Predigt zum 2. Adventssonntag - 6.12.2009 Textlesung: Jak. 5, 7 - 8 So seid nun geduldig, liebe Brüder (und Schwestern), bis zum Kommen des Herrn. Siehe, der Bauer wartet auf die kostbare Frucht der Erde und ist dabei geduldig, bis sie empfange den Frühregen und Spätregen. Seid auch ihr geduldig und stärkt eure Herzen; denn das Kommen des Herrn ist nahe. Liebe Gemeinde! Mindestens drei Gedanken an diesen zwei Versen passen nicht in unsere Zeit und wecken unseren Widerspruch! - Fangen wir einmal am Ende an: „... das Kommen des Herrn ist nahe.“, heißt es da. Sagen Sie, können Sie das glauben? Ganz deutlich gesprochen: Glauben Sie, dass Jesus Christus morgen, in einer Woche oder doch wenigstens im Laufe des nächsten Jahres wiederkommt ... auf den Wolken des Himmels oder wie ein Blitz, der den ganzen Horizont erleuchtet oder wie es sonst noch in der Bibel erwartet wird? - Kommen wir jetzt zu der Tugend, die hier gleich zweimal gefordert wird: „So seid nun auch ihr geduldig ...!“ Bringen wir diese Geduld wirklich noch auf? In dieser hektischen Zeit? Und da meine ich nicht nur die Wochen auf Weihnachten hin, sondern überhaupt das Leben in diesen schwierigen Jahren der Wirtschaftskrise, der Unsicherheit und der Angst angesichts der Zukunft. Geduld ... können wir das Geduld nennen, wenn in unseren Herzen eigentlich nur noch Bangigkeit und böse Erwartung ist: vor dem Verlust des Arbeitsplatzes etwa, davor ins gesellschaftliche Aus zu geraten, vor dem Alter und der Pflegebedürftigkeit und noch vor so manchem, was nur wir sel- ber wissen? - Und was ist das schließlich für ein Vergleich: „Siehe, der Bauer wartet auf die kostbare Frucht der Erde und ist dabei geduldig ...“ Warten die Bauern unserer Zeit wirklich noch „geduldig“? Müssen sie nicht vielmehr produzieren, auf Teufel komm raus, so schnell und so viel wie möglich? Und ist nicht schon vielen die Geduld ausgegangen - und die Hoffnung auf irgendeine Zukunft gleich mit? Sie haben ihren Betrieb dicht gemacht, weil sie zum Beispiel mit den 20 Cent für den Liter Milch einfach keinen Gewinn mehr erwirtschaften können? Oder sie können mit den Großen und ihrer Massenproduktion einfach nicht mehr mithalten, ohne sich zu überschulden und gesundheitlich zu ruinieren. Es ist schon so: Diese zwei Verse sprechen uns heute einfach nicht mehr an, jedenfalls nicht so, wie sie dastehen. Ob nicht vielleicht trotzdem etwas in ihnen liegt, was wir beherzigen könnten? Ja, ob wir diese Verse wohl so umformulieren könnten, dass sie auch uns wieder etwas sagen? Liebe Gemeinde, ich habe das einmal versucht. Was dabei herausgekommen ist, hört sich ganz anders an als das, was ich vorhin gelesen habe und es benutzt auch keine Vergleiche aus der Land- wirtschaft, zu der ja die wenigsten von uns noch eine engere Beziehung haben. Aber ich glaube fest, dass es die Kernaussage der Worte aus dem Jakobusbrief zur Sprache bringt und uns deutlich macht, worum es ihnen geht. So könnte Jakobus heute sprechen: Lasst euch nicht davon abbringen: Einmal erscheint der Tag, an dem unser Herr wiederkommt, wie er es versprochen hat und wie wir es im Glaubensbekenntnis bekennen. Seid geduldig und vertraut darauf, selbst wenn dieser Tag auch zu unseren Lebzeiten nicht anbricht. So wie wir, haben auch schon Generationen von Christen vor uns voll Geduld und Vertrauen in guten und in schlechten Zeiten gewartet und während sie warteten haben sie viel Gutes und viel Segen von Gott her emp- fangen. Bleibt auch ihr voller Hoffnung auf den Tag des Herrn, lasst euch von der Kraft Gottes und im Glauben an ihn stärken. Stützt und helft einander und sprecht euch auch untereinander immer wieder Mut zu: Einmal kommt unser Herr wieder und im Glauben an ihn ist diese Zeit schon immer gegenwärtig. Doch ich denke, dass diese Worte uns doch mehr ansprechen und uns näher kommen als die Verse aus dem Jakobusevangelium. Nehmen wir noch einmal die drei Gedanken vor, die wir am Anfang als nicht mehr zeitgemäß erkannt und die unseren Widerspruch erregt haben: - Da war vom baldigen Kommen des Herrn die Rede! - Im Text für unsere Tage geht es nur darum, dass wir die Wiederkunft unseres Herrn nicht aus unserer Hoffnung und Erwartung streichen, dass wir nicht vergessen, dass die Zeit dieser Welt einmal zu Ende geht, so lange es auch noch dauern mag. Denn haben wir diese Hoffnung erst aufgegeben, dann wird auch manches andere nach und nach fraglich und zweifelhaft für uns werden: Ob überhaupt einmal die neue Welt Gottes kommt? Ob es einmal den verheißenen Himmel und die neue Erde geben wird, in der Gerechtigkeit wohnt. Auch die Auferstehung der Toten würde dann rasch nicht mehr gelten und das Opfer unseres Herrn am Kreuz von Golgatha, um der Vergebung unserer Schuld und eben unserer Auferstehung willen, fiele auch dahin. Aber der Tag Gottes kommt, auch wenn Christen vielleicht seit 2000 Jahren da- rauf gewartet haben. - Vielleicht hilft es uns, das zu glauben, wenn wir uns daran erinnern, was wir im zweiten Petrusbrief lesen: „Bei Gott sind 1000 Jahre wie ein Tag!