Predigt zum 1. Sonntag nach Trinitatis - 7.6.2015 Textlesung: Lk. 16, 19 - 31 Es war aber ein reicher Mann, der kleidete sich in Purpur und kostbares Leinen und lebte alle Ta- ge herrlich und in Freuden. Es war aber ein Armer mit Namen Lazarus, der lag vor seiner Tür voll von Geschwüren und begehrte, sich zu sättigen mit dem, was von des Reichen Tisch fiel; dazu ka- men auch die Hunde und leckten seine Geschwüre. Es begab sich aber, dass der Arme starb, und er wurde von den Engeln getragen in Abrahams Schoß. Der Reiche aber starb auch und wurde be- graben. Als er nun in der Hölle war, hob er seine Augen auf in seiner Qual und sah Abraham von ferne und Lazarus in seinem Schoß. Und er rief: Vater Abraham, erbarme dich meiner und sende Lazarus, damit er die Spitze seines Fingers ins Wasser tauche und mir die Zunge kühle; denn ich leide Pein in diesen Flammen. Abraham aber sprach: Gedenke, Sohn, dass du dein Gutes empfan- gen hast in deinem Leben, Lazarus dagegen hat Böses empfangen; nun wird er hier getröstet, und du wirst gepeinigt. Und überdies besteht zwischen uns und euch eine große Kluft, dass niemand, der von hier zu euch hinüber will, dorthin kommen kann und auch niemand von dort zu uns her- über. Da sprach er: So bitte ich dich, Vater, dass du ihn sendest in meines Vaters Haus; denn ich habe noch fünf Brüder, die soll er warnen, damit sie nicht auch kommen an diesen Ort der Qual. Abraham sprach: Sie haben Mose und die Propheten; die sollen sie hören. Er aber sprach: Nein, Vater Abraham, sondern wenn einer von den Toten zu ihnen ginge, so würden sie Buße tun. Er sprach zu ihm: Hören sie Mose und die Propheten nicht, so werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn jemand von den Toten auferstünde. Liebe Gemeinde! Wir Prediger des Evangeliums von Jesus Christus geraten, wenn wir diese Geschichte auslegen sol- len, immer wieder in große Nöte. Sie passt so überhaupt nicht zu dem, was Jesus uns ansonsten von Gottes Gnade und Barmherzigkeit gesagt hat. Ich weiß auch gar nicht, wie sie in das Lukasevange- lium hineingeraten ist, auch noch als eine Geschichte, die Jesus erzählt haben soll. Ich bin ganz of- fen: Mir wäre es lieber, wenn wir sie nicht im Neuen Testament lesen und wir sie auch nicht predi- gen müssten. Denken sie doch nur: Der Arme, dem es in dieser Welt schlecht ging, kommt in „Ab- rahams Schoß“, was wir sicher mit „Himmel“ wiedergeben dürfen und wird dort getröstet. Der Rei- che aber muss in die Hölle. - Eine Vorstellung ähnlich denen, wie sie vielleicht Naturvölker haben oder andere Menschen, die nichts von Jesus Christus wissen. Was aber machen wir jetzt mit dieser Geschichte? Dürfen wir sie überhaupt in ihrem vollen Inhalt predigen? Und umgekehrt: Dürfen wir sie sozusagen nur auszugsweise besprechen? Ja hat sie denn überhaupt christliche Züge, die sich mit dem Evangelium reimen? - Wir wollen sehen. Den Anfang kann man ja sicher erzählen, so etwas gibt es ja leider: „Es war aber ein reicher Mann, der kleidete sich in Purpur und kostbares Leinen und lebte alle Tage herrlich und in Freu- den. Es war aber ein Armer mit Namen Lazarus, der lag vor seiner Tür voll von Geschwüren und begehrte, sich zu sättigen mit dem, was von des Reichen Tisch fiel...“ Auch der nächsten Vers er- regt noch keinen Anstoß: „Es begab sich aber, dass der Arme starb, und er wurde von den Engeln getragen in Abrahams Schoß. Der Reiche aber starb auch und wurde begraben.“ Gut, vielleicht würden wir besser sagen: Der Arme ging ins Ewige Leben ein. Dass der Reiche aber in die Hölle kommt, das entspringt einer menschlichen Phantasie, die nicht unsere ist, denn wir wissen nicht, wie Gott am Ende über uns Menschen urteilt. Schon gar nicht genügte es für die Verdammung in die „Hölle“, dass ein Mensch reich war und sich gut gekleidet und ernährt hat. Und umgekehrt reicht es dafür, in Gottes Ewigkeit einzutreten, wohl auch nicht, hier auf Erden arm und elend ge- wesen zu sein. Ganz und gar nicht passte es zur Barmherzigkeit und Gnade unseres himmlischen Vaters, wenn er den Reichen in den Flammen des höllischen Feuers peinigen und den Armen von Abraham trösten ließe. Und das auch noch als Ausgleich für das Gute und das Böse das der Reiche und der Arme im irdischen Leben empfangen haben. Wenn das unsere Zukunft nach dem Tode wäre, dann hätte Gott nicht seinen Sohn in die Welt schi- cken müssen, um uns durch seinen Tod am Kreuz von Hölle, Tod und Teufel zu erlösen. Was in der Lazarusgeschichte beschrieben wird, ist nichts anderes als die auf Erden verdiente Vergeltung im Himmel. So oder so: Gnade und Vergebung gibt es hier nicht, nur Belohnung und Strafe. Aber gegen Ende der Geschichte kommen nun doch - und ausgerechnet aus dem Mund des Reichen - Worte, die uns wieder zurückbringen in die Nähe dessen, was wir von Jesus gelernt haben: „Da sprach der Reiche: So bitte ich dich, Vater, dass du ihn sendest in meines Vaters Haus; denn ich habe noch fünf Brüder, die soll er warnen, damit sie nicht auch kommen an diesen Ort der Qual.