Predigt zum 23. So. nach Trinitatis - 26.10.2008 1. Textlesung: 1. Mos. 18, 20 - 21. 22 - 33 Und der HERR sprach: Es ist ein großes Geschrei über Sodom und Gomorra, dass ihre Sünden sehr schwer sind. Darum will ich hinabfahren und sehen, ob sie alles getan haben nach dem Geschrei, das vor mich gekommen ist, oder ob’s nicht so sei, damit ich’s wisse. Und die Männer wandten ihr Angesicht und gingen nach Sodom. Aber Abraham blieb stehen vor dem HERRN und trat zu ihm und sprach: Willst du denn den Gerechten mit dem Gottlosen umbringen? Es könnten vielleicht fünfzig Gerechte in der Stadt sein; wolltest du die umbringen und dem Ort nicht vergeben um fünfzig Gerechter willen, die darin wären? Das sei ferne von dir, dass du das tust und tötest den Gerechten mit dem Gottlosen, so dass der Gerechte wäre gleich wie der Gottlose! Das sei ferne von dir! Sollte der Richter aller Welt nicht gerecht richten? Der HERR sprach: Finde ich fünfzig Gerechte zu Sodom in der Stadt, so will ich um ihretwillen dem ganzen Ort vergeben. Abraham antwortete und sprach: Ach siehe, ich habe mich unterwunden, zu reden mit dem Herrn, wiewohl ich Erde und Asche bin. Es könnten vielleicht fünf weniger als fünfzig Gerechte darin sein; wolltest du denn die ganze Stadt verderben um der fünf willen? Er sprach: Finde ich darin fünfundvierzig, so will ich sie nicht verderben. Und er fuhr fort mit ihm zu reden und sprach: Man könnte vielleicht vierzig darin finden. Er aber sprach: Ich will ihnen nichts tun um der vierzig willen. Abraham sprach: Zürne nicht, Herr, dass ich noch mehr rede. Man könnte vielleicht dreißig darin finden. Er aber sprach: Finde ich dreißig darin, so will ich ihnen nichts tun. Und er sprach: Ach siehe, ich habe mich unterwunden, mit dem Herrn zu reden. Man könnte vielleicht zwanzig darin finden. Er antwortete: Ich will sie nicht verderben um der zwanzig willen. Und er sprach: Ach, zürne nicht, Herr, daß ich nur noch einmal rede. Man könnte vielleicht zehn darin finden. Er aber sprach: Ich will sie nicht verderben um der zehn willen. Und der HERR ging weg, nachdem er aufgehört hatte, mit Abraham zu reden; und Abraham kehrte wieder um an seinen Ort. Liebe Gemeinde! Diese Geschichte heißt „Die Fürbitte Abrahams“. Ich habe mir nun einmal gedacht, wir würden am Ende unseres Gottesdienstes heute eine ähnliche Fürbitte halten! Vielleicht so: Wir bitten dich, sieh die Menschen nicht an, die an deinen Geboten schuldig geworden sind, sondern nimm wahr, wie viele unter uns gut sind und um deine Sache bemüht: Bestrafe nicht die Lügner - um der anderen willen, die wahrhaftig sind. Sprich nicht die Paare, die in guter Ehe verbunden sind, mit den Ehe- brechern schuldig! Und suche nicht die Menschen heim, die das Leben achten, ja, denen es heilig ist, nur weil es auch einige Mörder gibt. Ich glaube, wenn wir das einmal so in unsere Zeit und unseren Gottesdienst übertragen, dann wird zweierlei deutlich: Einmal ist es unverschämt, mit Gott auf eine solche Weise zu schachern und zu rechten. Er, der die Gerechtigkeit und Liebe selbst ist, hat unsere Klagen und unsere Zurechtwei- sungen nicht nötig! Zum anderen aber würde in einem solchen Beten und Bitten auch so getan, als wäre nicht jeder Mensch für das verantwortlich, was er selbst getan und verschuldet hat. Aber vergessen wir nicht: Das ist eine Geschichte aus dem Alten Testament. Wir dürfen unsere christlichen Gedanken nicht ohne weiteres in die Gedankenwelt Abrahams hineintragen! Er weiß noch nichts von Jesus Christus! Er kennt noch keine Vergebung für viele, weil einer sie mit seiner Gerechtigkeit vertritt. Ihm ist die Vorstellung noch fremd, dass Leiden und gar Sterben eines Men- schen viele andere retten kann! Bleiben wir noch eine Weile bei Abraham und dieser Geschichte: Die Bösen, die ungerechten Men- schen werden nur davonkommen, weil Abraham an die Gerechtigkeit Gottes appelliert, wie es damals gesehen und Gott zugeschrieben wurde. Es geht nicht um Gnade! Abraham würde im Traum nicht einfallen, dass die Frevler und Sünder in Sodom und Gomorra Gottes Gnade verdient hätten! Es ist nicht so, dass er um Barmherzigkeit für die Übeltäter bittet. Er will Gott auf ein ge- rechtes Verhalten den anderen, den Guten gegenüber festnageln: Wie kannst du die Guten mit den Bösen umbringen?! Wir könnten fast sagen: Wenn du die schlechten Menschen der beiden Städte heimsuchst, dann sei’s drum! Die haben es nicht anders verdient. Aber nicht die Guten mit ihnen! Das wäre deiner Gerechtigkeit, Gott, nicht angemessen! Noch