Predigt zum 9. So. nach „Trinitatis“ - 5.8.2007 Textlesung: Mt. 13, 44 - 46 Das Himmelreich gleicht einem Schatz, verborgen im Acker, den ein Mensch fand und verbarg; und in seiner Freude ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte den Acker. Wiederum gleicht das Himmelreich einem Kaufmann, der gute Perlen suchte, und als er eine kostbare Perle fand, ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie. Liebe Gemeinde! Ganz klar, worum es hier geht: Das Himmelreich Gottes, der Himmel, die Ewigkeit, unsere Ge- genwart und Zukunft als Kinder Gottes ... Das lohnt alles andere dafür aufzugeben. Kein Preis ist zu hoch! Kein Opfer zu groß! Kein Aufwand, den wir nicht vielfach zurückerstattet bekämen! Noch einmal: Ganz klar, worum es hier geht! Bleibt nur die Frage: Warum wissen das anscheinend so wenige? Warum erlebt man das so selten, dass einer alles oder wenigstens mehr als nur ein bisschen für das Reich Gottes übrig hat? Denn es ist ja einfach nicht so, wie es hier in diesen beiden kleinen Geschichtchen erzählt wird: Dass der Mensch, überwältigt vom Schatz, den er entdeckt hat, hingeht und für all sein Hab und Gut den Acker zu seinem Eigentum macht. Und der Kaufmann unserer Tage - und das können du und ich sein - verkauft auch nicht alles, was er besitzt, für die eine Perle! Aber warum nicht? Woran fehlt es? Was hindert uns, auf die Botschaft der beiden Gleichnisse zu hören, dass wir alles für das Himmelreich hingeben? Da ist ein kleiner Hinweis in diesen paar Zeilen, auf die wir eben gehört haben: „...und in seiner Freude ... ging er hin und verkaufte alles“, so wird es von dem „Menschen“ erzählt. Und auch bei dem Kaufmann müssen wir eins ganz gewiss annehmen: Dass auch er, nachdem er die eine kostbare Perle gefunden hat, voll Begeisterung und Freude hingeht, sie zu erwerben. Liebe Gemeinde, genau daran aber hapert es bei uns: Begeisterung und Freude. Aber man fragt sich wirklich warum! Können wir uns an nichts mehr freuen? Sind wir nicht begeisterungsfähig genug? Ich glaube, das hängt ein wenig anders zusammen: Wir haben den Schatz noch gar nicht entdeckt! Oder besser: Wir wissen noch gar nicht, was alles sich in der Schatztruhe, die wir vielleicht gefun- den haben, verbirgt. Und die Perle können wir auch nicht so richtig beurteilen und darum auch nicht angemessen schätzen. Da hatten uns die Menschen, die unsere beiden kleinen Gleichnisse zu- erst aus dem Mund Jesu gehört haben, wohl etwas voraus: Sie waren sicher nicht so verwöhnt vom Leben, das sie führten, führen mussten, wie wir von unserem. Es waren arme Leute. Kranke, Be- hinderte, Ausgegrenzte, Schwache und Außenseiter. Sie konnten sich vorstellen, wie wunderbar es sein musste, einen Schatz zu finden. Sie hätten die Schatztruhe gar nicht genauer in Augenschein nehmen müssen - schon so hätten sie gewusst: Jeder Schatz wird uns zu einem besseren Leben hel- fen. Und die Perle hätten sie auch nicht genauer prüfen müssen, um zu wissen: Unser armes, krankes, behindertes und belastetes Leben wird sich ändern, wenn wir diese Perle besitzen. Aber jetzt zurück zu uns: Unser Leben heute ist ganz anders. Von Hunger und wirklich lebensbe- drohender Armut sind wir weit entfernt. Oft ist es ja so, dass wir zu viel haben von allem und uns das Leben gerade deshalb schon wieder schal geworden ist. Unsere Armut, unser Mangel hat viel mehr mit dem Sinn des Lebens zu tun als mit den Sachen, die uns ernähren, uns kleiden oder sonstwie unser Eigentum sind. Wir wissen oft nicht, warum wir da sind, was unser Auftrag in der Welt ist. Wir sind unerfüllt vom ewigen Immer-so-weiter unserer Tage, vom Trott unserer Wochen und Monate, vom beständigen Lauf unserer Jahre auf das Ende zu ... und was kommt dann? Uns quälen mehr die innere Leere und die Einsamkeit, die uns oft beschleicht - sogar wenn wir Familie haben. Liebe Gemeinde, vor diesem Hintergrund erzählt Jesus uns seine zwei kleinen Geschichten. Um an ihnen Freude und sogar Begeisterung zu finden, müssen wir sie anders deuten als die Menschen damals. Anders gesagt: Der Schatz, die Perle sehen heute für uns sicher anders aus als für die Men- schen, an die Jesus seine Worte