, wollen wir nicht verzweifeln: Wir wissen es doch, dass es nie das letzte ist, was auf uns wartet! Zu vermeiden ist es ohnehin nicht, für keinen Menschen! Aber es lässt sich besser bestehen, wenn wir hinein- und hindurchgehen im Vertrauen zu dem, der für uns und alle Menschen gelitten hat und der doch ohne Schuld war. Und wir werden es spüren, dass wir selbst im größten Leid nicht allein sind und in der tiefsten Dunkelheit noch einer neben uns ist, der uns die nötige Kraft schenkt. Liebe Gemeinde, je länger ich über das spreche, was wir Christinnen und Christen in der Nachfolge Jesu tun sollten und tun könnten, umso mehr höre ich selbst in mir die Fragen, die Sie sich jetzt ganz gewiss auch stellen: Komme ich mit der „Gesinnung“ Jesu, mit der Haltung, die „Knechtsgestalt“ annimmt, nicht schnell unter die Räder? Ist diese Zeit nicht einfach zu hart, als dass ich mir solche christlichen Rücksichten, ja gar die Liebe zum Nächsten erlauben könnte? Und spricht nicht auch eigentlich gegen die christliche Gesinnung und das freundliche Entgegenkommen gegenüber jedermann, dass die, die in unserer Gesellschaft oben sind, diese Haltung immer schamloser zu ihrem eigenen Vorteil ausnutzen? Und oft genug werden sie dabei noch von der Politik unterstützt - selbst von den Parteien mit dem „C“ im Namen. Wir können nicht leugnen, dass es so ist. Ein einziges - für mich sehr krasses Beispiel - verdeutlicht es: Steuerbetrüger, die sich selbst anzeigen, müssen nach Willen der Mehrheit im Bundestag nicht mit Strafverfolgung rechnen. Ein Hartz IV-Empfänger, dem zu Beginn dieses Jahres irrtümlich 20 Euro zu viel ausgezahlt wurden, der sich darüber gefreut und das Geld ausgegeben hat, muss es bis auf den letzten Cent zurückzahlen. Und wenn man richtig hingehört hat, dann musste man den Eindruck gewinnen, dem Sozialhilfeempfänger wäre auch noch als schuldhaft angerechnet worden, dass er das Geld verausgabt hat. - Und es gäbe noch viele Beispiele, die ähnlich wie dieses zeigen, dass es in der Welt heute schwierig geworden ist, die „Gesinnung“ unseres Herrn durchzuhalten, ohne sich dabei ziemlich dumm vorzukommen. Und trotzdem! Mindestens zwei Dinge sprechen dafür, dass wir die Haltung Jesu nicht aufgeben, dass wir doch den unteren Weg gehen und es dennoch mit dem Dienen und der Liebe versuchen. Das eine ist die Verheißung, die unser Herr hier hört und die uns genauso gilt, wenn wir neben ihm oder hinter ihm hergehen: Darum hat ihn auch Gott erhöht und hat ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist, dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, und alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters. Wer zu diesem Herrn gehört, der darf sich darauf freuen, dass es auch für ihn damit nicht zu Ende ist: „... gelitten, gekreuzigt, gestorben und begraben ...“, sondern dass es auch für ihn einmal heißt: „auferstanden von den Toten“ und dass seine Zukunft das „Ewige Leben“ sein wird. Das andere ist wie eine Wegzehrung hier und heute, wenn manchmal der Pfad, den unser Herr uns vorausgeht, steil und steinig wird: Es macht Freude, es schenkt eine tiefe innere Zufriedenheit eben nicht mit den Wölfen zu heulen, nicht die Kleinen zu bedrücken und die Schwachen auszunehmen, nicht immer nur an das eigene Weiterkommen zu denken, vielmehr auch einmal freiwillig zurückzustecken ... Ich wünsche uns für heute und für die Karwoche, die heute beginnt, gute Gedanken und die Freude, die darin liegt, auf dem Weg zu gehen und zu bleiben, auf den unser Herr uns ruft. AMEN