Predigt zum Sonntag „Quasimodogeniti“ - 30.3.2008 Textlesung: Jes. 40, 26 - 31 Hebet eure Augen in die Höhe und seht! Wer hat dies geschaffen? Er führt ihr Heer vollzählig he- raus und ruft sie alle mit Namen; seine Macht und starke Kraft ist so groß, dass nicht eins von ihnen fehlt. Warum sprichst du denn, Jakob, und du, Israel, sagst: »Mein Weg ist dem HERRN verborgen, und mein Recht geht vor meinem Gott vorüber«? Weißt du nicht? Hast du nicht gehört? Der HERR, der ewige Gott, der die Enden der Erde geschaffen hat, wird nicht müde noch matt, sein Verstand ist unausforschlich. Er gibt dem Müden Kraft, und Stärke genug dem Unvermögenden. Männer werden müde und matt, und Jünglinge straucheln und fallen; aber die auf den HERRN harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden. Liebe Gemeinde! Sicher Tausende von Christen haben diesen letzten (Halb-)Satz bei ihrer Einsegnung als Konfirma- tionsspruch mit auf den Lebensweg bekommen: „... die auf den HERRN harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden.“ Und das ist auch ein wunderbarer Vers. Er spricht von Kraft und er kann sie auch schenken. Er rechnet damit, dass wir auch einmal müde und matt werden und er kann uns dann wieder aufrichten. Auch wenn das jetzt vielleicht nicht ihr Konfirmationsspruch war, ich glaube fest, sie haben das mit dem ein oder anderen Bibelwort auch schon erlebt. Vielleicht mit diesem: „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.“ - An einem Tag, an dem sie von einem lieben Menschen haben Abschied nehmen müssen, hat es sie getröstet. In einer Nacht voller Kummer und Sorgen haben sie durch seine Ermutigung doch schlafen können. Vielleicht hat ihnen ein Bibelvers aber auch die Dankbarkeit gegenüber Gott oder den Jubel über seine wunderbaren Ta- ten ins Herz gegeben, etwa solch ein Wort: „Danket dem Herrn, denn er ist freundlich und seine Güte währet ewiglich!“ - In einer Zeit der Freude hat sie dieser Satz aus dem Psalter erinnert, nun auch dem Geber aller Gaben ihren Dank zu erstatten. Oder an einem Tag, an dem sie ihr Neugebo- renes oder ihr Enkelkind zum ersten Mal im Arm liegen hatten - kam ihnen mit diesem Vers auch ins Gedächtnis, von wem ihnen dieses neue Leben anvertraut worden ist. Ich habe mich heute gefragt, wie machen solche Verse das eigentlich, dass sie uns so ganz beson- ders ansprechen, dass sie unser Ohr und dann unser Herz finden und uns Trost, Kraft, Mut oder auch Freude schenken? Lassen sie uns die Antwort einmal bei diesem Wort aus dem heutigen Pre- digttext suchen. Bei all den anderen Versen aus der Heiligen Schrift, die durch Konfirmationen, Hochzeiten oder Taufen mit unserer Familie oder uns persönlich besonders verbunden sind, wird es ähnlich sein: „... die auf den HERRN harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden.“ Fragen wir zuerst, warum wir dieses Wort überhaupt wichtiger nehmen als andere Worte - etwa solche aus der Zeitung oder aus Gesprächen mit anderen Menschen? „Weil es aus der Bibel stammt“, werden wir sagen. Und wenn wir den Abschnitt aus dem Jesajabuch ansehen, aus dem es entnommen ist, dann können wir noch etwas hinzufügen: Weil dieses Wort doch dort ausdrücklich auf Gott bezogen wird: „Weißt du nicht? Hast du nicht gehört? Der HERR, der ewige Gott, der die Enden der Erde geschaffen hat, wird nicht müde noch matt, sein Verstand ist unausforschlich.“ Er, der selbst nicht müde und matt wird, kann auch denen neue Kraft schenken, die Müdigkeit und Schwäche überkommt. - Hinter den Worten der Bibel steht also immer die Autorität der Heiligen Schrift und des allmächtigen Gottes, von dem sie erzählt. Aber es bleibt die Frage, wie machen es bestimmte Verse, die uns an besonderen Lebensstationen gewidmet werden oder die wir uns dann aussuchen, dass sie uns tiefer berühren und uns vielleicht sogar verwandeln - und eben weit mehr als sonst viele andere Verse, ja, ganze Bücher der Bibel? Sagen wir nicht oft, wenn etwas nur mit dem Mund gesagt wird, das sind doch nur „bloße Worte“! Und kennen wir nicht auch das Gefühl, dass wir dem, was einer redet, nicht vertrauen mögen, son- dern lieber Taten sehen würden, an denen wir die Wahrheit seiner Worte ablesen können? Warum also vertrauen wir den „bloßen Worten“ der Heiligen Schrift? - Ich glaube, das hat etwas mit „Vollmacht“ zu tun. Ja, ich weiß, das ist ein sehr altertümlicher Be- griff: Vollmacht. Trotzdem will ich ihn benutzen und ihnen dafür ein Beispiel aus dem Alten und dem Neuen Testament geben: Bei demselben Propheten, dessen Verse wir heute bedenken, lesen wir nur ein paar Kapitel weiter: „ (So spricht der Herr:) ... so soll das Wort, das aus meinem Munde geht, auch sein: Es wird nicht wieder leer zu mir zurückkommen, sondern wird tun, was mir gefällt, und ihm wird gelingen, wozu ich es sende.