damals gerichtet hat. Ich will einmal versuchen, die beiden Gleich- nisse so zu erzählen, dass sie uns erreichen und vielleicht froh machen und Lebensmut schenken: Das Himmelreich gleicht einem Schatz, verborgen im Acker, den ein Mensch fand und sich genau betrachtete: Da war das Versprechen Gottes dabei, ihn nie zu verlassen. Da war sein Segen, der ihn auf allen seinen Lebenswegen begleiten sollte. Da gab es schöne Tage voller Lust und Sonnenschein, an denen er glücklich sein durfte und da gab es schwere Stunden, die er bestehen musste - aber immer in der Kraft Gottes, die ihn nie verließ. Da blendete die Liebe Gottes zu ihm fast seine Augen. Da waren auch die Aufträge, die Gott gerade ihm gegeben und die Gaben, die er ihm in die Wiege gelegt hatte - und sie entsprachen auf ganz wunderbare Weise den Aufgaben, so dass er sie auch erfüllen konnte. Da lag schließlich die Vergebung seiner täglichen Sünden und der ganzen Schuld seines Lebens - und sie glänzte wie gleißendes Gold. Und weiter unten - als die größte aller Gaben - fand der Mensch noch die Verheißung eines ewigen Lebens, das ihm der verhieß, der den Schatz für ihn im Acker verborgen hatte. Da wusste der Mensch, was er tun musste: Er verbarg den Schatz wieder; und in seiner Freude ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte den Acker. Und die Geschichte von der Perle müssten wir vielleicht so hören: Wiederum gleicht das Himmelreich einem Kaufmann, der gute Perlen suchte, und als er eine kost- bare Perle fand, da wog und maß er sie und sah, dass sie schwerer war als alles, was für ihn bisher im Leben von Bedeutung gewesen. Wie unwichtig war dagegen die Sicherheit, die ihm sein Bank- konto und all seine Habe versprach? Wie unwesentlich die Dinge, die er bis heute für unverzichtbar gehalten hatte: Der Urlaub auf Sylt, das Auto, das Haus, die Einrichtung ... Auch der Gedanke, im Leben Karriere machen, es um jeden Preis zu etwas bringen zu müssen - wie klein und unbedeutend gegen diese wunderbare Perle! Vor ihrem Maß veränderte sich auch sein Blick auf das, was wirklich zählt: Nicht mehr der persönliche Wohlstand war entscheidend - er entdeckte die Mitmenschen, die Gemeinde und die Gemeinschaft. Echte Freunde zu haben, galt ihm auf einmal mehr als sie mit dem zu übertrumpfen, was er sich leisten und kaufen konnte. Ein gutes Gespräch, ein hilfeiches Wort, ein tröstlicher Gedanke wurden ihm zu einem weit wertvolleren Besitz als manches andere in seiner Umgebung, das er sich doch nur angeschafft hatte, um es vorzeigen zu können. Als der Kaufmann diese Perle entdeckt hatte, ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie. Liebe Gemeinde, sicher müsste jeder und jede von uns diese Gleichnisse noch ein wenig anders hören, damit sie ihn oder sie ganz persönlich ansprechen könnten. Denn wir alle haben ja ein ganz unterschiedliches Leben, ganz eigene Gaben und Wünsche. Aber ich glaube doch, dass alles, was jede und jeden von uns zufrieden und froh machen kann, im Schatz und der Perle enthalten ist. Alles, was uns fehlt, liegt als Schatz verborgen im Acker. Alles, was uns glücklich machen kann, schimmert heraus aus der Perle, die wir mit dem Glauben an Jesus Christus gefunden haben. Aber es ist nicht einmal nötig, die Kostbarkeiten wieder mit Erde zu bedecken oder über den Wert der Perle Schweigen zu bewahren. Gott ist so reich, dass er jedem und jeder von uns einen eigenen Schatz, eine besondere Perle schenken kann! In diesem persönlichen Schatz, dieser Perle - nur für uns! - wird genau das verborgen sein, was wir zu einem sinnerfüllten, guten und zufriedenen Leben nötig haben. Wenn uns die Freude daran überkommt, wenn uns die Begeisterung darüber nur recht packt, dann wird es uns leicht fallen, so manches aufzugeben, was wir bisher immer festgehalten haben, Dinge fahren zu lassen und mit anderen zu teilen, die sie nötiger brauchen als wir und überhaupt unsere Hände und Herzen mehr als bisher für andere zu öffnen. Was könnten wir denn mehr erreichen im Leben als Zufriedenheit, die Liebe Gottes, die Vergebung all unserer Schuld und am Ende unserer Tage sogar noch die ewige Nähe des Vaters im Himmel? AMEN