Predigt zum Drittl. Sonntag im Kirchenjahr - 8.11.2015 Textlesung: Lk. 17, 20 - 24 (25 - 30) Als Jesus von den Pharisäern gefragt wurde, wann das Reich Gottes komme, antwortete er: Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man es an äußeren Zeichen erkennen könnte. Man kann auch nicht sagen: Seht, hier ist es!, oder: Dort ist es! Denn: Das Reich Gottes ist (schon) mitten unter euch. Er sagte zu den Jüngern: Es wird eine Zeit kommen, in der ihr euch danach sehnt, auch nur einen von den Tagen des Menschensohnes zu erleben; aber ihr werdet ihn nicht erleben. Und wenn man zu euch sagt: Dort ist er! Hier ist er!, so geht nicht hin, und lauft nicht hinterher! Denn wie der Blitz von einem Ende des Himmels bis zum andern leuchtet, so wird der Menschensohn an sei- nem Tag erscheinen. (Einheitsübersetzung) Liebe Gemeinde! Wir spüren es: Wir gehen auf das Ende des Kirchenjahres zu. Denn die „Wiederkunft Christi“, um die es heute geht, gehört wie die Themen „Tod“ und „Auferstehung“ zu den so genannten „letzten Dingen“ und die haben ihren Platz in den letzten Wochen vor dem und am Ewigkeitssonntag. Vielleicht fragen Sie jetzt: „Ja, ist denn das überhaupt noch aktuell, dass Jesus Christus wieder- kommt und mit ihm das Reich Gottes auf Erden anbricht.“ Manche fragen wohl auch: „Lehrt das die Kirche überhaupt noch?“ Und noch andere bekennen es freimütig: „Ich kann das nicht glauben - nach so langer Zeit.“ Diese Fragen und dieses Bekenntnis kann ich gut verstehen. Aber ich möchte doch zwei Dinge da- zu sagen. Das erste ist dies: Jeden Sonntag sprechen wir in unserem Glaubensbekenntnis diese Worte: Ich glaube an Jesus Christus...aufgefahren in den Himmel; er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters; von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten. „Von dort wird er kommen...“ - daran kommen wir nicht vorbei. Und wir können von daher eigent- lich auch nicht fragen, ob die Wiederkunft Christi noch aktuell ist und nicht, ob das die Kirche überhaupt noch lehrt. Ganz deutlich gesprochen: Es ist noch aktuell und es entspricht noch kirchli- cher Lehre. Dem freimütigen Bekenntnis allerdings: „Ich kann das nicht glauben - nach so langer Zeit“, können wir so nicht beikommen. Denn es ist wirklich eine lange Zeit vergangen, seit Jesus sichtbar über diese Erde ging. Und seine Jünger und die Evangelisten haben alle ein Problem damit gehabt, dass er nicht binnen Jahresfrist oder wenigstens nach einigen Jahrzehnten wiedergekommen ist und die Weltzeit an ihr Ende gebracht hat. Auch spätere Generationen und selbst Martin Luther haben durchaus Christi Wiederkunft noch zu ihren Lebzeiten erwartet. Und viele Christinnen und Christen heute warten auch in unserer unruhigen und unfriedlichen Zeit darauf, dass Christus endlich erscheint, ja, sie sehnen den Tag herbei! Übrigens haben die Christen und manche Sekten zu allen Zeiten versucht, an „äußeren Zeichen“ zu erkennen, wann Gottes Reich anbricht und Christus wiederkommt. Manchmal wurde die Bibel zu Rate gezogen und Kriege und Katastrophen wurden als Vorboten der Wiederkunft gedeutet. Selbst Martin Luther hat es so gehalten. Aber zwei wichtige Dinge gehen schon aus den Versen hervor, die wir heute bedenken. Die wollen wir beachten. Einmal das: „Er sagte zu den Jüngern: Es wird eine Zeit kommen, in der ihr euch danach sehnt, auch nur einen von den Tagen des Menschensohnes zu erleben; aber ihr werdet ihn nicht erleben. Diese Worte Jesu sprechen doch eigentlich dafür, dass damals schon klar war, es wird noch lange dauern, bis das Reich Gottes in der Welt anbricht. Noch wichtiger aber ist das zweite: „Man kann auch nicht sagen: Seht, hier ist es!, oder: Dort ist es! Denn: Das Reich Gottes ist (schon) mitten unter euch.“ Liebe Gemeinde, ich frage mich inzwischen, warum dieser Satz: „Das Reich Gottes ist (schon) mit- ten unter euch“, immer wieder übersehen und wenig beachtet wird. Da ist doch auf einmal alles klar, finde ich: In uns und unter uns bricht das Reich Gottes an. In dem, was wir von Christi Worten befolgen, wie wir miteinander umgehen, was wir füreinander tun und wie wir aneinander die Liebe üben, die unser Herr uns vorgelebt und geboten hat. Und ich traue mich jetzt, das zu sagen: Wenn wir davon ausgehen, dass Gottes Reich schon heute unter uns ist und dort Wirklichkeit wird, wo wir im Sinne Jesu denken, reden und handeln, da wird es doch ganz unwichtig und unbedeutend, wann unser Herr leibhaftig wieder in unserer Welt