“ (Jes. 55,11) Das ist es, was ich mit „Vollmacht“ meine. Die Worte Gottes klingen nicht nur schön, wir können sie nicht nur hören - sie tun auch etwas: Sie dringen in uns ein, sie arbeiten, schaffen an uns und verändern uns und manchmal krempeln sie uns gar um, von Grund auf! Und in den Evangelien gibt es gleich einige Stellen wie diese: „Und (die frommen Juden in der Synagoge) entsetzten sich alle, so dass sie sich untereinander befragten und sprachen: Was ist das? Eine neue Lehre in Vollmacht! Er (Jesus) gebietet auch den unreinen Geistern, und sie gehorchen ihm!“ (Mk. 1,27) Auch aus Jesu Mund kamen also Worte, die mehr waren als Stimme und Schall. Kaum ausgesprochen, wurden sie mächtig und wirksam, konnten böse Geister bannen, Kranke hei- len und sogar Tote ins Leben zurückrufen. Lassen wir es also bei diesem altertümlichen Begriff: Vollmacht. Wir wissen nun, was gemeint ist. Aber können wir deshalb auch die Macht der Worte erfahren, wie sie uns in der Bibel an vielen Stellen gesagt werden? Betrachten wir noch einmal diesen Vers: „(Mein Wort) wird nicht wieder leer zu mir zurückkommen, sondern wird tun, was mir gefällt, und ihm wird gelingen, wozu ich es sende.“ Ich stelle dagegen: Viele Worte Gottes kehren leer zurück! Noch den schönsten Versen der Bibel - und wenn sie Konfirmations- oder Trausprüche wären - gelingt nichts, gar nichts: Keine Veränderung, kein Trost, keine Ermutigung. - Wie passt das nun zusammen? So passt es: Die Worte Gottes müssen von uns aufgenommen werden - und ich drücke das noch einmal in einer etwas überholten biblischen Spra- che aus: Sie müssen aufgenommen werden in „einem feinen, guten Herzen“ (Lk. 8,15), dann kön- nen sie keimen, aufgehen und Frucht bringen! Also: Wenn wir sagen, sie müssen aufgenommen werden, dann sprechen wir unseren Glauben, unser Vertrauen an. Der Glaube ist das Geheimnis, warum „bloße“ Worte auf einmal mehr werden als Schall und Laut. Und umgekehrt: Worte bleiben was sie sind, wenn wir sie nicht gläubig und voll Vertrauen aufnehmen. Denken sie nur an Jesu Wundertaten, die er mit seinem Wort „getan“ hat. Wenn der Lahme wieder gehen kann, heißt es: Dein Glaube hat dir geholfen. Wenn der Blinde sieht, sagt Jesus: Weil du geglaubt hast, ist dir das widerfahren. Und selbst wenn Tote aufstehen ist es der Glaube der Menschen, die es sehen, miter- leben und Jesus vertrauen, die das Wunder erst möglich machen. Bei diesem schönen Psalmwort ist es nicht anders: „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts man- geln.“ Einer der ganz darauf vertraut, dass Gott uns wirklich führt, wie ein guter Hirte, der wird die Wahrheit und Macht dieses Wortes erfahren. Auch dieser Vers zielt auf unseren Glauben: „Danket dem Herrn, denn er ist freundlich und seine Güte währet ewiglich!“ Du hast doch erfahren, dass dir Gott schon viel Gutes getan hat! Du nennst ihn doch deinen Herrn und kennst ihn als freundlich und dir zugewandt! Du glaubst also an ihn und setzt deine Zuversicht auf ihn! Also wirst du ihm doch jetzt auch danken und deine Freude vor ihn bringen, jetzt, da du im Glück bist oder in einer Zeit, in der du viel Schönes erfährst! Und wie ist es hier?: „... die auf den HERRN harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde wer- den.“ Es fällt uns ja jetzt nicht mehr schwer, auch hier unseren Glauben mit ins Spiel zu bringen: Wenn wir auf den Herren harren, heißt es, dann werden wir Kraft bekommen. Was ist das anderes als, wenn wir sagen: Die an Gottes Kraft glauben oder die Gott ganz fest vertrauen, werden selbst stark und können ihre Müdigkeit überwinden? So ist es auch hier unser Glaube, der das Wort auf- nimmt und wirksam und mächtig macht und ihm dazu hilft, dass es tun kann, was es nach Gottes Willen tun soll. Liebe Gemeinde, ich lade sie ein, in den nächsten Tagen einmal die Bibelworte zu bedenken, die ihnen bei Taufe, Konfirmation, Trauung oder anderen Gelegenheiten als Verheißungen oder zu Trost und Freude an ihren Lebensweg gestellt sind. Achten sie dann darauf, wie alle diese Worte doch eigentlich auf ihren Glauben zielen, auf ihr Vertrauen zu Jesus Christus oder unserem himmli- schen Vater. Und dann wünsche ich ihnen, dass sie an dem einen oder anderen dieser Bibelworte neu erfahren, wie sie vollmächtig und wirksam ihr Leben gestalten, ihnen tröstliche Gedanken, Freude, Kraft oder Geduld schenken, wie es diese Jesajaworte heute tun wollen: Der HERR, der ewige Gott, der die Enden der Erde geschaffen hat, wird nicht müde noch matt, sein Verstand ist unausforschlich. Er gibt dem Müden Kraft, und Stärke genug dem Unvermögenden. Männer werden müde und matt, und Jünglinge straucheln und fallen; aber die auf den HERRN harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden. AMEN