“ Ist das nicht ganz erstaunlich, was für Gedanken hier der reiche Mann ausspricht? Mitten in der Pein der höllischen Flammen - wenn wir das Bild einmal aufnehmen - kann er an seine Brüder den- ken und will ihnen dasselbe Los ersparen. Der reiche Mann gibt uns ein Beispiel für eine Barmher- zigkeit und ein Mitgefühl für andere, wie sie uns auch Jesus empfohlen hat, Barmherzigkeit und Mitgefühl auch, die der Abraham der Geschichte nicht aufbringen kann! Mir sagt das - und vielleicht können Sie da ja mitgehen - vergessen wir nie, dass wir nicht allein sind in dieser Welt. Wir leben in Gemeinschaften und wir können auch gar nicht leben, ohne unsere Mitmenschen, ohne ihre Fürsorge, ohne ihre Liebe und ohne ihre Hilfe. Gewiss, wir hören das immer wieder einmal von Männern oder Frauen, die sich stark fühlen und meinen, sie hätten niemanden nötig, dass sie sagen: „Ich brauche keinen Menschen, darum muss ich auch nicht für andere da sein!“ Aber das stimmt ja gar nicht. Wenn die, von denen wir so etwas hören, nur bedenken, wie hilflos und angewiesen sie als Kind auf ihre Mutter und ihren Vater wa- ren und wie ohnmächtig sie vielleicht einmal sind, wenn sie krank und alt werden, dann würden sie solche Reden nicht führen. Aber es gibt ja noch viel mehr, was uns deutlich macht, dass wir einan- der brauchen, ja, füreinander geschaffen sind: Jeder Mensch braucht Zuwendung, Anerkennung, gute, aufbauende Worte hin und wieder...und noch manches mehr. Und umgekehrt müssen wir auch bereit sein, den anderen das zurückzugeben, was wir selbst von ihnen empfangen. Wenn Jesus hier den Abraham sprechen lässt: „Sie (also die Brüder des Lazarus) haben Mose und die Propheten; die sollen sie hören.“, dann dürfen wir vielleicht stattdessen sagen: „Sie haben Jesus Christus, auf ihn sollen sie hören und das tun, was er getan hat.“ Der Reiche aber ist nicht zufrieden damit: „Nein, Vater Abraham, sondern wenn einer von den To- ten zu ihnen ginge, so würden sie Buße tun.“ Der reiche Mann setzt alles daran zu erreichen, dass wenigstens seine Brüder die Gelegenheit bekommen, umzukehren und ihnen erspart bleibt, was ihn getroffen hat, Die Bitte, die der Reich hier vorträgt, klingt bei uns heute vielleicht so: Wenn diese oder jenen doch einmal ein Schicksalsschlag träfe, dann würden sie sich bestimmt auf Gott besinnen. Oder so: Wenn du erst einmal durchmachen musst, was ich schon Schlimmes erlebt habe, dann würdest du auch das Beten lernen! Oder auch so: Du brauchst einmal eine Strafe von oben, dass du dein Leben noch herumreißt! Der Abraham der Geschichte aber hat da keine Hoffnung: „Abram sprach zu ihm: Hören sie Mose und die Propheten nicht, so werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn jemand von den Toten auferstünde.“ Wenn wir das in gleicher Weise in unsere Zeit übertragen wie vorhin, dann klingt das so: „Wenn sie nicht an Jesus Christus glauben und auf ihn vertrauen und tun, was er ge- tan hat, werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn jemand von den Toten auferstünde.“ Liebe Gemeinde, ich glaube, das ist der entscheidende Satz dieser Lazarusgeschichte. Und der hört sich auch sehr „christlich“ an, jedenfalls passt er ins Evangelium! Und ich glaube überdies, dieser Satz ist richtig! Es geht für uns Christen wirklich in erster Linie darum, dass wir an Jesus Christus glauben. Dass wir auf ihn hören und ihm in unserem Denken, Reden und Handeln folgen. Was der reiche Mann damals noch nicht erlebt hat - denn Jesus war noch in unserer Welt und noch nicht am Kreuz gestorben und auferstanden am dritten Tag - das haben wir an Ostern erfahren, das glauben wir und darauf verlassen wir uns im Leben und im Sterben. Uns sollte es also leichter fallen, an Jesus Christus zu glauben, als es dem reichen Mann aus der Lazarusgeschichte und seinen Brüdern und Zeitgenossen gefallen ist, auf Mose und die Propheten zu hören. Unser Herr ist von den Toten auferstanden und hat unserem Glauben damit eine wunder- bare Hilfe gegeben, auf ihn zu hören und ihm in unserem Denken, Reden und Handeln zu folgen. - Ich glaube, so gelesen, hat diese doch recht unevangelische Geschichte doch eine evangelische Bot- schaft, die sich zu bedenken lohnt. AMEN