Predigt zum 3. Adventssonntag - 16.12.2007 Textlesung: Offb. 3, 1 - 6 Und dem Engel der Gemeinde in Sardes schreibe: Das sagt, der die sieben Geister Gottes hat und die sieben Sterne: Ich kenne deine Werke: Du hast den Namen, dass du lebst, und bist tot. Werde wach und stärke das andre, das sterben will, denn ich habe deine Werke nicht als vollkommen befunden vor meinem Gott. So denke nun daran, wie du empfangen und gehört hast, und halte es fest und tue Buße! Wenn du aber nicht wachen wirst, werde ich kommen wie ein Dieb, und du wirst nicht wissen, zu welcher Stunde ich über dich kommen werde. Aber du hast einige in Sardes, die ihre Kleider nicht besudelt haben; die werden mit mir einhergehen in weißen Kleidern, denn sie sind’s wert. Wer überwindet, der soll mit weißen Kleidern angetan werden, und ich werde seinen Namen nicht austilgen aus dem Buch des Lebens, und ich will seinen Namen bekennen vor meinem Vater und vor seinen Engeln. Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt! Liebe Gemeinde! Wir könnten leicht darüber hinweg gehen, wenn wir die schöne Sprache hören mit den gefälligen Bildern: „Sieben Geister, sieben Sterne, weiße Kleider“ und „der Vater mit seinen Engeln“. Aber Sardes, die Hauptstadt des Landes Lydien in Kleinasien (der heutigen Türkei) muss ziemlich ver- rucht gewesen sein. Darauf weisen die anderen, weniger schönen Bilder hin: Der Herr wird „über die Stadt kommen wie ein Dieb“, zu einer Stunde, die sie „nicht weiß“, denn es gibt viele, die „ihre Kleider besudelt haben“ und darum „ausgetilgt werden aus dem Buch des Lebens“. So schlimm muss es in dieser Stadt zugegangen sein, dass in diesem Sendschreiben des Sehers Johannes – an- ders als in einigen anderen - kein einziges Lob zu lesen ist, nur Tadel und Drohung: „Ich habe deine Werke nicht als vollkommen befunden!“ - „Wenn du nicht wachen wirst, werde ich kommen wie ein Dieb ...“ Und doch gibt es auch hier noch die Chance, dass sich die Menschen von Sardes bessern: „So denke nun daran, wie du empfangen und gehört hast, und halte es fest und tue Buße!“ - „Wer überwindet, der soll mit weißen Kleidern angetan werden, und ich werde seinen Namen nicht aus- tilgen aus dem Buch des Lebens, und ich will seinen Namen bekennen vor meinem Vater und vor seinen Engeln.“ Und ganz am Schluss steht nun auch das, was ganz deutlich macht, dass es noch nicht zu spät ist: „Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt!“ Noch können die Menschen alles herumreißen. Noch ist nicht aller Tage Abend! Ich will es nun lieber gleich sagen: Die Leute von Sardes haben die Chance nicht genutzt. Zwar heißt es hier noch von ihnen: „Du hast den Namen, dass du lebst ...“ Aber es war nur ein weltliches, äußerliches Leben. Zwar ausschweifend und überschäumend - aber eben nicht lebendig im reli- giösen Sinn. Darum auch geht der Satz so weiter: Du hast den Namen, dass du lebst ... „... und bist tot!“ Wie so oft in der Heiligen Schrift begegnet uns hier der Tod mitten im Leben, jedenfalls in der Weltzeit, während die Menschen nur glauben, sie wären lebendig. In einem Lexikon zur Bibel heißt es zu dieser Textstelle: „Damals schien diese Gemeinde zu leben und war doch geistlich tot. Heute ist die Stadt nur noch ein Ruinenfeld bei dem Dorf Sart, ca. 80 km ostnordöstlich von Smyrna.“ Liebe Gemeinde, wir kommen nun nicht darum herum, bei diesem Sendschreiben des Sehers Jo- hannes an die Gemeinde von Sardes auch zu fragen, was es uns sagen könnte und vielleicht sagen will. Keine Angst, ich werde nun kein „missionarisches Kapital“ aus diesen doch eher harten Wor- ten schlagen. Aber so tun, als gäbe es keinen Anlass, auch bei uns so hart und deutlich zu sprechen, das kann und darf ich auch nicht. Immerhin: Es ist ja Advent, also Bußzeit - und wir sind gerade mitten drin! Und dann müssen wir auch das sehen: Dieses Sendschreiben, wie eigentlich alle ähnlich harten Texte der Bibel, wollen uns nicht verurteilen oder gar verdammen, sie wollen uns ändern, bessern und zur Umkehr einladen. An drei Beispielen möchte ich zeigen, dass wir solche harten Worte auch verdient haben - in der Gesellschaft, in unserer Kirchengemeinde und auch in unserem persönlichen Lebensbereich: Zuerst fällt mir ein, dass auch in diesem Jahr wieder an den Adventssonntagen die Geschäfte in vie- len Städten geöffnet haben. Was früher eine absolute Ausnahme war, wird immer mehr zur Regel. Sie wissen, dass beide große Kirchen in Deutschland dagegen Front machen. Das halte ich für bib- lisch geboten und selbstverständlich: Die Kirche darf es nicht hinnehmen, wenn der Staat fördert, dass die von ihm selbst erlassenen Gesetze (der Sonntagsheiligung) mehr und mehr außer Kraft ge- setzt werden oder wenn er es zulässt, dass viele Städte dies tun. Sprechen wir es aus: „Die Arbeit- sruhe“, um der „seelischen Erhebung“ willen, von der wir im Grundgesetz lesen, wird auf dem Al- tar des Gottes Mammon geopfert. Das Geld bestimmt letztlich, ob der Sonntag ein Tag der Besin- nung und des Hörens auf Gottes Wort bleiben kann. Und ich finde es billig, zu billig, wenn wir Christen dieser Zeit und dieser Gesellschaft, die hier eindeutig auf falschen Wegen geht, dann sa- gen: „Das ist zuallererst eine Sache unserer Regierung! Wenn dort die Ladenöffnung am Sonntag erlaubt wird, dann kann ich doch nichts dagegen ausrichten!