Predigt zum 14. Sonntag n. Trinitatis - 24.8.2008 Textlesung: 1. Thess. 5, 14 - 18 (19 - 24) Wir ermahnen euch aber, liebe (Schwestern und) Brüder: Weist die Unordentlichen zurecht, tröstet die Kleinmütigen, tragt die Schwachen, seid geduldig gegen jedermann. Seht zu, dass keiner dem andern Böses mit Bösem vergelte, sondern jagt allezeit dem Guten nach untereinander und gegen jedermann. Seid allezeit fröhlich, betet ohne Unterlass, seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus an euch. (Den Geist dämpft nicht. Prophetische Rede verachtet nicht. Prüft aber alles, und das Gute behaltet. Meidet das Böse in jeder Gestalt. Er aber, der Gott des Friedens, heilige euch durch und durch und bewahre euren Geist samt Seele und Leib unversehrt, untadelig für die Ankunft unseres Herrn Jesus Christus. Treu ist er, der euch ruft; er wird's auch tun.) Liebe Gemeinde! „Wir ermahnen euch ...“ Das fängt ja gleich richtig an! Aber nicht nur, dass wir ermahnt werden, wir sollen das auch mit anderen so halten: „Weist die Unordentlichen zurecht ...“ Das gefällt uns beides nicht! Weder lassen wir uns gern mahnen, noch würden wir das bei anderen Menschen tun ... vielleicht bei unseren Kindern oder Enkeln, aber doch nicht bei Erwachsenen! Es scheint, als wäre das, was Paulus heute von uns fordert, doch einigermaßen überzogen! - Aber warum empfinden wir das eigentlich so? Das hat sicher mit der Zeit zu tun und damit, dass sich der Umgang miteinander grundlegend ge- wandelt hat. Mahnung scheint etwas zu sein, für das einfach kein Platz mehr ist zwischen Men- schen, die doch in der Welt alle gleichberechtigt sind und vor Gott gleicher Würde und gleich ge- liebt. Nicht einmal in der Schule bei Kindern ist Mahnung und Tadel heute noch ein Erzie- hungsprinzip. Die Lehrerin, der Lehrer, wenn sie etwas von Pädagogik verstehen, werden viel mehr auf Lob und Anerkennung des guten Verhaltens setzen als darauf, das herauszustellen, was ein Kind falsch gemacht oder wo es versagt hat. Andererseits - wenn wir einmal tiefer über unser Verhältnis zu den Mitmenschen nachdenken - was sagen wir einander überhaupt noch, was über den Benzinverbrauch unseres Autos, über unsere Meinung über das Wetter und die Preise und unsere momentane gesundheitliche Lage und die un- serer Familie hinausgeht? Zwar hat unsere Zeit ein hochtrabendes Wort für das gefunden, was früher Gespräch und Gedankenaustausch war, nämlich Kommunikation, aber wirklich tief, wirklich wesentlich wird heute nur noch selten kommuniziert. Was machen wir also damit: „Wir ermahnen euch ...“ - „Weist die Unordentlichen zurecht ...“? Tun wir’s als überholt und nicht mehr zeitgemäß ab oder ... deuten wir es neu und versuchen daraus doch einen wichtigen Hinweis und gar einen Nutzen für unsere Gespräche miteinander zu ziehen? - Ich bin für das zweite! Wie wäre es, wenn wir das einmal so verstehen: Wir laden euch ein, wieder einmal mehr in die Tiefe zu gehen, sowohl bei euch selbst als auch bei anderen! Eure Gespräche auf der Straße, beim Kaufmann, im Wartezimmer des Arztes und sogar nach dem Gottesdienst vor der Kirche sind so seicht geworden! Ihr sagt ja gar nicht mehr, wie es in euch drinnen aussieht! Und darum hört ihr auch nichts mehr davon bei euren Nächsten. Wenn ihr euch nicht mehr öffnet, dann wird euer Mit- mensch das auch nicht tun! Jetzt wird die eine oder der andere denken: Aber ich kann doch nicht gleich jedem alles anver- trauen, was mich bewegt, sorgt und vielleicht ängstigt! Das hat ja doch auch einen guten Sinn, wenn unsere Gespräche an der Oberfläche bleiben! Das schützt uns vor Verletzung und davor, dass weitergetragen wird, was niemand sonst angeht. Aber es gibt da auch wieder die andere Seite: In- sgeheim sehnen wir uns doch danach, über das, was uns beschäftigt, was uns quält und belastet zu reden! Manchmal ist es auch so, dass wir anderen gern einmal dieses oder jenes sagen würden, was uns schon lange stört oder auch, was uns an ihm oder ihr gefällt. Nur trauen wir uns das nicht, weil die Kommunikation zwischen uns einfach nicht so ist ... so tief, so persönlich und wesentlich. Was hier vielleicht helfen kann, ist ein bisschen Mut am Anfang. Und die richtigen Worte und ein wenig Vertrauen zu den Menschen, die nach unserer Erfahrung auch Vertrauen verdient haben. Ich könnte mir vorstellen, dass wir künftig diese seichten Allerweltsfloskeln über das zu heiße oder zu kalte, zu nasse oder zu trockene Wetter vermeiden. Das hat unser Gegenüber ja schon selbst ge- merkt, wie das Wetter ist. Auch wenn unser Gesprächspartner sich zu einer Bemerkung flüchtet, wie: „Jetzt ist das Benzin doch schon wieder teurer geworden“, ist ein Gedankenaustausch über wirklich wichtige Fragen noch möglich. Warum nicht so einsteigen: „Mich beschäftigt heute sehr ...