Predigt am Pfingstsonntag - 27.5.2007 Textlesung: 4. Mose 11, 11 - 25 Und Mose sprach zu dem HERRN: Warum bekümmerst du deinen Knecht? Und warum finde ich keine Gnade vor deinen Augen, dass du die Last dieses ganzen Volks auf mich legst? Hab ich denn all das Volk empfangen oder geboren, dass du zu mir sagen könntest: Trag es in deinen Armen, wie eine Amme ein Kind trägt, in das Land, das du ihren Vätern zugeschworen hast? Ich vermag all das Volk nicht allein zu tragen, denn es ist mir zu schwer. Willst du aber doch so mit mir tun, so töte mich lieber, wenn anders ich Gnade vor deinen Augen gefunden habe, damit ich nicht mein Unglück sehen muss. Und der HERR sprach zu Mose: Sammle mir siebzig Männer unter den Ältesten Israels, von denen du weißt, dass sie Älteste im Volk und seine Amtleute sind, und bringe sie vor die Stiftshütte und stelle sie dort vor dich, so will ich hernieder kommen und dort mit dir reden und von deinem Geist, der auf dir ist, nehmen und auf sie legen, damit sie mit dir die Last des Volks tragen und du nicht allein tragen musst. Und Mose ging heraus und sagte dem Volk die Worte des HERRN und versammelte siebzig Männer aus den Ältesten des Volks und stellte sie rings um die Stiftshütte. Da kam der HERR hernieder in der Wolke und redete mit ihm und nahm von dem Geist, der auf ihm war, und legte ihn auf die siebzig Ältesten. Und als der Geist auf ihnen ruhte, gerieten sie in Verzückung wie Propheten und hörten nicht auf. Liebe Gemeinde! Wie dem Mose so geht es heute vielen Menschen: Die Lasten, die auf ihren Schultern liegen, wer- den immer schwerer. Da wir heute als Gemeinde in unserer Kirche versammelt sind, wollen wir einmal fragen, wie es denn den Pfarrerinnen und Pfarrern, den haupt- und den ehrenamtlichen Mi- tarbeiterinnen und Mitarbeitern geht, also denen, die bei uns verkündigen, Seelsorge treiben, die Jungschar oder den Seniorenkreis, den Kindergottesdienst oder den Bibelkreis leiten und was es sonst bei uns noch an Gemeindearbeit gibt. Ich glaube, die Mitarbeiter in unserer Gemeinde könnten das oft auch sagen: Herr, ich vermag all das nicht zu tragen! Sie sagen es aber nicht oder nur selten und dann erst, wenn sie ganz am Ende sind. Warum erst dann? Das hat unterschiedliche Gründe: Einmal denken sie wohl, es wäre ja nun ihre Pflicht, die Arbeit, die sie übernommen haben, auch zu machen. Und das kann man auf zwei Weisen betonen: Sie denken, es wäre ihre Pflicht - und Pflicht müsste ja wohl immer schwer sein und einem hart auf den Schultern liegen. Und sie meinen, es wäre (nur) ihre Pflicht - sie könnten sie mit niemand anderem teilen und andere damit belasten. Das zweite ist dies: Sie würden bestimmt auch sagen, dass doch niemand da wäre, der sie entlasten könnte. Nicht immer deshalb, weil sie glauben, nur sie selbst könnten es am besten. Oft denken sie auch so, weil ja keiner da ist, der sich anbietet: „Ich würde gern beim Kindergottesdienst mithel- fen.“ Oder: „Ich hätte Lust, eine Ausbildung zum Lektor oder Prädikanten zu machen!“ Ein Drittes ist oft ganz einfach die Last der Arbeit selbst, die keine Zeit lässt, darüber nachzudenken, wie man denn die Belastung des Dienstes verringern und andere Menschen einbinden könnte. Wenn es dann gar nicht mehr geht, sagen Ehrenamtliche irgendwann: Ich schaffe es nicht mehr und muss aufhören. Hauptamtliche, PfarrerInnen und Pfarrer brechen - in den letzten Jahren immer häu- figer übrigens - einfach irgendwann zusammen: Krank am Körper und der Seele, ausgebrannt. Ei- gentlich versteht es sich da von selbst, dass wir lieber rechtzeitig um Hilfe schreien sollten, bevor das geschieht! Insofern macht es Mose sicher richtig: „Herr, warum finde ich keine Gnade vor deinen Augen, dass du die Last dieses ganzen Volks auf mich legst?“ Er geht zu Gott und klagt ihm sein Leid. Er tut das rechtzeitig und spricht es ganz deutlich aus: „Ich vermag all das Volk nicht allein zu tragen, denn es ist mir zu schwer.“ Und wie ernst ihm das ist, sagt er auch: Willst du aber doch so mit mir tun, mir weiter diese schwere Last aufbürden, so töte mich lieber!“ Aber - und das sollten wir genau beachten - Gott gibt ihm nun nicht die nötige Kraft, die er braucht, um weiterzumachen, weiterzuarbeiten über das Maß eigener menschlicher Kräfte hinaus. Gott schickt ihn zu den Menschen, in deren Dienst er bisher an seine Grenzen gegangen ist: „Sammle mir siebzig Männer unter den Ältesten Israels ...