einmal, sehen wir das richtig: Für Abraham steht Gottes Gerechtigkeit den Gerechten ge- genüber auf dem Spiel - nicht sein verdienter Zorn gegen die Bösen! Der ist für Abraham „in Ord- nung“, würden wir heute sagen. Aber warum spreche ich so viel über eine doch überholte Gerechtigkeit? Ich möchte, dass uns klar wird, dass es im Denken Abrahams und der alttestamentlichen Zeit keine Gnade gibt für den, der ein Übertreter des Gesetzes ist. Strafe kann nicht ausgesetzt oder abgelöst werden - schon gar nicht durch einen anderen Menschen. Die Barmherzigkeit Gottes darf gar nicht über der Gerechtigkeit stehen, die jedem das zumisst, was er sich durch seine Taten erworben hat. Das würde das Verhältnis zu Gott aus den Angeln heben, dass jeder bösen Tat eine vergleichbar harte Strafe folgt. Und so spricht es sich ja auch - für unsere Ohren schrecklich genug - in diesem Wort aus dem 2. Buch Mose (21,24) aus: „Auge um Auge, Zahn um Zahn, Hand um Hand, Fuß um Fuß ...“ Und ich könnte noch viele weitere Beispiele zwischen Genesis und Maleachi finden, die ähnlich hart die Gerechtigkeit Gottes sehr viel höher stellen als sein Erbarmen. Liebe Gemeinde, macht mir das eigentlich Spaß, so auf dieser für uns Christen wirklich schlimmen Sicht von Gerechtigkeit herumzureiten? Oder warum betone ich das so, dass für Abraham und die Juden eine andere Vorstellung galt - und ja auch heute noch gilt! - wie Gottes Gerechtigkeit aus- sieht? Nein, das macht mir keine Spaß! Freude macht mir aber, dass wir Jesus Christus haben, der ein für allemal einen Strich unter diese Rechnung gemacht und darunter geschrieben hat: „Gnade, Barm- herzigkeit, Liebe des Vaters im Himmel ...“ Gnade nämlich hebt alles auf, was uns von der lieben- den Gerechtigkeit Gottes ausschließen könnte. Barmherzigkeit macht den Sünder recht vor Gott. Erbarmen und Güte sind die Geschenke des Vaters an seine Kinder, auch und gerade an die, auf deren Seele Schuld liegt und die durch ihre Taten und ihren Lebenswandel in Sünde verstrickt sind. Aber das alles können wir nicht erwerben! Müssen wir auch nicht! Jesus Christus hat es am Kreuz erworben, was uns Gottes Erbarmen verdient. Sein Leiden und Sterben ist das Opfer, das bei Gott zählt und alles in Ordnung bringt, was nur zwischen ihm und uns stehen könnte. Es ist ja vielleicht nicht so leicht, sich das vorzustellen. Aber denken wir einen Augenblick einmal, die Geschichte von der Fürbitte eines Menschen für andere, wie wir sie heute aus der Zeit Abra- hams gehört haben, spielte sich in unseren Tagen - am Ende noch in unserer Gemeinde - ab - jeden- falls in christlicher Zeit und mit unserer ganz anderen Sicht von Gottes Gerechtigkeit. Dann würde sie vielleicht so erzählt werden: Und Gott sprach: Es ist ein großes Geschrei über viele Menschen in der Gemeinde .............. vor mich gekommen, dass ihre Sünden sehr schwer sind. Darum will ich hinabfahren und sehen, ob sie das wirklich getan haben nach dem Geschrei, das vor mich gekommen ist, oder ob’s nicht so sei, damit ich’s wisse. Aber einer aus der Gemeinde wandte sich im Gebet an Gott und sprach: Willst du denn den alle bestrafen? Du hast deinen Sohn Jesus Christus in die Welt gesandt, dass er für die Schuld aller Menschen in Leiden und Tod geht. Darum sieh nicht an die Sünde der Menschen. Strafe nicht unsere Schuld, sondern gedenke des Opfers deines lieben Sohnes und sprich uns alle frei nach deiner Barmherzigkeit. Sie haben es gemerkt: Diese Geschichte war sehr viel kürzer als die aus der Bibel, die ich vorhin gelesen habe. Das hat seinen guten Grund: Es gibt kein Feilschen mehr. Es wird auch nicht mehr gerechnet: Wie viele Gute müssen es sein, dass Gott alle verschonen kann. Es gibt auch kein Beru- fen mehr darauf, dass wir doch wohl zu den Guten gehören! „Wir sind allzumal Sünder und erman- geln des Ruhms bei Gott“, sagt Paulus (Röm.3,23). Es gibt nur eins, auf dass wir uns verlassen können: Gott will unsere Schuld nicht ansehen um Jesu Christi willen! Und es gibt nur einen, der uns das erworben hat: unseren Herrn. Was uns zu tun bleibt, ist daran zu glauben. Und Glauben heißt, darauf allein zu vertrauen, dass Je- sus Christus alles, wirklich alles dafür getan hat, dass wir mit Gott in Ewigkeit im Reinen sind. Mit diesem Glauben im Herzen hört alles Rechnen auf, alles Feilschen und alles Berufen auf eigene Ta- ten, eigene Verdienste, eigenes Wohlverhalten. Es gibt nur noch eins: Gott spricht die Bösen wie die Guten frei nach seiner Barmherzigkeit durch Jesu Christi Opfer für uns. AMEN