Predigt zum 15. Sonntag n. Trinitatis - 31.8.2008 Textlesung: 1. Mos. 2, 4 - 15 Es war zu der Zeit, da Gott der HERR Erde und Himmel machte. Und alle die Sträucher auf dem Felde waren noch nicht auf Erden, und all das Kraut auf dem Felde war noch nicht gewachsen; denn Gott der HERR hatte noch nicht regnen lassen auf Erden, und kein Mensch war da, der das Land bebaute; aber ein Nebel stieg auf von der Erde und feuchtete alles Land. Da machte Gott der HERR den Menschen aus Erde vom Acker und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase. Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen. Und Gott der HERR pflanzte einen Garten in Eden ge- gen Osten hin und setzte den Menschen hinein, den er gemacht hatte. Und Gott der HERR ließ auf- wachsen aus der Erde allerlei Bäume, verlockend anzusehen und gut zu essen, und den Baum des Lebens mitten im Garten und den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen. Und es ging aus von Eden ein Strom, den Garten zu bewässern, und teilte sich von da in vier Hauptarme. Der erste heißt Pischon, der fließt um das ganze Land Hawila, und dort findet man Gold; und das Gold des Landes ist kostbar. Auch findet man da Bedolachharz und den Edelstein Schoham. Der zweite Strom heißt Gihon, der fließt um das ganze Land Kusch. Der dritte Strom heißt Tigris, der fließt östlich von As- syrien. Der vierte Strom ist der Euphrat. Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte. Liebe Gemeinde! Es ist ja oft so, bei Geschichten: Das Wichtigste steht am Ende! Auf den Schluss der Erzählung läuft alles hinaus, was wir vorher hören oder lesen. Ich glaube, so ist es auch hier: „Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte.“ Einmal sehr salopp und überspitzt ausgedrückt: Der Mensch ist nicht zu seinem Vergnügen in der Welt. Er dient - ja, nicht einem Zweck, denn Gott hat ihn ja eigentlich gar nicht nötig - aber er hat einen Auftrag! Und das zeigt uns nicht nur diese Geschichte vom ersten Menschen, sondern die ge- samte Bibel. Immer wieder geht es um den Menschen und seinen Auftrag. Und der ist nicht für je- den derselbe, sondern für jeden Einzelnen ein besonderer: Denken wir an Noah: Er soll eine Arche bauen! (Gen.6,14) Oder Abraham - Geh aus deinem Vater- land in ein Land, das ich dir zeigen will! (Gen.12,1) Denken wir an Saul und David: Sie sollen Kö- nige von Israel werden. (1.Sam.9,17/1.Sam.16,13) Noch viele Beispiele gäbe es im ersten Teil der Bibel, aber gehen wir ins Neue Testament: Da ist zuallererst Maria, die den Heiland zur Welt brin- gen soll. (Lk.1,31) Da sind die Jünger, die allesamt in die Nachfolge Jesu berufen werden. (Mt.4,18ff) Und da ist Paulus, der vor Damaskus zum 1. Missionar der Christenheit erwählt wird. (Apg.9,3ff) Am Ende des Neuen Testaments schließlich steht Johannes, der Schreiber der Offenba- rung, der von Gott zum Propheten ausersehen ist. (Offb.1,10f) Auch hier gibt es noch unzählig viele andere Beispiele dafür, dass Gott Aufträge an die Menschen hat - und eben für jede und jeden ei- nen, den nur sie erfüllen sollen. Was dabei noch auffällt, ist dies: Die Menschen nehmen ihre be- sonderen Aufträge an. Vielleicht murren sie am Anfang und schieben etwas vor, warum sie nach ih- rer Meinung nicht geeignet sind - wie z.B. Mose, die Propheten Jeremia und Jona, Maria, die Mutter Jesu, der die hohe Geburt zunächst doch fast unheimlich ist oder der Jünger, der erst noch seinen Vater begraben will, bevor er Jesus folgt. Aber alle gehorchen dann doch und - eigentlich erstaun- lich! - sie können das auch, was ihnen zugetraut wird. Noch bemerkenswerter aber ist für mich, dass alle diese Beauftragten Gottes ihren Lebenssinn und ihre Erfüllung darin finden, das zu tun, was Gott von ihnen verlangt. Das schließt allerdings nicht aus, dass ihr Leben in und für ihren Auftrag oft sehr schwer und beileibe kein Spaziergang war! Aber kehren wir zurück zu Adam: „Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte.“ Wir könnten nun sicher sagen: Für uns passt die- ser Auftrag aber nicht, unsere Welt ist ja nun wirklich kein Paradies mehr! Und auch das könnten wir sagen: Wir arbeiten doch meist in ganz anderen Berufen und haben etwas ganz anderes gelernt als den Boden zu bearbeiten, zu pflügen, zu säen und zu ernten. Und mit beiden Hinweisen hätten wir Recht! Aber es geht hier um etwas anderes: Gott selbst „setzt“ den Menschen dorthin, wo er seine Arbeit und seinen Auftrag hat! Das war im Falle Adams der Paradiesgarten. Im Falle Davids aber ging es um das Königtum über Israel und bei Jeremia um das Propheten- und bei Paulus um das Missionarsamt. Gott setzt die Menschen dorthin, wo er sie brauchen kann und