“ Ich glaube nun, das wäre auch heute das beste, wenn alle, die den Menschen in der Gemeinde auf irgendeine Weise dienen, sich auch um Hilfe an die anderen Gemeindeglieder wenden würden. Trotz dieser - wie ich meine - falschen Gedanken: „die wollen oder können ja nicht, sonst würden sie sich doch anbieten!“ Und da komme ich endlich zu uns allen hier und damit zu der sicher größeren Zahl von uns, die (noch) nicht in der Gemeinde mitarbeiten. Ich glaube nicht, dass ich falsch liege, wenn ich sage, dass sie jetzt gewiss schon eine ganze Weile denken: „Aber mich hat ja noch nie einer gefragt ... ob ich da oder dort mithelfen würde!“ Einigen geht auch noch mehr durch den Kopf: „Ich hätte dur- chaus Interesse, im Seniorenkreis mitzumachen.“ Oder: „Ich könnte mir schon vorstellen, im Kin- dergottesdienst einzusteigen, zumal meine Kinder doch auch im richtigen Alter sind, dorthin zu ge- hen!“ Und: „Lust hätte ich ja schon, als Lektorin auch selbst das Evangelium zu verkündigen.“ Liebe Gemeinde, liegt es hier nicht nah, einmal die beiden Seiten, sozusagen die, die schon im Di- enst einer Gemeindearbeit stehen mit denen zusammenzubringen, die dabei durchaus mittun woll- ten und würden? Und wann, wenn nicht heute an Pfingsten, dem Fest des Heiligen Geistes, der Menschen zur Gemeinschaft und gegenseitigem Verständnis führen will, sollten wir das tun? Sehen wir doch nur, wie es Mose weiter ergangen ist: „Und Mose ging heraus und sagte dem Volk die Worte des HERRN und versammelte siebzig Männer aus den Ältesten des Volks und stellte sie rings um die Stiftshütte.“ Kein Wort davon, dass es ein Problem gewesen wäre, die 70 Ältesten zu finden und für die Sache zu gewinnen! Warum? Weil die vielleicht schon lange darauf gewartet ha- ben, dass Mose sie in seine Arbeit holt und an seinem Dienst am Volk beteiligt. Und gewiss haben sie auch schon lange gespürt, dass er nicht mehr kann, dass er bald zusammenklappt unter dem Amt, das für einen allein doch viel zu schwer ist. Wie’s jetzt weiter geht, finde ich besonders schön und bemerkenswert: „Da kam der HERR hernied- er in der Wolke und redete mit ihm und nahm von dem Geist, der auf ihm war, und legte ihn auf die siebzig Ältesten.“ Nicht Mose, Gott gibt seinen Geist auf die neuen Mitarbeiter! Wir müssen uns also gar nicht diese vielen Gedanken machen, ob’s die neuen Helfer auch können. Und auf der an- deren Seite können wir auch alle Widerstände abtun, ob wir uns denn wirklich für diesen oder jenen Dienst eignen, ob wir uns da nicht zu viel zutrauen. Wir dürfen hier und dort - auf beiden Seiten - dem Geist Gottes vertrauen! ER schafft das Gelingen! ER gibt uns die Liebe, die wir zu unserem Dienst brauchen und ER schenkt uns auch die Fähigkeiten und den guten Willen, dass durch unsere Arbeit etwas Gutes wird und Gottes Sache unter den Menschen voran kommt. Wann endlich geben wir der Meinung den Abschied, die Kirche, unsere Gemeinde wäre zuallererst die Arbeit des Pfarrers (der Pfarrerin) und aller haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter? Wann en- dlich lassen wir auch den Gedanken fallen, es müssten in der Gemeinde alle, die doch schon so lange in diesem oder jenem Dienst stehen, das auch immer weiter tun? Die Gemeinde Gottes ist die Sache aller, die darin leben und den selben Glauben teilen! Die Verkündigung, der Kindergottes- dienst, die Jugend- und die Seniorenarbeit, ja alles, was in der Gemeinde für und von Menschen ge- schieht und getan wird, ist die Verantwortung aller! Alle sollen mithelfen. Alle sollen aufeinander achten, dass keiner unter seine Last zusammenbricht. Wem sein Dienst zu viel wird, darf sich Hilfe holen. Wer nicht mehr kann, soll andere ansprechen. Und wenn der Ruf um Mithilfe ausbleibt, dann wollen wir uns von uns aus anbieten. Und wir werden sicher erleben, dass man uns gern in der Gemeinde mitarbeiten lässt. Und wenn wir merken, die eine Arbeit überfordert uns, dann wollen wir schauen, ob wir für eine andere nicht besser geeignet sind. Jetzt bleibt uns nur noch, den Schluss der Geschichte um den überlasteten Mose zu hören und auf uns und unsere Gemeinde zu übertragen: „Und als der Geist auf ihnen ruhte, gerieten sie in Verzückung wie Propheten und hörten nicht auf.“ Wenn das keine wunderbare Verheißung ist!? Vielleicht hängt uns die „Verzückung wie Propheten“ ja doch ein wenig zu hoch. Aber dass es eine große Freude macht, in Gottes Gemeinde mitzutun und anderen Menschen mit unseren Gaben zu dienen, das dürfen wir glauben! Vor allem: Es lässt sich ja ausprobieren! AMEN