“ Das ist einmal bequem: Der Bruch des Sonntags wird den Regierenden allein zugeschoben. Dann ist es aber auch unlauter: Wer erwar- tet denn ehrlicherweise noch irgendwelche Entscheidungen von unserer Politik, die den Interessen der Wirtschaft schaden könnten? Schließlich aber ist es schlicht falsch: Wir können sehr wohl etwas ausrichten - einfach indem wir nicht hingehen! Das Gegenteil aber ist der Fall: Nie herrscht an den Werktagen ein solcher Betrieb in den Kaufhäusern, wie an den geschäftsoffenen Sonntagen! Wenn wenigstens die über 50 Mio. evangelischen und katholischen Christen zu Hause blieben, dann wäre den Zerstörern der Sonntagsheiligung sehr schnell das Handwerk gelegt. - Fragen wir uns selbst, wie wir dazu stehen? Aber schauen wir auch in die Kirchengemeinden, auch in unsere eigene: An so vielen Stellen ist „die Welt“ in unser geistliches Leben eingedrungen. Oft so, dass wir es gar nicht gemerkt haben. Ein paar Fragen dazu: Sind die Taufe und die Trauung bei uns wirklich überwiegend der Ausdruck des Wunsches, das Leben bzw. die Ehe unter den Segen Gottes zu stellen und unter seinen Augen zu führen - oder zeigt sich darin nicht oft nur das Bedürfnis, dass die Kirche den feierlichen Rah- men für ein Familienfest abgibt? Was ist bei der Konfirmation unserer Jugend wichtiger: der Unter- richt in Glaubensdingen und die Hilfe zum eigenen Weg als Christin und Christ - oder die zu erwar- tenden Geschenke? Was hören wir in einer Predigt lieber, Worte und Gedanken, die uns bestätigen und uns sagen, dass alles recht und richtig ist, was wir tun - oder - so wie heute - harte, mahnende Worte, die uns sagen, dass auch wir oft nicht im Sinne des Evangeliums und damit gegen Gottes Gebot handeln und reden? - Aber immerhin: Diese harten Worte wollen uns ja weiterbringen, hel- fen, zum Guten ändern ... Zum Schluss wird’s nun noch ganz persönlich: Wenn ich den mahnenden Brief des Sehers Johannes lese, dann kann ich gar nicht anders, als mich fragen: Was bestimmt eigentlich meinen Alltag in dieser Zeit und dieser Welt heute mehr: Die Frage etwa, was würde Jesus jetzt tun - oder die, was nützt mir, meiner Familie mehr und was bringt am meisten ein? Wie weit haben wir doch den Anspruch Gottes auf unser ganzes Leben zurückgedrängt. Das zeigt sich auch in äußeren Bräuchen, die früher das Leben der Christen begleitet haben: Beim Tischgebet - wer übt es noch? Oder dabei, hin und wieder die Bibel aufzuschlagen - wer unter uns darf sich noch einen Bibelleser nennen? Auch unser Sprachgebrauch hat sich geändert: Wenn die Menschen früher einem anderen zum Ge- burtstag gratuliert haben, dann war das ein Wunsch, Gott möge den anderen Menschen segnen und ihm die Gesundheit erhalten. Liebe Gemeinde, noch viele Beispiele könnte ich anführen. Sie würden alle dasselbe sagen: Auch bei uns geht es weithin zu, wie in der lydischen Stadt Sardes. Und schriebe der Seher an uns, dann könnte er auch an uns solche Worte richten: „Ich kenne deine Werke: Du hast den Namen, dass du lebst, und bist tot.“ Oder solche: „... ich habe deine Werke nicht als vollkommen befunden vor mei- nem Gott. So denke nun daran, wie du empfangen und gehört hast, und halte es fest und tue Buße!“ Aber genau hier, beim Gedanken der Buße, der Umkehr, der Chance zur Besserung kommt auch das Wichtigste, das Entscheidende am Sendschreiben des Johannes und an dieser Predigt zu Wort: Wir dürfen, wir können uns ändern! Wir werden nicht verurteilt, nicht verdammt. Aber zu beschönigen, alles gut zu heißen und zu verharmlosen, was doch eindeutig gegen unseren Glauben und einen christlichen Lebenswandel gerichtet ist, das kann nicht unser Weg sein! Da ist wirklich Um-kehr geboten! Vielleicht gelingt es uns, die Dinge so zu sehen: Wenn wir einen Menschen unsere Freundin, unse- ren Freund nennen, dann wollen wir von ihm nicht nur hören, was uns gefällt, ist es nicht so? Der Seher Johannes spricht als ein Freund zu uns. Er sagt uns die Wahrheit - nicht um uns zu ver- letzen und zu empören, sondern um uns auf den Weg zurückzuführen, den wir als Christen gehen müssen. Immerhin spricht er ja auch so zu uns: „Aber du hast einige in Sardes, die ihre Kleider nicht besudelt haben; die werden mit mir einhergehen in weißen Kleidern, denn sie sind’s wert.“ Und so: „Wer überwindet, der soll mit weißen Kleidern angetan werden, und ich werde seinen Namen nicht austilgen aus dem Buch des Lebens, und ich will seinen Namen bekennen vor meinem Vater und vor seinen Engeln.“ Wir sollten die harten Worte eines Freundes nicht verachten, darum: „Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt!“ AMEN