will. Das mag jetzt ja ein wenig überraschend sein, wenn ich sage: Auch jede und jeden von uns setzt Gott dorthin, wo sein Auftrag ist. Aber ich sage es noch deutlicher: Wenn du vielleicht Kranken- schwester bist oder Lehrer, dann ist deine Aufgabe in diesem Beruf von Gott. Wenn du in einem Büro oder einer Fabrik arbeitest, dann hast du auch dort einen Auftrag von Gott her. Und es gibt hier keine hohen und niedrigeren Berufe oder Tätigkeiten. Alles kommt darauf an, dass wir unseren Auftrag dort, wohin Gott uns „gesetzt“ oder gestellt hat, annehmen. Und wenn wir jetzt denken: Aber ein Krankenpfleger kann doch in seiner Arbeit besser Gott und den Menschen dienen als eine Frau, die an irgendeinem Fließband steht und wenn man Rentner ist, dann ist es noch einmal ganz anders, dann sage ich: Das ist richtig - solange es um die acht Stunden Dienst geht! Aber sowohl der Pfleger als auch die Fabrikarbeiterin und der Rentner sowieso haben noch ein anderes Leben: Sie sind Väter oder Mütter, Töchter oder Söhne, sie engagieren sich in der Gemeinde oder einem Verein, sie haben Hobbies, die sie in der Freizeit mit anderen Menschen zusammenbringen, sie sind Nachbarn, anderer Menschen Freunde, Bekannte, haben viele Stunden des Tages, in denen sie pri- vat sind und es gibt für sie ein Wochenende und Urlaub, freie Zeit, in der sie nicht arbeiten müssen. Es gibt also für alle Menschen ganz unterschiedliche Bereiche, in denen sie ihren Auftrag haben können. Und es gibt möglicherweise auch für jeden Menschen mehr als einen Auftrag! Beim dem einen liegt der in seinem bezahlten Dienst, bei einer anderen vielleicht danach, wenn sie Freizeit hat. Entscheidend ist, dass wir unsere Aufträge annehmen, als von Gott gegeben - gerade für uns ganz persönlich und so wie an uns für keinen anderen Menschen! Gott hat uns dorthin „gesetzt“, wo wir heute sind. Liebe Gemeinde, ich weiß schon, das ist eine gehörige Zumutung, das auszusprechen. Nicht jeder ist ja zufrieden mit dem Platz, an dem er steht und der Aufgabe, die ihm das Leben (oder Gott?) gestellt hat. Den schönen Garten zu bebauen, wie es Adams Auftrag war, war da doch leichter: Das Paradies zu pflegen mit den Bäumen „verlockend anzusehen“, zwischen den wasserreichen Flüssen und inmitten einer Landschaft voller „Gold“ und „Edelsteine“. Wie ist das doch bei uns so anders! Ja, es ist anders! Das lässt sich nicht leugnen. Und es wäre auch nicht gut und nicht wahr, wenn wir es versuchten! Wir leben nicht im Paradies. Das Leben heute ist vielfältiger, schwerer zu meistern und auch unsere Aufträge sind schwieriger zu erfüllen. Eines aber ist nicht anders als zu Adams Zeiten. Und das zieht sich durch die beiden Testamente unserer Bibel und es zieht sich durch die Weltzeiten und dabei besonders durch Geschichte, die Menschen geschrieben haben, die an Gott glaubten und davon ausgegangen sind, dass er über ihrem Leben einen Auftrag ausgerufen hat: Es ist die feste Gewissheit, dass unser Leben, nein, deutlicher, dass mein persönliches Leben keine Irr- fahrt ist, kein Zufall, kein blindes Schicksal ist, sondern - so wie es ist - der Wille Gottes und so wie bei Adam, dass Gott selbst uns dorthin gesetzt hat, wo wir jetzt sind! Das ist kein leichtes Stück Glaube! Das fordert uns und braucht viel Kraft und viel Mut und einiges an Geduld und Hoffnung. Und es braucht auch Liebe - zu Gott und den Menschen! Dieser Glaube spricht dann so: Ich weiß nicht wie und warum ich gerade der Mensch bin, der ich bin und der in diesem Leben ist, mit dieser Herkunft, dieser Familie, diesem Lebenszusammenhang, diesen Bega- bungen und dieser Arbeit. Aber Gott hat mich in gerade dieses Leben hinein gesetzt! Das ist nicht ein Platz, an dem auch irgendein anderer stehen könnte - das ist mein Platz! Und hier und nirgend- wo anders habe ich meinen Auftrag an den Menschen und für die Menschen, den ich erfüllen soll und kann. Darum will ich diesen Auftrag wahrnehmen und die Arbeit oder den Dienst darin auf- nehmen. Und ich will nicht daran zweifeln, dass ich die Aufgabe schaffe, die mir Gott gestellt hat. Wir haben vorhin darüber gesprochen, wie sich das seit Adams Zeit durch die Geschichte Gottes mit seinen Menschen hindurch verfolgen lässt. Dabei wollen wir jetzt auch das sehen: Alle, die sich von Gott haben rufen lassen und ihm gehorsam waren, konnten ihren Auftrag erfüllen und - wie verheißungsvoll! - sie haben darin auch Erfüllung gefunden! Und wenn wir mit unserem Leben, un- serer Arbeit in und an unserem Auftrag dahin gelangen, dann könnte es geschehen, dass wir uns wieder ein wenig so fühlen, wie einst Adam im Garten Eden: Gott nah und geborgen in seinem gu- ten Willen. AMEN