erscheint! Außerdem können wir dann diesen Tag ganz gelassen erwarten, denn er wird uns nur bestätigen, was wir längst wissen: Dass die Nachfolge, das Leben in der Spur Jesu Christi der Weg ist, den wir als Christen einschlagen müssen. Und wir haben ganz und gar keinen Grund, diesen Tag zu berechnen oder gar nach biblischen Hinweisen datieren zu wollen. Geben wir uns zufrieden damit, dass er - wenn er kommt - für alle Welt - das Ende aller Kriege, aller Gewalt und aller Bosheit sein wird, die Menschen einander antun und endlich Gerechtigkeit für alle Völker und alle Menschen bringt. Es gibt auch Theologen, die deuten den Satz „Das Reich Gottes ist (schon) mitten unter euch“ so, dass hier Christus gemeint ist, in dem das Gottesreich schon unter den Jüngern lebendig ist. Ich fin- de, das sagt im Grunde dasselbe wie die Meinung, dass es um ein Leben in der Nachfolge Christi geht, darum, in seiner Spur zu bleiben und allen Mitmenschen so zu begegnen, wie ER das auch getan hätte: Gütig, freundlich und hilfreich und immer in Liebe. So gesehen, ist doch eigentlich gar kein Unterschied zwischen der Zeit, da Jesus über diese Erde ging und unserer. Damals konnten die Christen so leben, wie er es uns geboten hat und heute kön- nen wir das genauso. Wenn das Reich Gottes unter uns sein und wachsen soll, kommt also alles da- rauf an, ob wir das tun, was Jesus uns befohlen hat. Was wir in diesem Zusammenhang nicht so gern hören, was aber auch in dieser letzten Zeit des Kirchenjahres gepredigt werden muss, ist dies: Das Reich Gottes will von uns auch ergriffen und in gelebter Jüngerschaft und Nachfolge verwirklicht werden. Das Reich Gottes ist nicht nur eine un- verbindliche Aufgabe für uns Christen, sondern eine Chance, die wir nicht verstreichen lassen soll- ten. Denken wir doch an die Geschichten und Gleichnisse, die Jesus erzählt hat, die immer wieder das eine sagen: Es gibt eine Zeit und eine Gelegenheit, das Reich Gottes zu ergreifen - und es gibt ein „zu spät“. Drei Beispiele dafür: Da ist die Geschichte von den fünf törichten und den fünf klu- gen Jungfrauen. (Mt.25,1-13) Sie alle warten auf den Bräutigam, um bei der Hochzeit - gemeint ist das Himmelreich - dabei zu sein. Die törichten haben kein Öl für ihre Lampen dabei. Die klugen haben vorgesorgt. Als der Bräutigam endlich kommt, bitten die törichten Jungfrauen die klugen, ih- ne Öl abzugeben. Sie bekommen es aber nicht. Also finden sie den Weg nicht zur Hochzeit. Am Ende der Geschichte lesen wir: „Später kamen auch die törichten Jungfrauen und sprachen: Herr, Herr, tu uns auf! Er antwortete aber und sprach: Wahrlich, ich sage euch: Ich kenne euch nicht. Darum wachet! Denn ihr wisst weder Tag noch Stunde.“ Und da ist das Gleichnis vom „Reichen Kornbauern“, das wir gerade an Erntedank bedacht haben. (Lk.12,16-21) Der Bauer, der so reich geerntet hat, denkt nicht daran, seinen großen Vorrat mit de- nen zu teilen, die nicht so gesegnet sind. Er baut neue Vorratshäuser und meint, nun könnte er lange gut und sicher leben. Aber er hat seine Rechnung nicht mit Gott gemacht. Er ist nicht dankbar und denkt nicht an seine Mitmenschen. Am Ende des Gleichnis heißt es: „Aber Gott sprach zu ihm: Du Narr! Diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern; und wem wird dann gehören, was du angehäuft hast? So geht es dem, der sich Schätze sammelt und ist nicht reich bei Gott.“ Und schließlich ist da noch das deutlichste dieser Gleichnisse, es gehört zum nächsten, dem vor- letzten Sonntag im Kirchenjahr: das „Gleichnis vom Weltgericht“. (Mt,25,31-46) Christus am Jüngsten Tag. Er scheidet wie ein Hirt die „Böcke von den Schafen“. Die einen haben ihn gespeist, ihn bekleidet, ihn besucht... Und sie wissen es gar nicht mehr. Sie haben es ganz selbstverständlich getan. Die andern haben ihn nicht gespeist, nicht bekleidet und nicht besucht. Aber ihnen fehlt jede Ahnung, wo sie Christus begegnet sein sollten. Aber er sagt es ihnen: „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ Sie jedenfalls, hören am Ende das harte, aber gerechte Urteil: „Sie werden hingehen: diese zur ewigen Strafe, aber die Gerechten in das ewige Leben.“ - Was wollen uns diese Geschichten alle sagen? Das, was auch die Verse heute sagen wollen: „Das Reich Gottes ist mitten unter uns“, wenn wir in Christi Spur bleiben, seine Worte befolgen, wenn wir geschwisterlich miteinander umgehen und aneinander die Liebe üben, die unser Herr uns vorgelebt und geboten hat. AMEN