“ oder so antworten: „Wie geht es dir denn persönlich?“ Aber es gibt noch viele andere verheißungsvolle Anfänge oder - wenn wir schon mitten drin sind im Gespräch - Wendungen, die das hin und her von Wörtern und Sätzen zu einer echten, hilfreichen Kommunikation werden lassen. Ein paar Beispiele: „Ging dir das auch schon so ...?“ - „Was ich da von dir gehört habe, ist mir sehr nah gegangen ...“ - „Ich komme in letzter Zeit nicht mehr so gut zurecht mit ...“ - „Mir tut es einfach weh, wenn ich sehe, was ...“ Wie gesagt, das sind nur Beispiele, sicher keine Formeln, die man nun gleich in jedem Fall anwenden könnte. Aber ich glaube fest, darauf will Paulus im Grunde hinaus: Dass wir - einer und eine mit der oder dem anderen - wieder in gute Gespräche kommen, aus denen dann Beziehungen entstehen, die uns am Leben unserer Nächsten teilnehmen lassen und sie an unserem! Und da wächst dann gewiss auch eine herzliche Verbindung von Mensch zu Mensch, in der selbst das möglich wird: „Weist die Unordentlichen zurecht ...“ Nun gut, sagen wir es so: Wir können dann auch über Fragen der Ordnung miteinander reden, ohne dass einer beleidigt ist! Aber lesen wir jetzt auch noch weiter: ... tröstet die Kleinmütigen ... Wo durch echte Gespräche eine vertrauensvolle Beziehung entstanden ist, da hat auch Trost seinen Platz, wirkt echt und wird uns oder unser Gegenüber stärken! ... tragt die Schwachen ... Etwas davon wird schon entstehen, wenn wir miteinander wie Geschwister reden und dieses Reden wird nicht alles bleiben, es werden auch Taten der Hilfe folgen! ... seid geduldig gegen jedermann ... Immer wenn Menschen sich durch das Gespräch näher und tiefer kennen lernen, lernen wir auch geduldig miteinander sein: Wie wir selbst Zeit brauchen, uns auf die anderen einzustellen, so brauchen auch die Mitmenschen Zeit und Geduld, sich für uns und unsere Sorgen und Probleme zu öffnen. „Seht zu, dass keiner dem andern Böses mit Bösem vergelte, sondern jagt allezeit dem Guten nach untereinander und gegen jedermann.“ Wie selbstverständlich tun wir den anderen, wenn wir erst ein wenig tiefer in ihr Herz blicken und richtig verstehen und begreifen, warum sie so sind, wie sie sind, nichts Böses. Und wir selbst können auch einiges an Ängsten abbauen: Wenn von uns nur noch Gutes und Güte ausgehen, dann werden wir sicher entsprechend von unseren Nächsten behandelt. Dem Guten nachzujagen, wie Paulus das ausdrückt, erscheint uns jetzt ja fast ein wenig zu überschwänglich. Ich lese das so, dass es uns selbst einfach auch viel Freude macht, das Gute zu tun und den anderen Menschen Güte und Verständnis zu schenken, so viel Freude, dass wir vielleicht gar nicht genug davon bekommen können! „Seid allezeit fröhlich, betet ohne Unterlass, seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus an euch.“ Es ist nun sicher keine Frage mehr, dass Menschen überhaupt und wir ganz persönlich so auch in unserem Leben fröhlich werden. Es tut halt gut, wenn wir mit den anderen in guter liebevoller Beziehung leben und sie sich freuen, wenn sie uns sehen und wir Freude haben, wenn wir ihnen begegnen. Da wird dann auch das Gebet und der Dank nicht fern sein, in die wir unsere Mitmenschen fürbittend und dankend mit einschließen. Liebe Gemeinde, Paulus hat hier sehr wohl auch eine Botschaft an uns. Vielleicht sagen wir sie so: Versuchen wir unseren Alltagsgesprächen wieder ein bisschen mehr Tiefe zu geben. Eine Tiefe, in der sogar möglich wird, unsere Mitmenschen zu mahnen und von ihnen Mahnung anzunehmen. Mit einer Frage oder Antwort von uns, die nicht an der Oberfläche bleibt, kann es beginnen. Auf einmal entdecken wir beim anderen, was hinter dem unverbindlichen Geplauder über das Wetter oder sonstige Belanglosigkeiten an Sorgen und Nöten, Ängsten und Befürchtungen steht. Und unser Ge- genüber kann das auch bei uns entdecken. So entsteht Beziehung, die uns und unseren Nächsten hilft, uns weiter und einander näher bringt und Freude macht. AMEN