Predigt zum Sonntag „Quasimodogeniti“ - 12.4.2015 Textlesung: Jh. 20, 19 - 29 Am Abend aber dieses ersten Tages der Woche, als die Jünger versammelt und die Türen ver- schlossen waren aus Furcht vor den Juden, kam Jesus und trat mitten unter sie und spricht zu ihnen: Friede sei mit euch! Und als er das gesagt hatte, zeigte er ihnen die Hände und seine Seite. Da wurden die Jünger froh, dass sie den Herrn sahen. Da sprach Jesus abermals zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Und als er das gesagt hatte, blies er sie an und spricht zu ihnen: Nehmt hin den heiligen Geist! Welchen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten. Thomas aber, der Zwilling genannt wird, einer der Zwölf, war nicht bei ihnen, als Jesus kam. Da sagten die andern Jünger zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen. Er aber sprach zu ihnen: Wenn ich nicht in seinen Händen die Nägelmale sehe und meinen Finger in die Nägelmale lege und mei- ne Hand in seine Seite lege, kann ich's nicht glauben. Und nach acht Tagen waren seine Jünger abermals drinnen versammelt, und Thomas war bei ihnen. Kommt Jesus, als die Türen verschlos- sen waren, und tritt mitten unter sie und spricht: Friede sei mit euch! Danach spricht er zu Thomas: Reiche deinen Finger her und sieh meine Hände, und reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig! Thomas antwortete und sprach zu ihm: Mein Herr und mein Gott! Spricht Jesus zu ihm: Weil du mich gesehen hast, Thomas, darum glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben! Liebe Gemeinde! Ich weiß nicht, ob eine oder einer von Ihnen schon einmal in die Lage gekommen ist, nach einem Unfall bei der Wiederbelebung eines Menschen durch Atemspende mitzuwirken. Auch wenn wir, die wir einen Führerschein besitzen, das beim Erste-Hilfe-Kurs an einer Puppe einmal gelernt ha- ben, ist es doch bei einem leblosen Unfallopfer etwas ganz anderes. Wir können uns vorstellen, wie das wohl für uns wäre, wenn ein Mensch, der eben noch wie tot dalag, auf einmal wieder atmet, sein Herz wieder schlägt und er die Augen öffnet und wieder lebt. Eine wunderbare und sehr anrüh- rende Erfahrung! In der Geschichte, die wir gerade gehört haben, geschieht etwas Ähnliches: Auch die Jünger kom- men zu neuem Leben, wenn es für unsere Augen auch nicht sichtbar und schon gar nicht so spekta- kulär ist - wunderbar ist es trotzdem! So wird dieses Wunder beschrieben: „Da sprach Jesus [...] zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Und als er das gesagt hatte, blies er sie an und spricht zu ihnen: Nehmt hin den heiligen Geist!“ Waren die Jünger bis zu dieser Stunde noch ohne Gottes Geist, so beginnt jetzt ein neues geistbeseeltes Leben für sie. Wie groß diese Gabe des Hei- ligen Geistes ist, hören wir auch: „Welchen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten.“ Wir wissen bei welcher Gelegenheit in der Ur- gemeinde und in der ersten Christenheit die Sünden erlassen wurden: In der Taufe ist das gewesen. Und dabei wurde auch der Heilige Geist an die damals meist erwachsenen Täuflinge weitergege- ben. Wenn Jesus hier die Jünger anbläst, ihnen den Heiligen Geist schenkt, dann können und sollen sie diesen Geist in der Taufe an die Christen, die neu zur Gemeinde gekommen sind, austeilen und ihnen die Sünden vergeben. Wir glauben bis heute, dass in der Taufe den Täuflingen der Heilige Geist Gottes geschenkt wird und auch die Sünden vergeben werden. Das äußere Zeichen - das An- blasen des Täuflings - ist allerdings dem viel deutlicheren Zeichen des Wassers gewichen, in das der Täufling untergetaucht oder mit dem er nur symbolisch benetzt wird. Jedenfalls geht der Täuf- ling aus der Taufe ohne Sünde und beschenkt mit dem Heiligen Geist hervor. Aber da ist der zweite Teil dieser Geschichte, der so beginnt: „Thomas aber, der Zwilling genannt wird, einer der Zwölf, war nicht bei ihnen, als Jesus kam.“ Als Jesus gegangen ist, kommt Thomas zurück zu den anderen Jüngern. Die berichten ihm: „Wir haben den Herrn gesehen.“ Wir verstehen gut, wenn er darauf so antwortet: „Wenn ich nicht in seinen Händen die Nägelmale sehe und meinen Finger in die Nägelmale lege und meine Hand in seine Seite lege, kann ich's nicht glauben.“ Ich denke, vielen von uns wäre es genauso gegangen: Sie hätten es nicht glauben können! Und viele Menschen unserer Zeit, auch Christen darunter, könnten, wenn sie ehrlich sind, auch nur bekennen: Ich kann das nicht glauben, dass Jesus damals leibhaftig vor den Jüngern erschienen ist. Er war doch am Kreuz gestorben und ins Grab gelegt worden. Da kommt keiner zurück! Und eigentlich könnten solche Menschen auch unser Glaubensbekenntnis nicht mitsprechen: „... am dritten Tage auferstanden von den Toten!