“ (2.Petr. 3,8) - Und in den Worten des Jakobus wurde davon gesprochen, die Geduld festzuhalten, so als wäre das ja auch nicht allzu schwierig, weil es ja nicht mehr lange währt ... - Im Text für heute dagegen wird es klar gesagt: Generationen von Christinnen und Christen haben gewartet und es ist ihnen gewiss oft sauer gewesen und geduldig sein ist ihnen schwer geworden. Aber nach und nach, in den vielen Jahrhunderten seit Christen darauf hoffen, dass ihr Herr wiederkommt, stand die Geduld und die Enttäuschung der Erwartung ihres Herrn gar nicht mehr im Mittelpunkt. Denn auch in diesem Leben können wir ja schon seine Nähe spüren. Auch ohne dass wir ihn sehen, ist er doch bei uns und hilft uns. Und wenn wir beten, können wir sogar mit ihm sprechen! Die Christen haben es erfahren: Auch in dieser Welt gibt es Gottes Segen und seine Kraft. Auch in ganz dunklen Zeiten kann man aus dem Glauben leben und im Frieden und voll Hoffnung sterben. - Und vielleicht ist ja der Tod jedes einzelnen Menschen der Tag, an dem wir unserem Herrn drüben in der anderen Welt begegnen? - Schließlich wird bei Jakobus das Beispiel des Bauern gewählt, dem es über Frühregen und Spätregen leicht fällt, auf die Frucht des Bodens zu warten. - Im Text für unsere Zeit ist der Bauer fehl am Platz! Er gerade lebt und arbeitet heute ganz anders als in den Tagen der ersten Christen- heit. Damals wäre ihm die Geduld wohl auch nicht schwer gefallen. Ich glaube aber, wir alle hier sind mehr oder weniger gute Beispiele für Menschen, die bei allen Anfechtungen und den vielen Problemen, die unseren Glauben in Frage stellen, doch auch mit Hilfe, Schutz, Segen und Kraft aus der Höhe versehen werden. Viele von uns haben das doch erlebt: Wir haben uns abends zu Bett ge- legt voller Furcht und böser Erwartung, wir konnten lange nicht einschlafen - und doch war da am Morgen ein neuer Mut da, wir wussten gar nicht woher. Aber wir haben wieder einen Weg gesehen. Das Problem war noch nicht verschwunden, aber wir waren sicher, wir würden eine Lösung finden. Und noch etwas haben wir im Laufe unseres Lebens erfahren dürfen: Vielleicht hatten wir lange Wochen der Krankheit, des Leids oder der Trauer um liebe Menschen. Vielleicht hat sich auch eine lange gehegte Hoffnung jäh zerschlagen. Oder wir mussten eine Sehnsucht, der wir seit Jahren nachgehängt haben, endgültig begraben. Aber wenn eine Weile vergangen war, wenn wir Monate oder gar Jahre später zurückgeschaut haben, dann sah doch manches ganz anders aus: Zeiten, die so schmerzhaft und dunkel waren, haben uns doch - vielleicht auch in unserem Vertrauen zu Gott! - weitergebracht. Was uns so viele Tränen gekostet hatte, schien uns auf einmal gar nicht mehr so er- strebenswert. Ja, vielleicht haben wir uns selbst gar nicht mehr verstanden, warum wir uns dieses oder jenes einmal so gewünscht haben und am Ende waren wir vielleicht sogar froh, dass Gott uns einen ganz anderen Weg geführt hatte. Liebe Gemeinde, gewiss haben Sie das vorhin gemerkt! Dass ich nämlich in meiner Übertra- gung der Jakobusworte einen Gedanken neu hinzugefügt habe, der mir ganz wichtig ist: „Stützt und helft einander und sprecht euch auch untereinander immer wieder Mut zu.“ Ich will es so sagen: Der Bauer in den Versen des Jakobus ist allein mit seiner Geduld. Jeder Hörer der Worte damals: „Seid auch ihr geduldig und stärkt eure Herzen!“, wird allein für sich angesprochen. Wir aber sind nicht allein! Wir haben unsere Gemeinde, wir haben eine und einer den anderen und die andere! Wir sind in der vergehenden Zeit einander zu Helferinnen und Helfern gemacht. Wir können mit Taten füreinander da sein. Wir können einander unsere Liebe schenken. Wir sollen einer dem anderen Trost oder Anerkennung zusprechen und können einer vom anderen Worte hören, die uns wei- terbringen und aufbauen. Wir sollen Anteil an dem nehmen, was einem oder einer von uns an Freude und Glück widerfährt und an Leid und Bösem zustößt. Vor allem aber sollen wir füreinand- er beten. So wird es wahr, was wir im Glauben erwarten und hoffen dürfen - gleich ob noch Jahre oder Jahrhunderte vergehen werden: „Einmal kommt unser Herr wieder und im Glauben an ihn ist diese Zeit schon immer gegenwärtig.“ AMEN