Predigt zum Buß- und Bettag - 21.11.2007 Textlesung: Lk. 13, 22 - 30 Und er ging durch Städte und Dörfer und lehrte und nahm seinen Weg nach Jerusalem. Es sprach aber einer zu ihm: Herr, meinst du, dass nur wenige selig werden? Er aber sprach zu ihnen: Ringt darum, dass ihr durch die enge Pforte hineingeht; denn viele, das sage ich euch, werden danach trachten, wie sie hineinkommen, und werden's nicht können. Wenn der Hausherr aufgestanden ist und die Tür verschlossen hat, und ihr anfangt, draußen zu stehen und an die Tür zu klopfen und zu sagen: Herr, tu uns auf!, dann wird er antworten und zu euch sagen: Ich kenne euch nicht; wo seid ihr her? Dann werdet ihr anfangen zu sagen: Wir haben vor dir gegessen und getrunken, und auf unsern Straßen hast du gelehrt. Und er wird zu euch sagen: Ich kenne euch nicht; wo seid ihr her? Weicht alle von mir, ihr Übeltäter! Da wird Heulen und Zähneklappern sein, wenn ihr sehen werdet Abraham, Isaak und Jakob und alle Propheten im Reich Gottes, euch aber hinausgestoßen. Und es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes. Und siehe, es sind Letzte, die werden die Ersten sein, und sind Erste, die werden die Letzten sein. Liebe Gemeinde! Kein Mensch, schon gar nicht, wenn er ein Christ ist, wird am Bußtag leichte, eingängige Worte von der Predigt erwarten. Und das gibt die Geschichte, die wir heute bedenken sollen, auch gewiss nicht her. Schon diese Frage ist ja einigermaßen ernst: „Herr, meinst du, dass nur wenige selig werden?“ Und die Antwort Jesu nicht minder: „Ringt darum, dass ihr durch die enge Pforte hi- neingeht; denn viele, das sage ich euch, werden danach trachten, wie sie hineinkommen, und wer- den's nicht können.“ Und leicht will uns das wirklich nicht in den Kopf, dass es so schwierig sein soll, das Ziel des Lebens, die Ewigkeit zu erreichen. Es gibt ja immerhin in unserer Kirche sehr viele Christenmenschen - unzählige Pfarrer und Theologieprofessoren darunter - die vertreten den Glauben, dass am Ende der Welt alle Menschen von Gottes ewiger Liebe umfangen sein werden und keiner verloren gehen wird. Aber bevor wir hier jetzt weiter denken und sagen, wie wir das sehen, hören wir doch noch ein bis- schen tiefer hinein in diese Geschichte und das, was Jesus hier sagt: „Wenn der Hausherr aufges- tanden ist und die Tür verschlossen hat, und ihr anfangt, draußen zu stehen und an die Tür zu klop- fen und zu sagen: Herr, tu uns auf!, dann wird er antworten und zu euch sagen: Ich kenne euch nicht; wo seid ihr her?“ Wer dieser Hausherr ist, ist wohl keine Frage. Aber wer sind die Leute, die er abweist und nicht kennt? Hier wird es deutlich: „Dann werdet ihr anfangen zu sagen: Wir haben vor dir gegessen und getrunken, und auf unsern Straßen hast du gelehrt.“ Es sind die Juden, Jesu Zeitgenossen, die hier erfahren müssen, dass der Herr sie nicht in sein Haus einlässt. Es nützt ihnen nichts, wenn sie mit ihm so vertraut waren, dass sie mit ihm „gegessen haben“ und er auf „ihren Straßen gelehrt“ hat. Es bleibt dabei: „Und er wird zu euch sagen: Ich kenne euch nicht; wo seid ihr her?“ Ja, schlimmer noch: „Weicht alle von mir, ihr Übeltäter!“ Und wenn es erst soweit ist, dass Gott sie von seiner Tür vertrieben hat, dann ist auch ihr Schicksal besiegelt: „Da wird Heulen und Zähneklappern sein, wenn ihr sehen werdet Abraham, Isaak und Jakob und alle Propheten im Reich Gottes, euch aber hinausgestoßen.“ Am Ende wird es nun ganz klar, was Jesus meint und zu welcher Einsicht er die führen will, die ihn angesprochen haben: Und es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes. Und siehe, es sind Letzte, die werden die Ersten sein, und sind Erste, die werden die Letzten sein. Das haben sie sofort begriffen, wer die Einen und wer die Anderen sind: „Wir Juden, aus dem auserwählten Volk Gottes, wir sind die Ersten, die Heiden aber, die Gott nicht kennen, sind die Letzten.“ Wenn Jesus Erste nun zu Letzten und Letzte zu Ersten macht, dann können wir uns vorstellen, wie das angekommen ist! Damit hat sich Jesus unter den Juden gewiss keine Freunde gemacht. Liebe Gemeinde, jetzt aber hören wir evangelische Christen am Buß- und Bettag diese Geschichte und könnten jetzt sagen: Gott sei Dank, dann sind wir ja gewiss Menschen aus der Schar der „Letz- ten“, die ja am Ende Erste sein werden. - Aber so einfach wollen wir es uns nicht machen, denn so einfach ist es nicht. Kehren wir noch einmal zu dieser Frage zurück: „Herr, meinst du, dass nur wenige selig werden?