“. Sie tun es aber doch und ich frage mich, wie das möglich ist: Kann ich als Christin oder Christ sagen: „Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen ... und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn...“, wenn ich doch Jesu Auferstehung nicht für wirklich und wahr halte? Ich denke, das ist nicht möglich! Noch weniger kann ich mir vorstellen, dass Christen, ohne es zu glauben, den Schluss unseres Be- kenntnis’ mitsprechen: „Ich glaube an ... die Auferstehung der Toten und das ewige Leben.“ Dass Sie mich jetzt recht verstehen: Ich möchte das nicht verurteilen, wenn Christen, ohne es zu glauben, bei bestimmten Worten unseres Glaubensbekenntnis’ nicht schweigen, sondern mit den anderen aus der Gemeinde mittun! Ich meine, das ist keine Sünde, die sie damit auf sich laden und kein Zeichen dafür, dass sie diesen Worten gleichgültig gegenüber stehen. Ich denke vielmehr, das ist eine große Not, die diese Menschen empfinden und ich bin auch sicher, sie hätten nichts lieber, als dass sie die Worte um die Auferstehung und das Ewige Leben von Herzen glauben könnten. - Wir wissen es doch: Glauben können wir nicht machen, nicht herbeizwingen und nicht wie einen Lerninhalt vermitteln. Glaube ist immer ein Geschenk, ein Gottesgeschenk! Sie werden jetzt vielleicht denken: Das war damals für die 11 Jünger viel leichter, Jesu Auferste- hung zu glauben. Sie haben ihn ja leibhaftig gesehen. Das ist sicher richtig! Und am Beispiel des Thomas bestätigt sich das ja auch: Erst als auch er den Auferstandenen sieht, kann er glauben! Auch das ist ganz offensichtlich so! Aber die Zeit, in der sich Jesus vor den Jüngern und vielen anderen Menschen hat sehen lassen, ist lange vorbei. Heute sollen wir glauben, ohne ihn zu sehen. Und dieser Glaube ist sogar wertvoller, wie Jesus sagt: „Spricht Jesus zu Thomas: Weil du mich gesehen hast, darum glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!“ Aber es bleibt dabei: Der Glaube ist ein Geschenk. Wir können ihn nicht erwerben und uns nicht durch Lernen aneignen. Aber: Wir müssen uns darum auch nicht schämen, wenn wir an die Aufer- stehung Jesu und dass wir selbst auch einmal auferstehen werden, nicht glauben können! Andererseits wünschen wir uns das doch: Das glauben zu können! Wie viel Trost geht doch von diesem Glauben aus: Weil Jesus auferstanden ist, werden auch wir einmal auferstehen. Wir werden dieses oft so schwere und leidvolle Leben hinter uns lassen und in Gottes neue Welt eintreten, in der alles, was uns hier die Freude am Leben genommen hat, nicht mehr zählt. Ja, wir werden nicht einmal mehr daran denken. Und wie viel Kraft und Mut kommt von diesem Glauben her - schon in diesem Leben! Wenn wir wissen, die Krankheiten und Behinderungen die uns heute quälen, werden nicht ewig währen. Alle Fragen werden einmal eine Antwort finden, alle Schuld wird einmal von uns genommen. Aber auch alles, was an unserem Leben gut und gelungen ist, soll zur Vollendung kommen. - Wie würde uns dieser Glaube bereichern und uns zu einem erfüllten Leben helfen! Was können wir für diesen Glauben tun? Wenn er doch ein Geschenk ist? Wir können um diesen Glauben bitten! Im Gebet können wir unserem Herrn unsere Not mit diesem Glauben sagen. Unser Gebet wird nicht unerhört bleiben! Vielleicht wird es eine Weile dauern und wir sollten ganz aufmerksam sein bei dem, was uns begegnet und was wir mit Menschen erleben: Erwarten wir nicht, dass wir in der Wirklichkeit oder im Traum Jesus sehen werden. Aber erwarten wir, dass sich etwas in unserem Leben ereignet, das uns zeigt, dass er lebendig ist oder dass er uns einen Menschen schickt, der so überzeugend und glaubhaft von seinem Herrn spricht, der heute an ihm und anderen Menschen wirkt, ihm hilft und ihn führt. Vielleicht auch berührt uns ein Wort aus dem Neuen Testament, das wir irgendwo lesen oder in einer Predigt hören, so, dass wir spüren: Je- sus Christus ist damals nicht im Tod geblieben, sondern auferstanden - und er lebt heute! Von die- sem Glauben ist es dann nur ein kleiner Schritt zu dem anderen: Dass auch wir nach dem Tod auf- erstehen werden und ewig leben dürfen in Gottes Reich. Liebe Gemeinde, dieser Sonntag heute heißt „Quasimodogeniti“. Das bedeutet: Wie die neugebore- nen Kinder! Ich wünsche Ihnen, dass Sie der Glaube an die Auferstehung froh macht und Sie sich durch diesen Glauben wie neugeboren fühlen! AMEN