“ Haben wir nicht auch schon so gefragt, mindestens so ähnlich? Vielleicht hat sich das bei uns so angehört: „Wird Gott wirklich einmal allen den Einlass in seinen Himmel gewähren?“ Oder auch so - sozusagen von der anderen Seite her: „Dieser unmögliche Mensch wird doch wohl nicht zu den Erwählten gehören?“ Oder ganz persönlich und ein bisschen so, wie Martin Luther in den ersten Jahren als Mönch gesprochen hätte: „Ich bin Gott gewiss nicht recht, so wie ich bin; wer wird mich erlösen, dass ich einmal selig werde?“ In jedem Fall spüren wir jetzt, dass diese Geschichte uns nicht gar so fern ist und dass sie für uns durchaus auch eine Antwort hat, ja, eigentlich drei Antwor- ten: „Ringt darum, dass ihr durch die enge Pforte hineingeht“! Meint nicht, wenn ihr vor der Tür steht und anklopft, ihr hättet irgendwelche alten Vorrechte! Seid gefasst darauf, dass ihr in Gottes Reich auch solche sehen werdet, von denen ihr das nie gedacht hättet! Und spätestens jetzt erkennen wir den tiefen Ernst dieser Geschichte: Es bedarf auch einiger Mühe, selig zu werden. Wir können an der Tür zu Gottes Reich auf keinerlei Rechte oder Verdienste hin- weisen (auch nicht, dass wir doch getauft sind!). Wir haben keinem anderen Menschen irgend et- was voraus, dass uns Gott mehr lieben, mehr belohnen müsste. - - - Aber hier ist jetzt auch der Zeitpunkt erreicht, an dem wir unser „Aber“ sagen müssen - und das auch mindestens dreifach: Aber - haben wir nicht von Gott gehört, dass er uns mit seiner Gnade be- schenken will? Worum dann „mühen“? Aber - wissen wir nicht, gerade als evangelische Christen, dass wir gar keine Verdienste brauchen, um einmal in Gottes neue Welt zu kommen? Aber - hat Gott uns nicht gesagt, dass er uns lieb hat und dass er uns den Lohn des ewigen Lebens geben will - umsonst? Und - so erstaunlich das jetzt auch klingt - zu allen drei „Aber“ dürfen wir jetzt „Ja“ sagen! Allerd- ings ist hier ein großer Unterschied zwischen uns Christen heute und den Juden, die Jesus damals die Frage gestellt haben: „Herr, meinst du, dass nur wenige selig werden?“ Denn der, den sie dam- als gefragt haben, ist dann für sie und uns, für alle Menschen, den Weg ans Kreuz gegangen. Seit- dem - und eben erst seit Jesu Leiden und Sterben - ist alles anders geworden: Darum: Ja! Wir müssen uns nicht mehr um unsere Seligkeit mühen, Jesus ist unser Einlass, unser Tor zum Himmel. Gott, unser Vater beschenkt uns damit! Und ja: Wir werden Gottes Herrlichkeit sehen, ohne eigene Verdienste, denn Jesus hat für uns genug getan. Jesu Opfer am Kreuz macht, dass Gott uns vorbe- haltlos liebt und wir den Zugang zu seinem Herzen und zu seinem Himmel haben. Und schließlich: Ja, Gott hat uns lieb - um Christi willen und wer sich darauf verlässt, der wird einmal Gottes Her- rlichkeit sehen! So sind unter uns, die wir uns Christen nennen, die Letzten die Ersten gerade weil sie auf jeden An- spruch, jeden Hinweis auf eigene Leistung und Verdienst verzichten. Nicht irgend etwas an uns, von uns und was wir getan hätten, kann uns Gottes Himmel öffnen, allein Jesus Christus ist unser Freibrief von aller Schuld, unser Verdienst, unser Weg und unser Anspruch auf Gottes Ewigkeit. Welch eine wunderbare, befreiende, beglückende Botschaft! Und auch, wenn wir diese Worte hören, muss uns das nicht befremdlich oder gar beängstigend klingen: „Und es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes.“ Mit Gott und allen Menschen guten Willens „zu Tisch sit- zen“, die engste, schönste Gemeinschaft mit ihnen haben ... Ist das nicht auch ein ganz wunderbarer Gedanke? Und er ist ja mehr als ein Gedanke: Das ist unsere Zukunft! Da gehen wir hin, das wird unser Leben in Gottes Nähe bestimmen und reich und schön machen! Nein, das hat nichts Bedroh- liches an sich! Über dieser Aussicht kann man vielmehr ruhig werden, gelassen und geborgen in Gottes Frieden - schon heute. - Wie gut, wenn wir auch schon heute die Jagd nach Geltung, Ver- dienst und danach, Erste sein zu wollen, aufgeben könnten. Wenn es in Gottes neuer Welt doch so ganz anders sein wird, dann sollten wir uns heute schon darin üben, einmal wie Geschwister mitei- nander zu leben und als Kinder, die Gott zum Vater haben. AMEN